Todesurteil für Bielefelds Mufflons: Jetzt spricht der Waldbesitzer

Bielefeld. Der kleinen Mufflon-Herde am Teutoburger Wald droht der Tod. Das Oberverwaltungsgericht Münster gab sie zum Abschuss frei. Jetzt rollt eine Welle der Solidarität auf die Schafe zu: Im Internet ist seit Freitag ein Sturm der Entrüstung entbrannt, in die NW-Redaktion flattern zahlreiche wütende Leserbriefe – und auch Oberbürgermeister Pit Clausen bezog am Montagnachmittag eigens öffentlich Stellung, um Widerstand gegen das Gerichtsurteil anzukündigen. Das hatte dem Kläger, der Klasing’sche Familienstiftung, Recht gegeben.

Doch deren Obmann Hanns-Christian Klasing überrascht jetzt mit einer Aussage gegenüber der NW: &bdquo;Wir wollen die Tiere gar nicht abschießen." Ziel sei es einzig und allein, die 12 Schafe endlich aus dem Revier zu entfernen – das setze nicht zwingend einen Abschuss voraus. Also doch alles gut?

Seit rund vier Jahren beschäftigt das Thema die Justiz. Die Mufflons leben seit mehr als einem halben Jahrhundert im Bereich des Fernsehturms. Dort knabbern sie gerne die Rinde der Bäume ab, vor allem von Eschen und Fichten, die ihnen besonders gut schmecken. Das ist der Stiftung ein Dorn im Auge. Ihr gehört das 133 Hektar große Waldstück. Klasing verweist darauf, dass die Stiftung im Laufe der Jahre zahlreiche Maßnahmen ausgeschöpft habe, um die Schäden zu verhindern. Eine &bdquo;Entfernung" der Tiere sei aber alternativlos. &bdquo;Die Schäden in dem Revier sind einfach zu groß. Das ist wirtschaftlich unzumutbar."

"Totaler Abschuss als einzige formal-rechtliche Möglichkeit" Seit Jahren habe die Stiftung versucht, auf das Problem aufmerksam zu machen. Doch bei der Stadt Bielefeld und den Nachbarn sei man stets auf &bdquo;taube Ohren" gestoßen, beklagt Klasing. Deshalb gab die Stiftung Gutachten in Auftrag. Sie alle seien zu dem Schluss gekommen, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft mit dieser Muffelherde im Wald nicht möglich sei. Klasing erklärt, dass es in diesem Fall formal-rechtlich keine andere Möglichkeit gegeben habe, als den &bdquo;totalen Abschuss" der Herde bei der Unteren Jagdbehörde zu beantragen. Eine andere Möglichkeit sei im Jagdrecht nicht vorgesehen. Das bestätigte das Gerichts-Urteil aus Münster.

Dieses Urteil bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die Tiere auch wirklich geschossen werden müssen, so Klasing gegenüber der NW: &bdquo;Wenn sich jemand findet, der die Tiere einfängt und wegbringt, dann soll uns das recht sein. Wir müssen sie nicht abschießen. Das wollen wir gar nicht." Wer dazu bereit sei, könne sich gerne bei der Stiftung melden. Gegen diese Lösung habe sich die Stiftung über all die Jahre hinweg nie verwehrt, aber: &bdquo;Es ist bis heute noch niemand zu uns gekommen", sagt Klasing. Eine Umsiedlung der Tiere ist bereits vor Jahren in der Politik diskutiert worden; war aber immer gescheitert. Experten halten sie für kaum umsetzbar.

Klasing wünscht sich eine weniger emotional aufgeladene Diskussion. Sie sei einseitig und von wenig Sachkenntnis geprägt. Er betont in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung des Naturschutzes: "Ein Wald, der dort seit mehreren Generationen wächst, ist für uns wichtiger als eine kleine Herde Tiere, die dort ökologisch gar nicht hingehört." "Wir versuchen einen Wald zu schützen, der auch als Nah-Erholungsgebiet für die Bielefelder Bevölkerung dient."

Es sei unfair, dass die Stiftung als Buhmann dargestellt werde. &bdquo;Unsere Familie betreibt dort seit über 150 Jahren erfolgreich naturnahen Waldbau. Wir alle brauchen die Wälder zur nachhaltigen heimischen Holzproduktion und als Sauerstofflieferant."

In den Sozialen Medien hagelte es in den vergangenen Tagen Kritik. Eine Online-Petition zur Rettung der Mufflon-Herde hatte bei Redaktionsschluss am Montagabend bereits mehr als 20.000 Unterschriften. Auch in vielen Leserbriefen und Facebook-Kommentaren wurden Stiftung und OVG Münster teils scharf kritisiert. Auch die Grünen sehen im Totalabschuss &bdquo;keine Option".

&bdquo;Ich möchte den Abschuss der Mufflons nicht freigeben" Oberbürgermeister Pit Clausen hatte in einer öffentlichen Mitteilung am Montag Widerstand gegen das Urteil angekündigt. &bdquo;Die Stadt Bielefeld wird nach Eingang der Münsteraner Entscheidung prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegt oder andere Maßnahmen trifft." Clausen: &bdquo;Ich möchte den Abschuss der Mufflons nicht freigeben und werde alle Möglichkeiten ergreifen, das zu vermeiden."

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom vergangenen Freitag lässt jedoch keine Revision zu. Einzige Möglichkeit für die Stadt ist es, eine Beschwerde gegen diese Nicht-Zulassung der Revision einzulegen. Die würde dann vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt. Noch wartet die Stadt auf die schriftliche Urteilsverkündung. Sobald diese vorliegt, hat sie einen Monat Zeit, Beschwerde einzulegen, sagt Dirk Rauschenberg vom OVG Münster. Der Sprecher bestätigt: &bdquo;Unsere Urteils-Verkündung sieht nicht zwingend einen Abschuss vor. Insofern sich andere Möglichkeiten ergeben, die Herde umzusiedeln, wäre das natürlich genauso zielführend."

Vielleicht aber lässt sich das Problem auch außergerichtlich klären. Klasing zeigt sich offen für eine Umsiedlung der Tiere – bis zu einem Stichtag. Wichtig sei, dass auch wirklich sichergestellt werde, dass die Tiere nicht wieder in ihr aktuelles Revier zurückkehrten. &bdquo;Der Tierpark Olderdissen wäre uns auch recht, wenn sie da bleiben", sagt Klasing und fügt an: "Wenn bis dann aber nichts passiert ist, werden die Tiere im nächsten Jagdjahr geschossen werden müssen."

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