Außergewöhnliche Geschäftsidee: Bielefelder Alibi-Agentur liefert Ausreden auf Bestellung

Herr Eiben, Sie bieten über Ihre Alibi-Agentur in Bielefeld Ausreden auf Bestellung an. Wie sind Sie auf diese Geschäftsidee gekommen?

Das war eine Samstagsnachtsidee, bei der ich mich mit zwei Freunden verabredet hatte und beide mit einer ähnlichen Begründung abgesagt hatten. Ihre Freundinnen wollten nicht, dass sie ausgehen. Da habe ich gedacht: Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt ist mein Abend geplatzt, weil die sich das verbieten lassen. Das war für mich unvorstellbar. Ich würde meiner Freundin nie verbieten, auszugehen, und ich würde mir das auch nie verbieten lassen. Also setzte ich mich damals in derselben Nacht 1999 an den Rechner, ich hatte bereits eine Internetagentur und habe sofort losgelegt. Ich hätte niemals gedacht, dass das überhaupt ein Business wird. Und irgendwann hatte ich 4.000 Schauspielerinnen und Schauspieler sowie 100 Partnerfirmen.

4.000?

Ja, wir haben eine eigene Jobbörse, in der wir nach Personen mit bestimmten Kriterien suchen.

Die Fake-Freundin oder den Fake-Vater spielen Schauspielerinnen und Schauspieler. Wie kommt man an solche Alibi-Rollen?

Manchmal werden für eine Aktion auch viele Personen benötigt. Wenn jemand 40 Leute braucht, die auf ihn warten, damit es so aussieht, als sei er bekannt. Weil wir so eine hohe Medienpräsenz haben, kriegen wir bis zu 100 Bewerbungen am Tag. Wir arbeiten auch mit Schauspielschulen zusammen und mit ausgebildeten Schauspielerinnen und Schauspielern. Wer bei uns neu anfängt, der kriegt erst mal etwas Kleines. Dann wird über einen Videocall überprüft, ob die Person improvisieren kann und in der Rolle bleibt.

Was gibt’s dafür?

Ein Freelancer bekommt eine Gage ab 50 Euro die Stunde. Es gibt auch Aufträge, die besser bezahlt werden.

Verspüren Sie bei manchen Aufträgen Skrupel?

Nein, überhaupt nicht. Das gewöhnt man sich ganz schnell ab. Ich mache es ja schon seit 25 Jahren und habe so viele Personen persönlich kennengelernt. Viele lange Gespräche geführt, Fotoalben, Krankenakten und Tagebücher gesehen. Wer bei uns anruft, der macht sich das nicht einfach. Oft sind die, die belogen werden, Dritte, die irgendwie im Weg stehen und nicht mit der Wahrheit umgehen können. Wir beurteilen und verurteilen nicht, sondern machen alles, was im rechtlichen Bereich liegt, und geben dabei 100 Prozent.

Gab es auch Aufträge, die Sie abgelehnt haben, etwa im Zusammenhang mit Straftaten?

Wir treten online so seriös auf, dass wir nur sehr wenige Anfragen dieser Art bekommen. Aber wenn ich geblitzt worden bin und dafür ein Alibi brauche, darauf reagieren wir gar nicht. Ich habe auch einmal einen Fall abgelehnt. Er sagte, seine Freundin sei schwanger und wir sollten sie anrufen und Schluss machen. Wir machen so was, aber dieser Kunde war so unverschämt, dass ich den Fall nicht angenommen habe. Manchmal ist es einfach ein Bauchgefühl – und man weiß nicht genau, warum man einen Fall nicht bearbeiten möchte. Das überlasse ich meinen Mitarbeitern.

Welche Alibis können Bielefelderinnen und Bielefelder bei Ihnen buchen? Haben Sie zwei Beispiele?

Ein Kunde möchte, dass wir bei seiner Frau im neuen, kleinen Online-Shop immer mal wieder einkaufen. Sie bietet Bastelarbeiten an und er möchte ihr einfach eine Freude zu Weihnachten machen. Sie macht sich so viel Arbeit zu Hause, hat aber kein Marketing. Er weiß, wie sehr sie sich über Bestellungen freut. Das finden wir natürlich total süß und eine tolle Idee.

Zweites Beispiel?

Es gibt auch familiäre Angelegenheiten, bei denen uns jemand anruft und sagt: ’Ich habe keinen Kontakt zu meinen Eltern.’ Aber gerade jetzt zu Weihnachten bin ich richtig traurig gestimmt und würde sie gerne sehen. Wenn die Person den ersten Schritt nicht machen kann, schicken wir jemanden, der den Eltern erzählt, dass er ihr Kind kennt. Und dass dieses sehr positiv über sie spreche und jetzt gerne zur Weihnachtszeit den Kontakt wiederherstellen möchte.

Gibt es ein Alibi, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja, wir sollten jemanden beim Standesamt veräppeln. Wenn der Bräutigam herauskommt, standen draußen zwei angebliche Ex-Affären. Eine der Affären hatte sogar ein Kind von ihm. Die ihm dann sagte: Hey, du, ich habe gehört, du heiratest, und übrigens haben wir ein Kind. Das ging von seinem Freundeskreis aus, und wir haben das organisiert, und alle wussten Bescheid, selbst die Braut und die Eltern. Die Schauspielerinnen konnten ihn mit Namen ansprechen und wussten persönliche Informationen. Wo er damals im Urlaub war, in Thailand und Mallorca. Sie hätten sich dort kennengelernt. Dann haben sie ihn mit vielen Fakten bombardiert, sodass er im ersten Augenblick alles glaubte. Er war völlig verzweifelt. Sie haben ihm diesen Streich gespielt, weil er immer derjenige war, der andere hereinlegte. Eine kleine Rache.

Ist auch mal ein Alibi schiefgelaufen?

In den letzten 25 Jahren ist nie etwas herausgekommen. Was manchmal passiert, ist, dass jemand es im Nachhinein selbst erklärt, also: Übrigens, ich habe seit vielen Jahren eine Affäre, ich möchte mich scheiden lassen.

Mussten Sie schon einmal Ihr Honorar zurückzahlen?

Ich glaube, die Rückerstattung wäre das geringste Problem. Da geht es ja oft um viel mehr, die Ehe, die Beziehung, um Alimente und um Kinder. Unsere Aufgabe nehmen wir sehr ernst.

Nutzen Sie selbst Ihre Alibi-Agentur für Ausreden?

Ich bin der Einzige, der es nicht nutzen kann. Meine Frau arbeitet in der Agentur und wir haben die Regel, niemanden einzuweihen. Wenn ich jedoch ein Alibi bräuchte, müsste ich meine eigenen Mitarbeiter einweihen.

Was sagen Ihre Familie und Ihr Freundeskreis zu Ihrem außergewöhnlichen Job?

Damals konnten sie sich gar nicht groß etwas darunter vorstellen, als die ersten Personen anriefen und das Geschäft losging. Dann, als ich immer mehr spannende Geschichten hatte, haben sie langsam gemerkt, dass die Sache ernst wird. Und mittlerweile diene ich aufgrund meiner Erfahrung auch oft als Ansprechpartner für sehr intime Gespräche und Probleme.

Warum ist eine Ausrede manchmal besser als die Wahrheit?

Damit versucht man, viel Stress und Ärger zu vermeiden, um niemandem vor den Kopf zu stoßen. Darum geht es ganz häufig; und die Ausrede oder die Notlüge ist einfach eine Form der Höflichkeit. Man will niemanden verletzen, aber sich im Leben nicht einschränken lassen. Niemand soll wütend werden, Beziehungen sollen halten.

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