Schock im Bielefelder Tierheim: Vermittlung geht völlig schief, Hund beißt zu

Bielefeld. Kurz vor Weihnachten schien für Müsli endlich alles gut zu werden: Der Huskymischling, der im Bielefelder Tierheim schon als &bdquo;Wanderpokal“ gilt, durfte nach mehr als einem Jahr im Hundehaus in ein neues Zuhause umziehen. Wenige Tage später dann der Schock: Beißvorfall, Rückgabe, Müsli sitzt wieder im Zwinger. Für einen Hund, der in den vergangenen Jahren immer wieder Menschen und Wohnorte verloren hat, ist das ein erneuter, tiefer Bruch – und für das Tierheim ein Anlass, ein heikles Thema anzusprechen: den Maulkorb.

Müsli ist etwa sieben bis acht Jahre alt, menschenbezogen und mit seinen Bezugspersonen anhänglich und verschmust, heißt es im Tierheim. Auch fremde Besucher begrüße er freundlich – solange sie ihn nicht zu überschwänglich behandeln. Wird es ihm zu trubelig, werde er schon mal aggressiv. Es kann also vorkommen, dass er bei stürmischen Begrüßungen oder in Situationen mit vielen Reizen aggressiv gegen den Hundeführer wird und versucht zu beißen. In vertrauter Umgebung dagegen arbeite der Rüde gut mit, laufe ordentlich an der Leine und genieße lange Spaziergänge ebenso wie ruhige Stunden auf dem Sofa. Er sei längst kein &bdquo;Action-Hund“ mehr, sondern eher ein gemütlicher Begleiter, &bdquo;wenn er sich sicher fühlen darf“.

Genau diese Sicherheit habe Müsli in seinem bisherigen Leben nie wirklich kennengelernt. Immer wieder verlor er sein Zuhause, wurde &bdquo;rumgereicht“ und musste sich neu anpassen. Die Folge: Alleinbleiben kann er bis heute kaum aushalten. Das Tierheim geht davon aus, dass er mit viel Geduld und einer langen Eingewöhnung maximal ein bis zwei Stunden allein bleiben können wird. Gesucht werden deshalb Menschen, die ihren Alltag so organisieren können, dass er kaum alleine sein muss – und die bereit sind, Verantwortung wirklich dauerhaft zu übernehmen.

Müsli trägt den Maulkorb ganz selbstverständlich

Weil Müsli bei Hundebegegnungen und in bestimmten Situationen auch zubeißt, hat er im Tierheim gelernt, einen Maulkorb zu tragen – &bdquo;selbstverständlich, wie Halsband und Geschirr“. Genau hier setzt die Kritik des Tierschutzvereins an: Im aktuellen Fall trug der Hund in einer zuvor klar besprochenen Risikosituation keinen Maulkorb, ein Mensch wurde verletzt, Müsli muss wieder zurück. Für das Tierheim steht fest: Nicht der Hund hat versagt, sondern der Mensch, der sich über die Sicherheitsregeln hinweggesetzt hat, die sogar vertraglich vereinbart waren.

Jill Jansen, im Tierheim für die Hunde zuständig, berichtet, die neuen Halter hätten im Vorfeld ausdrücklich zugesagt, ihn bei Spaziergängen mit Maulkorb zu sichern und gewusst, dass Beißen kein automatischer Rückgabegrund ist. Schriftlich festgehalten war unter anderem, dass der Huskymix bei Hundebegegnungen zu rückgerichteter Aggression gegen den Hundeführer neigt und deshalb grundsätzlich mit Maulkorb geführt werden muss, insbesondere bei Kontakt zu anderen Hunden und auch im Freilauf.

Müsli lief ohne Leine und Maulkorb Im konkreten Fall lief Müsli jedoch ohne Leine und ohne Maulkorb, drehte sich in einer typischen Hundebegegnung zu seinem Menschen um und biss zu – eine Situation, vor der das Tierheim nach eigener Darstellung mehrfach gewarnt hatte.

Das Problem: &bdquo;Wenn mal jemand anderes gebissen wird und der Vorfall zur Anzeige gebracht wird, kann es gut sein, dass der Hund sogar als gefährlich eingestuft wird“, sagt Jill Jansen. Das hieße im Umkehrschluss, dass die Chancen auf Vermittlung noch geringer werden, weil viel mehr Auflagen eingehalten werden müssen und nur Personen mit der entsprechenden Sachkunde den Hund führen dürfen.

Die Botschaft in Richtung potenzieller Halterinnen und Halter ist deutlich: &bdquo;Ein Maulkorb ist kein Stigma und keine Strafe, sondern ein Sicherheitsgurt. Er ermöglicht es, mit Hunden wie Müsli entspannt zu trainieren, sie in schwierigen Situationen zu führen und sie trotzdem am Alltag teilhaben zu lassen – ohne dass Menschen oder andere Tiere gefährdet werden.“ Gerade bei Vierbeinern mit &bdquo;Special Effects“, wie das Tierheim sie nennt, ist er Voraussetzung dafür, dass eine Vermittlung nicht schon nach kurzer Zeit scheitert.

Maulkorb ist kein Pranger, sondern ein Arbeitsmittel Ohne Maulkorb allerdings funktioniere das nicht: Maulkörbe gelten vielen noch als &bdquo;Pranger“ für gefährliche Hunde. Moderne Tierschutz- und Trainerkreise sehen das längst anders: Ein gut sitzender Maulkorb ist vor allem ein Sicherheitswerkzeug, das Freiheit schenkt. Auch das Bielefelder Veterinäramt weist darauf hin, dass Maulkörbe in bestimmten Situationen ein wirksames Mittel zur Gefahrenprävention seien – insbesondere bei bekannten Risikokonstellationen.

Fachleute aus dem Tierschutz betonen, dass ein gut angepasster Maulkorb vor Bissverletzungen in Stress-, Angst- oder Schmerzsituationen schützt – und zwar alle Beteiligten: Passanten, andere Hunde und den Vierbeiner selbst, der nach einem Vorfall sonst schnell wieder im Tierheim landen kann.

Wichtig sei, dass der Korb tierschutzkonform ist: Der Hund muss hecheln, trinken und kleine Leckerchen aufnehmen können; starre Maulschlingen, die das Maul zuschnüren, gelten als ungeeignet. Viele Trainer sehen den Maulkorb inzwischen als normales Arbeitsmittel, vergleichbar mit einem Sicherheitsgurt im Auto – gut angeleint und positiv antrainiert ermöglicht er Hunden wie Müsli überhaupt erst ein halbwegs normales Leben draußen, ohne dass ein einzelner Fehler sofort dramatische Folgen hat.

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