Zehn Stunden in engem Kastenstand - Tierschützer demonstrieren in Gütersloh

Gütersloh. Der Regen am Mittag kann Katharina Friess und Julia Strach nichts anhaben. Unter einem viel zu kleinen Schirm hocken die 32- und 22-Jährigen im metallenen Kastenstand eng zusammen. Durchnässt, von unten drückt langsam die Bodenkälte hoch, aber Friess und Strach lehnen Sitzkissen ab. &bdquo;Die Sau hat auch kein Kissen, die hat nicht mal den weichen Rasen", sagt Friess, die im Kulturbetrieb arbeitet. Bewusstsein schaffen - das wollen Friess und drei weitere Aktivisten. Der zweite Lockdown durch Tönnies war der Anlass für ihre Aktion.

Sauen verbringen halbes Leben in engen Kastenständen Es sieht verkrampft aus, wie die beiden da hocken. Sich drehen ist kaum möglich. Zehn Stunden wollen sie ausharren. Zur Mittagszeit sind drei geschafft. &bdquo;Die Sau hat noch weniger Platz als wir", sagt Friess. Der WDR aus Köln ist gekommen. Überall werden Aufnahmen gemacht. Vier Käfige, dekoriert mit kleinen Plakaten stehen unweit des Cafés Ankoné zusammen. Ein Flyer wird rumgereicht. &bdquo;Mitleid reicht nicht" und &bdquo;Tierquälerei beenden" sind die Schlagzeilen. Inhaltlich geht es darum, dass die Sauen, die Schweinemütter, fast ihr halbes Leben in diesen engen Kastenständen verbringen.

Im Alter von sieben Monaten werden sie besamt. Da gehe es bereits für vier Wochen ins Deckzentrum in diesen Kastenstand. Mit der Geburt folgen weitere fünf Wochen im sogenannten &bdquo;Ferkelschutzkorb". Ein liebevoller Kontakt der Ferkel zur Mutter ist hinter dem Gitter kaum möglich. Zwei bis dreimal im Jahr kann die Sau trächtig werden. Diesen Zyklus der Tierindustrie und das frühe Schlachten nach nur wenigen Jahren kritisieren die Aktivisten besonders. &bdquo;Ein Tierleben könnte 20 Jahre dauern", sagt Katharina Friess.

Aktivisten wollen mit Menschen ins Gespräch kommen Die Beweggründe sich zu engagieren sind unterschiedlich. Neben dem vergessenen Tierwohl kritisiert ein Teil der Gruppe besonders die Klimaschädlichkeit durch Tierzucht. Andere sehen den gesundheitlichen Aspekt des Fleischverzehrs besonders kritisch. &bdquo;Die Industrie, die dahinter steht, finde ich unerträglich", sagt Katharina Friess. Schon länger macht sie mit bei Mahnwachen vor den Toren von Tönnies. Die Aktion auf dem Dreiecksplatz ist neu. Sie wollen mit den Leuten ins Gespräch kommen. Das klappt bedingt. Der Mittagsregen hat scheinbar einige Leute vom Stadtbummel abgehalten. Erst am Nachmittag füllt sich die Stadt.

Alle fünf Aktivisten leben vegan. Fiess Vater war Metzger, aber sie ist bereits mit 17 Jahren Vegetarierin geworden. Seit fünf Jahren ist sie Veganerin und sogar der Vater habe sich dem jetzt angeschlossen, &bdquo;zu 90 Prozent jedenfalls", erklärt sie. Als sie morgens um halb zehn gestartet waren, hatte die Polizei die Begrüßungsrede mitverfolgt. Die Aktivisten wollten sich fürs Foto dreidimensionale Schweinemasken aufsetzen. Verboten – die Polizei wies auf das Vermummungsverbot hin.

Aktion soll in Bielefeld wiederholt werden Vier Wochen Vorlauf hatten sie für die Aktion, die demnächst in Bielefeld wiederholt werden soll. Ein befreundeter Landwirt lieh ihnen die Ferkelschutzkörbe und die Kastenstände. Ansonsten mussten Stefan Schneidt (Fridays for Future), Katharina Friess (The Save Movement Bielefeld), Marie-Kristin Mueller, Julia Strach und Benjamin Deitert nicht viel machen. Flyer drucken, Medien einladen, in den Kastenstand krabbeln.

Direkten Kontakt zu Tieren hat vor allem Benjamin Deitert. Der betreibt in Rietberg den Gnadenschutzhof Lebenshof. &bdquo;Tiere fürs Glück" ist das Motto. Sie leben von Spenden, das klappt inzwischen ganz gut, sagt er. Unter den 48 Tieren leben dort sechs Schweine. Drei davon sind Zuchtschweine, die ihm ein Bauer gab, weil er nicht wollte, dass sie im Zyklus der Industrie getötet werden. Von 14 hat Deitert drei übernommen. Inzwischen sind sie rund 200 Kilo schwer. Trotz Auslaufs wachsen sie immer weiter – Systemfehler eines Mastschweins.

"Die Leute haben oft ein Aha-Erlebnis" Der Bewegungsapparat der Tiere ist nicht gemacht für dieses Gewicht. &bdquo;Sie haben Muskelrisse und Gelenkverletzungen", sagt Deitert. Jeden Samstag führt er bis zu drei Besuchergruppen über seinen Schutzhof. Die Anfragen sind deutlich größer; Deitert und seine Freundin können nicht alle sofort bedienen. &bdquo;Die Leute haben oft ein Aha-Erlebnis", sagt der 40-Jährige. Bei ihm sei es vor vier Jahren ebenfalls ein Schlüsselerlebnis gewesen, das ihn zum Veganer gemacht hat. Deitert sah auf einem Video, wie eine Mutterkuh vom Säugling getrennt wurde. Es hat ihm das Herz zerrissen. Deitert: &bdquo;Ich habe gesehen, wie Tiere fühlen."

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