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Bad Driburg

Adelstreffen mit fünf Gängen

Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers kocht in Bad Driburg

"Am besten ist ,Annabelle?", empfiehlt der 65-Jährige und schaut verschmitzt zur Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff hinüber. "Ja, die kenne ich auch. Ich komme mir auch immer komisch vor, wenn ich auf dem Markt nach einem Sack Annabelle frage", sagt die Gräfin lächelnd. Der Adel gibt sich in der Hotelküche bestens gelaunt, während Brüste und Keulen der Maispoularde in der Pfanne vor sich hinschmoren.

Literatur und Kulinarisches in der Art zu verbinden

"Es ist schon etwas Besonders, dass wir hier so gemeinsam in der Küche stehen können", sagt die Gräfin und erhält sofort die Zustimmung des Prinzen. Nicht jeder Koch lasse sich gerne in die Töpfe schauen, loben sie Blümels offene Art. "Für mich ist das wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen", sagt die Gräfin angesichts der deutsch-äthiopischen Menükreation. "Es ist ein Novum, Literatur und Kulinarisches in der Art zu verbinden", stimmt Asserate zu.

Für die typisch äthiopischen Zutaten der Gerichte hat der Prinz zuvor selbst gesorgt. Er besorgte aus Äthiopien landestypische Gewürze wie den Berbere-Curry oder das dünne, aus Urgetreide hergestellte Fladenbrot. "Einige Zutaten hätte ich sonst in der Qualität hier gar nicht bekommen", verrät Blümel. Aber nicht nur beim Einkaufen der Zutaten mussten sich Blümel und Asserate abstimmen, auch bei der Gewürzmischung mussten sie eine gemeinsame Linie finden. "Wir müssen die Sachen schon etwas für den europäischen Gaumen runterkochen, also entschärfen", sagt Blümel. Eine Speise, die der Äthiopier als leicht gewürzt einstuft, weckt beim Europäer das Verlangen nach einem Kanister Wasser. "Die äthiopische Küche ist wirklich würzig und sehr scharf", sagt Blümel.

Auf seinen Großonkel angesprochen legt Asserate kurz das Kochgeschirr zur Seite und wird nachdenklich. "Er war kein einfacher Mensch", sagt Asserate über den Mann, der als einer der bedeutendsten politischen Gestalter des 20. Jahrhunderts gilt. "Er war nur 165 Zentimeter groß. Aber mit seiner Krone wuchs er zum Zwei-Meter-Mann", sagt Asserate. Haile Selassie habe Äthiopien mit seiner Politik "vom Mittelalter in das 20. Jahrhundert befördert". Leider sei es ihm nicht gelungen, alle notwendigen Reformen durchzuführen. "Ihm ist das Schicksal vieler Reformer zuteilgeworden", sagt Asserate. Nach einem Militärputsch musste der Kaiser am 12. September 1974 abdanken und starb bald darauf im Arrest unter ungeklärten Umständen. Asserate schrieb später in einem seiner Bücher, dass sein Großonkel mit seinem Kopfkissen erstickt worden sei.

So schlotzig

Während Asserate aus dem Familienleben erzählt, arbeitet Blümel an der äthiopischen Perlgraupensuppe mit Raz-el-Hanout, Gemüse und Tafelspitz. "Diese Graupensuppe ist jedoch nicht das, was Oma früher gekocht hat", stellt Blümel klar. "Das Wichtigste ist der Fond", sagt Asserate und wendet sich wieder dem Kochgeschehen zu, indem er in den riesigen Kochtopf schaut, in dem die verschiedenen Gemüsesorten dicht an dicht an der Wasseroberfläche tanzen.

Am Ende der Kochzeit setzen sich der Prinz und die Gräfin an dem direkt in der Küche des Caspar's für acht Personen gedeckten Tisch und lassen sich das Essen servieren. "Hervorragend", sagt Asserate beim ersten Bissen. Der Spitzenplatz des Kartoffelsalats auf der Liste von Asserates Leibspeisen könnte in Gefahr sein. Es schmeckt lecker, es ist einfach wunderbar schlotzig.

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