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Wie es drei Giganten nach Brakelsiek schaffen sollen

Marianne Schwarzer

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Wie so ein Transport in einer Ortslage aussehen kann, zeigt dieses Beispiel aus Schorndorf im Süddeutschen. - © Gabriel Habermann
Wie so ein Transport in einer Ortslage aussehen kann, zeigt dieses Beispiel aus Schorndorf im Süddeutschen. (© Gabriel Habermann)

Schieder-Schwalenberg. Im Sommer sollen sie sich auf der Brakelsieker Flur drehen. Doch bis die drei mächtigen Windräder an Ort und Stelle sein werden, gilt es, eine Menge Hebel in Bewegung zu setzen – teilweise im Wortsinn. Wie soll denn auch ein 65 Meter langes Rotorblatt, das auf einem speziellen Lastwagen liegt, um enge Kurven im lippischen Südosten kommen?

Die Nordex Group, einer der großen globalen Spieler auf dem Feld der Windenergie, stellt selbst Windkraftanlagen her, beliefert aber auch Windparkbetreiber wie die ABO-Wind, die in Brakelsiek für die drei Windräder verantwortlich zeichnet. Geplant sind drei Anlagen mit einer Nabenhöhe von 134 Metern. Jede Anlage hat eine Nennleistung von 3,6 Megawatt.

Alvaro José Alves Mota und Maximilian Van de Sandt sind bei Nordex für die Logistik zuständig – und die hat es in sich. „Unsere Komponenten kommen aus Dänemark, die Rotorblätter aus der Türkei, die landen im Hafen in Emden an. Und die Gondel kommt aus Rostock“, berichtet Mota.

Ein halbes Jahr Planung

„Die operative Abteilung ist bei uns von Anfang an in die Planung involviert.“ Ein halbes Jahr Vorlauf ist vonnöten, um die Strecke abzustimmen und genau zu klären, wo Hindernisse auf dem Weg liegen – und wie sie sich entfernen lassen. Die Nordex Group arbeitet hier mit drei Speditionen zusammen, die am Ende den Transport übernehmen.

Doch bevor es auf kleinen lippische Landstraßen bis hin auf die Wirtschaftswege geht, liegen erst einmal die Autobahnen auf dem Weg. „Das ist gerade in Nordrhein-Westfalen, also im Ruhrpott, besonders schwierig“, sagt Alvaro Mota. Denn viele Autobahnbrücken sind für den Schwerlastverkehr gesperrt, und die Stahlrohrelemente für den Turm wiegen bis zu 70 Tonnen. Die Rotorblätter sind da mit um die 16 Tonnen noch die Leichtgewichte, aber sie sind nun mal besonders sperrig. Dass beispielsweise die Leverkusener Brücke wieder freigegeben ist, nützt hier herzlich wenig: „Mit unseren Schwertransporten dürfen wir immer noch nicht dort fahren.“

Hier geht es los: Gut verpackt werden die mächtigen Turbinen von Nordex auf die Reise geschickt. - © Nordex
Hier geht es los: Gut verpackt werden die mächtigen Turbinen von Nordex auf die Reise geschickt. (© Nordex)

900 Kilometer Umweg

So kann es also passieren, dass eine Anlage, die eigentlich in der Pfalz aufgestellt werden soll, den Umweg über Leipzig nehmen muss, um zum Ziel zu gelangen. „Das sind dann statt 400 Kilometer 1300 für eine Strecke.“ Dass das ein teurer Spaß ist, liegt auf der Hand: „Das ist mittlerweile ein Riesen-Kostentreiber.“ Ganz zu schweigen von plötzlichen Tagesbaustellen oder anderen Unwägbarkeiten.

Von der Autobahn in die lippische Provinz – auch das erfordert einen riesigen Aufwand. Denn weil die Windradflügel derart sperrig sind, haben die Transporte natürlich einen extrem großen Wendekreis. Jede Kurve wird zur Herausforderung.

„Im Vorfeld wird eine genaue Streckenstudie erstellt“, erläutert Mota. Das bedeutet, jemand fährt die gesamte Strecke ab und fotografiert die Details, auf die zu achten ist. Das beginnt mit dem Kreisel nach der Abfahrt von der Autobahn, bei dem beispielsweise die Verkehrsinsel geschützt und abgedeckt werden muss. Die Streckenabschnitte werden in Kategorien von Grün (einfach) über Orange – komplexer Abschnitt mit diversen erforderlichen Maßnahmen wie Entfernung von Verkehrsschildern, Verbreiterung von Kurven oder vorübergehende Demontage von Ampeln – bis hin zu Rot (schwierig) eingeteilt.

