Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Warum Lippe in Schieder einen großen Schatz verliert

Marianne Schwarzer

  • 0
Mit dem Fernglas vor den Augen: So ist Matthias Füller all die Jahre oft unterwegs gewesen. - © Archivfoto: Martin Hoster
Mit dem Fernglas vor den Augen: So ist Matthias Füller all die Jahre oft unterwegs gewesen. (© Archivfoto: Martin Hoster)

Schieder-Schwalenberg. Wenn Matthias Füller morgens in sein Auto steigt, um von seinem Zuhause in Bielefeld in sein Zweitzuhause nach Schieder zu fahren, dann ist er nach wenigen Kilometern drin in einer sanft geschwungenen Landschaft mit vielen Kleinodien: Dem Diplombiologen geht das Herz auf, wenn er an all die großen und kleinen Naturparadiese denkt. Doch er sagt auch: „Ich sehe, wie die Landschaft sich verändert, wie die Artenvielfalt abnimmt, wie vieles verloren geht.“

Seit mehr als 32 Jahren nimmt er diesen Weg nahezu täglich, oft genug auch am Wochenende. Er war 1992 ein Mann der ersten Stunde, zunächst an der Seite der damaligen Stations-Leiterin Dr. Ute Röder als wissenschaftlicher Mitarbeiter, und seit 2008 sitzt er auf dem Leitungsposten, während seine ehemalige Chefin mittlerweile Verwaltungsvorstand beim Kreis Lippe ist.

Von einem kleinen Büro im Kreishaus über eine Privatwohnung in Schieder bis in die ehemalige Bergescheune der einst fürstlichen Domäne Schieder zog die knappe Handvoll Mitarbeiter: Füller und Röder hatten Unterstützung von Landwirt Bernd Stuckmann und einem der vielen Zivildienstleistenden, die heute längst den Bufdis und Menschen im freiwilligen ökologischen Jahr gewichen sind.

Politisch heikles Unterfangen

„Als ich damals anfing, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich das drei Jahrzehnte lang machen würde.“ Eine lange Zeit, in der die Biologische Station unter seiner Mitwirkung jede Menge Landschaftspflege betrieben und Naturschutzprojekte vorangetrieben hat.

Das erste große Projekt: Eine Pflege- und Entwicklungsplanung für das Naturschutzgebiet Emmertal, also für den Abschnitt von der Staumauer des Schiedersees bis zur Landesgrenze. Das Ganze flankiert von einem Bodenordnungsverfahren, ein durchaus politisch schwieriges Unterfangen.

Nicht immer waren die Maßnahmen unumstritten, das gibt Matthias Füller zu. „Aber trotzdem haben wir immer von allen Seiten Unterstützung bekommen.“ Was nicht zuletzt daran gelegen haben mag, dass Landwirtschaft und Forst im Kreis des Trägervereins vertreten sind, und für ein konstruktives Miteinander zu gewinnen waren. Dass auch noch zeitweise Landwirte bei der Biologischen Station in Schieder mitarbeiteten, half ebenfalls: So war die fachliche Expertise nicht nur auf Seiten des Biologen gegeben.

Vierbeinige Kollegen

Unzählige Projekte sind über Matthias Füllers Schreibtisch gegangen, und mit dem Aufbau der berühmten Skuddenherde gab es noch einen weiteren Aktivposten: Wertvolle Freiflächen vor der Verbuschung zu bewahren, ist der Job der Vierbeiner.

Über 400 Tiere sind es mal gewesen, und viele Lipper haben seinerzeit eine Patenschaft für ein Lämmchen übernommen. Neben der Lippischen Landes-Zeitung, die damals ihr kleines Skuddenlamm „Elzett“ taufte, erhielt auch die damalige grüne Ministerin Bärbel Höhn eine Patenschaftsurkunde. Sie taufte ihr Böckchen nach dem streitbaren SPD-Politiker Franz Müntefering.

