Vizekanzler Habeck muss sich in Bielefeld schwerer Vorwürfe erwehren

Bielefeld. Die runde Bühne auf dem Kesselbrink ist geschützt. Absperrgitter regeln den Zugang zum bestuhlten Platz davor. Da sitzt Robert Habeck auf einem Holzklappstuhl in einer hinteren Reihe, nach vorne gebeugt, blaue Jacke, Jeans. Der Wirtschafts- und Umweltminister und Vizekanzler hört Christina Osei und Mona Neubaur zu, den Kandidaten der Grünen zur Landtagswahl. Die Frauen müssen sich gegen Buhrufe, Trillerpfeifen und Sprechparolen behaupten, die etwa 80 Gegendemonstranten sind aber eigentlich wegen Habeck gekommen. Er ist es, der sich stellen muss – und es auch tut.

"Kriegstreiber" und "Hau ab"

Applaus und Robert-Robert-Rufe kommen aus dem Kreis der Grünen-Anhänger, als Habeck die Bühne betritt. &bdquo;Kriegstreiber" oder &bdquo;Hau ab" rufen die Demonstranten von der Seite unüberhörbar. Der Vizekanzler nimmt es zunächst kommentarlos hin und beginnt mit einer eher philosophischen Analyse von Krieg und Krisen, die die Gegenwart anscheinend besonders prägen würden, die aber nach seiner Feststellung immer schon existent waren, nur das die Politik das in der Vergangenheit vergessen oder eher ignoriert hätte.

&bdquo;Selbstvergessen, träge, lahm, schläfrig und bräsig" sei Politik geworden, sagt Habeck. Diese Zeiten seien nun vorbei.

"Ich hoffe wir haben uns jetzt alle ein bisschen mehr lieb"

Dann wendet er sich den Demonstranten zu, denen er attestiert, die Orientierung verloren zu haben, weil sie ihn Kriegstreiber schimpfen und nicht Putin, der der Kriegstreiber sei. &bdquo;Sie betreiben Kriegspropaganda für den Kreml", schimpft er Richtung Pfeifer und Störer aus Sicht der Veranstalter. Die Demonstranten selbst sind offensichtlich eine heterogene Ansammlung verschiedenster Interessen und politischer Richtungen, von politisch weit links bis russisch geprägt sowie politisch rechts.

Denen allen wünscht der Vizekanzler &bdquo;die Kraft der Differenzierung" in Zeiten, in denen Amtsträger wie er &bdquo;schwierige Gewissensentscheidungen" treffen müssten, gemeint sind vor allem die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine zur Verteidigung im Krieg gegen die russische Armee.

Eier fliegen, es gibt Gerangel

Wie so oft in jüngster Vergangenheit prallen Weltsichten aufeinander, die keine Versöhnung finden, kein Zuhören, keinen Frieden. Habeck und die Grünen auf der Bühne äußern den Wunsch danach, doch es passiert nicht.

Stattdessen fliegen irgendwann gar Eier, es gibt Gerangel und verbale Aggression, zumindest am Rande. Direkt vor der Bühne und unter den Zuhörern drumherum jedoch kommen auch die Botschaften an, die Osei, Neubaur und Habeck sonst noch mitgebracht haben: Klimapolitik, Windkraftausbau, Ende der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, Kulturpolitik und einiges mehr aus dem Zentrum grüner Identität.

Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzt die Musik. Auf Wunsch von Landesspitzenkandidatin Mona Neubaur spielt eine Band &bdquo;Imagine" von John Lennon, &bdquo;damit wir diesen Platz in schöner Erinnerung behalten", wie sie sagt. Die Sängerin improvisiert kurz, teilt den Demonstranten mit, dass sie sich von deren Protest nicht angesprochen fühle, singt das Lied und beendet den Auftritt mit dem Wunsch: &bdquo;Ich hoffe, wir haben uns jetzt alle ein bisschen mehr lieb."

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