Unter anderem ist beispielsweise bei der Ortsdurchfahrt in Lothe eine Leitung über der Straße zu entfernen, an anderen Stellen wie in Brakelsiek sind bereits einige Bäume gefällt worden (die LZ berichtete). An wieder anderen Stellen müssen Laternen und Leitpfosten entfernt werden, und natürlich muss bei einer Ortsdurchfahrt auch im Vorfeld ein Parkverbot entlang der Strecke eingerichtet werde. Was es bedeutet, wenn so ein Gigant stundenlang warten muss, weil irgendein Autofahrer seinen PKW nicht rechtzeitig umgeparkt hat, lässt sich leicht vorstellen.

Härtetest am Computer

Aber für all das muss Nordex natürlich auf die Mithilfe der Behörden vor Ort hoffen, frühzeitig Genehmigungen einholen und das Streckenprofil einreichen. In diesem Fall ist der Kreis Lippe Hauptansprechpartner, „aber das wird auch mit uns abgestimmt“, sagt Schieder-Schwalenbergs Bürgermeister Jörg Bierwirth.

Die Topographie spielt auch eine wichtige Rolle, etwa, wenn ein Wirtschaftsweg durch eine Senke führt. „Bei der Länge der Rotorblätter kann es natürlich vorkommen, dass wir unten die Senke mit Schotter auffüllen, damit wir überhaupt durchkommen“, erklärt Mota. Das fällt dann allerdings schon in die Kategorie „Rot“.

In diese Kategorie fallen beispielsweise besonders enge Kurven, bei denen vorher am Computer dreidimensional simuliert wird, ob das überhaupt passen kann. Rot, das heißt auch meistens, dass ohne Spezialgerät hier nichts mehr zu machen ist, und das gilt im Fall der Brakelsieker auf einer Strecke von 5,7 Kilometern. Wie das vonstatten geht, erläutert Maximilian Van de Sandt. „Wir bringen die einzelnen Komponenten erst einmal zu einem Umladeplatz an der Hagedorner Straße in Steinheim.“ Dort warte dann schon ein „Selbstfahrer“ der Firma Hofmann aus Paderborn, die auch bekannt ist für ihre blauen Spezialkräne.

Kurven im ländlichen Raum sind eine Herausforderung für lange Vehikel. Aber der Selbstfahrer der Paderborner Firma Hofmann im charakteristischen Blau erleichtert die Sache. - © Hofmann Kranvermietungen
Kurven im ländlichen Raum sind eine Herausforderung für lange Vehikel. Aber der Selbstfahrer der Paderborner Firma Hofmann im charakteristischen Blau erleichtert die Sache. (© Hofmann Kranvermietungen)

Manövrieren per Joystick

Der Selbstfahrer ist eine vielrädrige Plattform, die per Joystick millimetergenau von außen gesteuert wird. Auf ihr liegt der Windmühlenflügel und kann per Knopfdruck mit einem Lifter angehoben werden, beispielsweise, wenn es um eine sehr enge Kurve geht. Dadurch verkleinert sich der Wendekreis. Der Selbstfahrer braucht für die Strecke vom Umladeplatz eine Stunde, die ganze Prozedur inklusive Umladen einen ganzen Tag. Macht bei 12 Komponenten für jedes der 600 bis 900 Tonnen schweren Windräder 36 Anlieferungstage. Wo genau der Umladeplatz liegt und welche Strecke die Transporte nehmen werden, möchte die Nordex Group nicht sagen.

Den Weg ebnen

Wann wird es denn endlich soweit sein? – Das kann Pressesprecher Felix Losada noch nicht sagen. „Da noch die Transportgenehmigung aussteht und wir nicht wissen, wann diese genau erteilt wird und Errichtungstätigkeiten wesentlich von Witterungsverhältnissen abhängig sind, können wir einen exakten Termin aktuell nicht nennen.“

Die Montage vor Ort wird von einer externen Firma übernommen. Dann haben die Logistiker von Nordex ihre Schuldigkeit getan. - © Ulrich Mertens, Atelier für Kunst und Fotografie
Die Montage vor Ort wird von einer externen Firma übernommen. Dann haben die Logistiker von Nordex ihre Schuldigkeit getan. (© Ulrich Mertens, Atelier für Kunst und Fotografie)

Nach Auskunft des Kreises Lippe hat die Straßenverkehrsbehörde genehmigt, dass die Schwerlasttransporte fahren dürfen. Allerdings steht die verkehrsrechtliche Anordnung, die dem Transport buchstäblich den Weg ebnet, so dass beispielsweise eben keine Schilder, Leitplanken oder Begrenzungspfosten im Weg sind. Bürgersteige werden beispielsweise mit Stahlplatten ausgelegt. Solche Arbeiten übernimmt nach Erhalt der Anordnung das Transportunternehmen. Nordex-Sprecher Felix Losada ist optimistisch: Wir gehen davon aus, dass die Anlagen im Sommer vollständig errichtet sein und dann sauberen Strom produzieren werden.“

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