Die Lammtage waren echte Publikumsmagnete, aber auch ein riesiger Berg an Arbeit. „Ich glaube, wir haben einfach zu oft nicht nein gesagt“, denkt Matthias Füller heute. „All die Aufgaben waren eigentlich zu viel für einen so kleinen Personalpool, wie wir ihn haben.“ Vor allem vor dem Hintergrund der Wochenenden: Nicht nur Schäfermeisterin Stefanie Rzepka, sondern auch alle anderen Kollegen fuhren und fahren regelmäßig raus, um Zäune umzustecken und sich um die vierbeinigen Kollegen zu kümmern. Mittlerweile ist freilich die Herde deutlich kleiner.

Mit dem Mofa ins Grüne

Neben all der Schreibtischarbeit, dem Erarbeiten von Konzepten und Gutachten, all den Vorträgen und Exkursionen zog es Matthias Füller natürlich immer wieder allein hinaus. Nicht nur um zu kartieren und zu genießen, sondern auch um seine Artenkenntnisse zu erweitern. Ornithologie war der Anfang, damit hat er sich schon als Teenager befasst, wenn er auf dem Mofa vom grauen Hammer Westen am Rand des Ruhrgebietes mit dem Fernglas in die Wiesen und zu den Flussläufen der Umgebung knatterte.

„Vogelkunde ist für den Anfänger das Einfachste“, aber über das Biologiestudium und dann seine Arbeit in der Biostation hat er sich peu à peu auch in die anderen Bereiche eingearbeitet, Heuschrecken, Tagfalter, später Fledermäuse. „Ich möchte möglichst von allem was wissen“, sagt er. Matthias Füller liebt es, einfach so „anlasslos loszugehen und zu gucken, was sich zeigt.“

Eine echte Traumstelle

Auch wenn der heute knapp 65-Jährige nie geglaubt hat, dass es ihn so lange in Lippe halten würde, trotz all der Hürden, die er beim Kampf um die Existenz der Biostation, um Finanzmittel und Sicherheit neben allem auch nehmen musste, so sagt er doch mit Blick auf den riesigen Gestaltungsspielraum jenseits enger behördlicher Grenzen: „Das hier war für mich eine Traumstelle.“

Die er ungern verlassen wird, sobald ein Nachfolger gefunden ist und er ihn eingearbeitet hat. Eine Wegbegleiterin wird ihn besonders vermissen, und das ist die Frau, mit der sein beruflicher Werdegang in Lippe begonnen hat. Dr. Ute Röder sagt: „Es gibt Botaniker, Zoologen und Landschaftsökologen und es gibt Matthias Füller, der alles in einer Person ist. Seine hohe Fachkompetenz in allen Disziplinen ist faszinierend. Matthias Füller ist damit und mit seiner immer sachlichen und objektiven Art im Naturschutz in Lippe eine Institution, dessen Meinung von allen, egal ob Naturschutzvertreter, Land- oder Forstwirte oder Verwaltung geschätzt wird. Das ist etwas ganz Seltenes und gerade bei oftmals emotional diskutierten Themen wie es zum Beispiel beim Norderteich war, ein Schatz.“

Nie hätte er gedacht, dass er 30 Jahre hier bleiben würde: Matthias Füller wird die Biologische Station verlassen, wenn er seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger in der Leitung eingearbeitet hat. - © Marianne Schwarzer
Nie hätte er gedacht, dass er 30 Jahre hier bleiben würde: Matthias Füller wird die Biologische Station verlassen, wenn er seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger in der Leitung eingearbeitet hat. (© Marianne Schwarzer)

Er bleibt Lippe treu

Das können übrigens auch die LZ-Redakteure unterschreiben, denn auch heute noch ist Matthias Füller ein höchst kompetenter Ansprechpartner für die Redaktion, wann immer es um interessante Tiere oder Pflanzen und deren Lebensraum geht.

Dr. Ute Röder hofft, „dass er dem Naturschutz in Lippe nach dem Ausscheiden aus der Biologischen Station noch ehrenamtlich etwas treu bleiben wird. Das wäre die größte Freude für mich und die Biologische Station.“ Und ohne diesen Wunsch zu kennen, hat Matthias Füller schon genau das zugesagt: „Ich werde mich auch künftig ehrenamtlich im Naturschutz engagieren, und das möchte ich natürlich in Lippe tun.“ Denn so eine alte Liebe wie die seine zum Land des Hermann, die rostet eben nicht.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo