Wolfsrudel im Maisfeld: Tiere im Lübbecker Land immer häufiger unterwegs

Kreis Minden-Lübbecke. In Europa kehrt der Wolf in alte Lebensräume zurück, in denen er seit fast 180 Jahren ausgestorben war. Auch in NRW gibt es seit einigen Jahren wieder vereinzelte Hinweise auf durchziehende Wölfe. Vor wenigen Tagen sind im niedersächsischen Brockum, vor dem Toren der Gemeinde Stemwede, mehrere Wölfe bei der Maisernte aus einem Feld geflüchtet.

Das sei nicht ungewöhnlich, sagt Marcel Holy, ehrenamtlicher Wolfsberater und Umweltwissenschaftllicher Mitarbeiter der Naturschutzstation Hüde. Auch in Stemwedes Nachbargemeinde Bohmte habe es in diesem Jahr eine Sichtung gegeben sowie in der Gemeinde Ostercappeln in einem Moorgebiet. Im Lübbecker Land hat es in den vergangenen Jahren ebenfalls mehrere Wolfs-Sichtungen gegeben.

Aufgrund genetischer Nachweise geht das Landesumweltamt (LANUV NRW) davon aus, dass in verschiedenen Landschaftsräumen in NRW seit 2018 einzelne Wolfsindividuen standorttreu geworden sind. Ein Anstieg lasse sich allerdings nicht beobachten. Das Umweltministerium NRW hat in den betreffenden Landschaftsräumen mit der Ausweisung von sogenannten "Wolfsgebieten," "Pufferzonen" und "Wolfsverdachtsgebieten" Möglichkeiten zur Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für die Tierhalter geschaffen. In OWL etwa hat das LANUV das Wolfsgebiet Senne ausgewiesen.

Ein Anstieg lasse sich nicht beobachten

Als &bdquo;Pufferzonen" kartierte Areale gibt es im Kreis Gütersloh, dem Kreis Höxter, Lippe, Paderborn und auch die kreisfreie Stadt Bielefeld zählt dazu. Doch auch im Norden von OWL hat es immer wieder bestätigte Wolfs-Sichtungen gegeben. Innerhalb seines Territoriums, das je nach Nahrungsangebot bis zu 170 Quadratkilometer umfasst, legt ein Wolf täglich weite Strecken bis zu 20 Kilometern zurück. Junge Wölfe, die mit spätestens zwei Jahren vom Rudel abwandern, um eine eigene Familie zu gründen, schaffen sogar bis zu 80 Kilometer am Tag.

Auch im Kreis Minden-Lübbecke hat es in der jüngeren Vergangenheit Wolfsvorkommen und bestätigte Sichtungen gegeben. Im April 2019 wurde in Petershagen an der Bundesstraße ein totes männliches Tier gefunden. Der Kadaver wurde sichergestellt und durch einen vom LANUV beauftragten Wolfsberater geborgen. Das tote Tier wurde zur veterinärpathologischen Untersuchung in das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin gebracht, das deutschlandweit als Referenzinstitut für das Monitoring tot aufgefundener Wölfe gilt. Nach der Sektion sollte der Wolf in die Sammlung des LWL-Museums für Naturkunde in Münster gebracht werden.

Toter Wolf auf der A 2 bei Porta Westfalica

Einen Monat vorher war auf der A 2 bei Porta Westfalica ebenfalls ein toter Wolf gefunden worden. Die Untersuchung der Experten ergab in diesem Fall, dass es sich um ein junges, noch nicht einjähriges Tier handelte. Im Juni 2019 sah eine Frau aus Kirchlengern beim Spaziergang durch den Hüllhorster Wald einen Wolf unter den Bäumen. Sie drehte mit ihrem Handy kurzerhand ein Video. Die Aufnahmen schickte sie ans LANUV. Das bestätigte: Das Tier, das sie vor die Linse bekam, war tatsächlich ein Wolf.

Dass ein Wolf das Wiehengebirge durchstreift, wundert einen Experten von der Biologischen Station Ravensberg nicht. Da die Tiere sich durch relativ dicht besiedeltes Gebiet bewegen, nehme auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass das Tier gesehen wird. Schon im Januar 2015 wurde festgestellt: &bdquo;Meister Isegrimm ist wieder da". In Stemwede war Ende 2014 ein hochtragendes Schaf verletzt worden. Zunächst dachte man, dass die Bisswunden von einem wildernden Hund stammten, doch das stellte sich als Irrtum heraus. Nach den Analysen des Senckenberg-Instituts, das als nationales Referenzzentrum auf genetische Analysen bei Wolf und Luchs spezialisiert ist, hatte mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" ein Wolf das Schaf attackiert. Seinerzeit wurde vermutet, dass das Tier aus Niedersachsen stammt, wo sich in verschiedenen Regionen wieder dauerhaft Wolfsrudel mit mehr als 30 Tieren angesiedelt haben.

Weidetierhalter sind alarmiert

Obwohl sich ein solcher Anstieg für NRW aktuell nicht beobachten lässt, sehen Weidetierhalter in OWL dennoch ihre Existenz bedroht, was zu teils emotional aufgeladenen Situationen führt. Nachdem im Februar 2017 ein junger Wolf durch Bad Oeynhausen gestreift war, protestierten Landwirte aus Minden-Lübbecke und der niedersächsischen Nachbarschaft mit Mahnfeuern gegen eine unkontrollierte Ausbreitung des Raubtiers und forderten aus Sorge um ihre Nutztiere eine Bejagung.

Und der CDU-Stadtverband Pr. Oldendorf stellte in einer Diskussionsveranstaltung 2019 mit dem Wolfsbeauftragten des NABU NRW die provokante Frage: &bdquo;Der Wolf in OWL – schützen oder schießen?". Im Jahr 2020 haben Bundestag und Bundesrat einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zugestimmt. Das Gesetz erlaubt, Wölfe zu jagen, wenn sie im Verdacht stehen, Schafe oder andere Nutztiere gerissen zu haben. Eine grundsätzliche Aufnahme ins Jagdrecht wurde jedoch abgelehnt. Eine Wölfin im Kreis Wesel hat vor Kurzem zahlreiche Weidetiere gerissen - und zuletzt möglicherweise auch Ponys. Das befeuert aktuell wieder die Diskussion um den Abschuss von Wölfen.

Ausstellung im Moorhus in Gehlenbeck

Wölfe stehen in Deutschland unter Naturschutz. Wer in NRW einen Wolf fängt, verletzt, tötet oder dessen Fortpflanzungs- und Ruhestätte beschädigt oder zerstört, kann mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro belangt werden. Wölfe meiden in der Regel die Nähe von Menschen, Angriffe sind nicht dokumentiert. Wer mehr über das Wesen des "Canis lupus" erfahren möchte, kann sich noch bis zum 14. November die interaktive Ausstellung &bdquo;Die Rückkehr des Wolfes nach NRW" im Nabu-Besucherzentrum Moorhus anschauen. Die Ausstellung ist mittwochs bis samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.moorhus. eu oder per E-Mail bei Julia Lambert unter julia.lambert@moorhus.eu

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