Tönnies-Doku: Von Arbeitstieren und Wegwerfmenschen im Schlachthof

Rheda-Wiedenbrück. Die Vorwürfe, die der Privatsender Sat.1 in einer aktuellen Reportage &bdquo;über Fleisch-Milliardär Clemens Tönnies und sein Unternehmen" formuliert, sind nicht von Pappe. Obwohl Tausende osteuropäische Mitarbeiter nach dem Verbot von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft jetzt offiziell bei Tönnies direkt angestellt sind, würden viele in Wahrheit wohl noch immer von zu &bdquo;Agenturen" gewandelten Subunternehmen geführt, so schildern es die Autoren.

Viele Mitarbeiter würden zu Wuchermieten in überbelegten &bdquo;Schimmelbuden" eingepfercht. Sie würden von &bdquo;Aufpassern" beobachtet, kontrolliert und bei unliebsamem Verhalten eingeschüchtert. Intransparente Abzüge schmälern demnach den mageren Lohn der Arbeiter. Ärztliche Versorgung sei für Beschäftigte, die sich krank fühlen, noch immer kaum verfügbar – trotz der schlimmen Erfahrungen mit dem Corona-Ausbruch im vergangenen Jahr.

Verdeckt ins Werk geschleust wie einst Günter Wallraff Um diese Behauptungen belegen machen zu können, hat sich eine bulgarische Journalistin als Mitarbeiterin im Schlachthof beworben – verdeckt, so wie einst Günter Wallraff bei der Bild-Zeitung, McDonalds oder Thyssen. Der Film erzählt, dass &bdquo;Milena" sich erst an eine obskure Agentur wandte, bevor sie den Weg ins Werk fand. An ihrem ersten Arbeitstag musste sie &bdquo;zur Probe" ohne jeden Lohn arbeiten – ein erster Verstoß gegen das Gesetz, wie Arbeitsrecht-Anwältin Sabine Fuhrmann im Film einordnend sagt. Viele der Vorwürfe, die das &bdquo;Investigativ-Team" von Sat.1 zur Sprache bringt, sind nicht ganz neu. Die Bilder sind offenbar über Monate hinweg eingesammelt worden. Clemens Tönnies und seine Mitarbeiter kommen nur aus zweiter Hand zu Wort: Die Reportage verwendet dafür Aufnahmen von einer Pressekonferenz nach dem Corona-Ausbruch 2020 sowie Interview-Passagen aus einem Tönnies-Porträt, das die ARD Ende November 2021 ausgestrahlt hatte. Die darin gefundenen Aussagen des Konzernchefs werden in der Sat.1-Reportage nun als blanke Beschwichtigungen dargestellt.

Reporter begeben sich tief in die Tönnies-Welt Aber dennoch sind gerade die Bilder eine Stärke der Reportage: Die Journalisten begeben sich tief in die Tönnies-Welt und bekommen Zugang zu zahlreichen Arbeiter-Unterkünften. Sie zeigen Zimmer und Küchen, die ihr Geld nicht wert sind. Die Mieten, die sich für eine 80-Quadratmeter-Wohnung leicht zu 1.500 Euro (warm und möbliert) summieren könnten, kassiere in den gezeigten Fällen die Tönnies Immobilien Service GmbH, so heißt es. Die Reporter prangern Warmmieten von bis zu 21 Euro pro Quadratmeter an. Aus dem Werk selbst gibt es nur wenige Aufnahmen, die zum Teil offenbar mit versteckter Kamera gefilmt wurden. Doch es gibt zahlreiche authentisch klingende Gespräche mit osteuropäischen Tönnies-Mitarbeitern. Und mit Kritikern, von denen einige in OWL sehr bekannt sind: Caritas-Mitarbeiter Volker Brüggenjürgen (Grüne) zum Beispiel, der Einschüchterung als typische Tönnies-Methode einordnet. Inge Bultschnieder, die vom &bdquo;Spiel mit der Angst" spricht, dem die Mitarbeiter ausgesetzt seien. Die Ärztin Almuth Stork, die sich entsetzt zeigt über den Umgang mit den zu Arbeitstieren degradierten &bdquo;Wegwerfmenschen" im Schlachthof. Und zu Wort kommt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner: Nur der Druck der Öffentlichkeit könne etwas zum Besseren wenden, so glaubt er.

"Schlecht recherchiert und viele Falschbehauptungen" Der Tönnies-Konzern hat sachorientiert auf die Reportage reagiert – und kritisiert den Film seinerseits. &bdquo;Vieles im Film ist äußert schlecht recherchiert und es gibt zahlreiche Falschbehauptungen, gegen die wir uns auch wehren werden", stellt Tönnies-Sprecher Fabian Reinkemeier in Aussicht. Die Recherche sei von Anfang an einseitig ausgerichtet gewesen, "um gegen das Unternehmen, aber vor allem auch gegen den Unternehmer Clemens Tönnies zu skandalisieren". Eine beteiligte Redakteurin sei bereits 2020 negativ aufgefallen, als sie Clemens Tönnies mit dem Auto bis zu dessen Privathaus verfolgt habe - der hatte sich damals veranlasst gesehen, die Polizei zu alarmieren. Die entsprechende Situation - und ein Streit zwischen Journalisten und Beamten - ist in dem Film auch zu sehen.

Zweistelliger Millionenbetrag in Wohnungen investiert Möglichen Gesprächs-Partnern soll von den Journlisten ganz offen Geld angeboten worden sein, damit sie gesprächsbereit sind, heißt es von Tönnies-Seite. In Interviews seien die Gesprächs-Partner zudem zu negativen Aussagen gegenüber Tönnies gedrängt worden sein. Der Sprecher betont, der Konzern habe alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion fest übernommen und sei auch ihr direkter Ansprechpartner. Allen Mitarbeitern, die nicht privat wohnen, würden Unterkünfte zur Verfügung gestellt - dafür seien hunderte Wohnungen gekauft oder gemietet und saniert oder renoviert worden. Für rund 200 Euro im Monat würden "bestens ausgestattete, voll möblierte Wohnungen" geboten. Insgesamt sei bereits ein hoher zweistelliger Millionenbetrag investiert worden: "Wir sind im Wohnbereich noch nicht durch, aber wir haben schon wahnsinnig viel erreicht."

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