Eine Schweinerei? Landwirte sollen drei Millionen Euro hinterzogen haben

Herford/Kirchlengern/Bielefeld. War es tatsächlich die, dieses Wortspiel sei gestattet, von der Staatsanwaltschaft angenommene Schweinerei - oder haben sich ein paar Landwirte in der Region lediglich ohne List und Arg eine Besonderheit des Umsatzsteuergesetzes zunutze gemacht? Ein 69 Jahre alter Mann aus Kirchlengern muss sich nun vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Bielefelder Landgerichts verantworten. Er ist angeklagt, gemeinsam mit mehreren Schweinezüchtern und Mastbetrieben den Finanzbehörden knapp drei Millionen Euro Umsatzsteuer vorenthalten zu haben.

Die Staatsanwaltschaft geht von folgendem Geschehen aus: Der 69 Jahre alte Ingolf D. (Name geändert) war laut Anklage zumindest in der Zeit von Mai 2008 bis Ende 2015 Geschäftsführer einer GmbH, die sich auf den Handel mit Zucht- und Schlachtschweinen spezialisiert hatte. Doch habe das zunächst in Herford, später in Kirchlengern ansässige Unternehmen - so die Ermittler - lediglich nach außen hin den An- und Verkauf von Zuchttieren betrieben. Allerdings, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, habe die GmbH lediglich auf dem Papier als Zwischenhändler bei tatsächlich abgewickelten Geschäften fungiert, um so für alle Beteiligte einen Steuervorteil herauszuschlagen.

Meinungen gehen deutlich auseinander

Demnach sollen sich die in Rede stehenden Geschäfte wie folgt abgespielt haben: Einer der laut Anklage eingeweihten Züchter verkaufte Tiere an die Firma des Angeklagten. Diese zahlte darauf eine Umsatzsteuer von 10,7 Prozent des Netto-Kaufpreises, die der Verkäufer behalten durfte, da er in gleicher Höhe einen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Die als Zwischenhändler fungierende GmbH verkaufte die Schweine nun weiter an Mastbetriebe, die sieben Prozent Umsatzsteuer bezahlen, welche sie später vom Fiskus zurückerhalten.

Da das Unternehmen des Angeklagten für diese Transaktionen jeweils sieben Prozent Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte, jedoch die zuvor bezahlten 10,7 Prozent erstattet bekamen, ergab sich eine Differenz von 3,7 Prozent. Diese ermöglichte es dem Zwischenhändler laut Anklage sogar noch, die Tiere - auf dem Papier - für einen um zwei Prozent ermäßigten Bruttopreis an den Mäster abzugeben.

Das Vorgehen wäre noch nicht einmal illegal, wenn die in Rede stehende GmbH denn tatsächlich mit den Tieren gehandelt haben sollte. Und hier gehen die Meinungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung deutlich auseinander.

Bei der Zwischenschaltung der Firma des Angeklagten habe es sich um reine Scheingeschäfte gehandelt, so die Ermittler. Tatsächlich sollen die Züchter direkt an die Mäster verkauft haben; Ingolf D. sei lediglich auf dem Papier beauftragt worden. Gemeinsam mit den zum Teil gesondert verfolgten beteiligten Landwirten soll D. auf diese Weise und durch falsche Umsatzsteuererklärungen beziehungsweise -voranmeldungen rund 2,958 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben.

Geschäfte seien erfolgt

Dies sieht die Verteidigung des Angeklagten, der von Rechtsanwältin Nicole Friedrich sowie Rechtsanwalt Wolfgang Sturm vertreten wird, deutlich anders. Nicht, dass es die in Rede stehenden Geschäfte nicht gegeben habe - diese seien tatsächlich erfolgt. Aber entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft eben nicht nur auf dem Papier: "Unser Mandant war steuerrechtlich beraten, es hat mehrere beanstandungsfreie Betriebsprüfungen gegeben. Er ist in der Überzeugung der Lauterkeit an die Sache herangegangen", sagte Verteidigerin Friedrich nun vor Gericht.

Für den kommenden Verhandlungstag kündigte sie eine Erklärung ihres Mandanten an: "Wir sind von seiner Unschuld überzeugt. Die Beweisaufnahme wird ergeben, dass es bei den Geschäften nicht nur um Steuervorteile ging." Der Prozess wird am 18. November fortgesetzt.

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