Scheitert der Windradausbau in NRW an Sperrzonen für die Bundeswehr?

Es ist keine Woche her, dass die Bundesregierung ihre Pläne für einen deutlich gesteigerten Ausbau der Windkraft öffentlich gemacht hat. Einer der wichtigsten Punkte: Pauschale Abstandsregelungen zu Wohnhäusern sollen künftig verboten sein. Wo sie schon bestehen, dürfen sie vorerst bleiben - auch wenn das im Fall von NRW womöglich nur heißt: bis zur Landtagswahl am Sonntag. Doch nun bedroht ein Gesetz aus ganz anderer Richtung das Regierungsvorhaben.

Einem Bericht des ARD-Magazins " Monitor " zufolge plant das Bundesverteidigungsministerium ein überarbeitetes Luftverkehrsgesetz, das die möglichen Flächen für Windkraftanlagen empfindlich einschränken könnte. Es geht um Schutzzonen um stationäre militärische Anlagen. Die Bundeswehr soll dem Gesetzesentwurf zufolge künftig in einem Bereich von 50 Kilometern um die Anlagen herum den Bau von Windrädern verhindern können, wenn diese "stören könnten".

Der Teufel steckt dabei im Detail. Bisher beträgt der Sperrradius zum Beispiel um militärische Anlagen, vor allem sogenannte Drehfunkfeuer, nur fünf Kilometer. Bei allem, was im Radius bis 50 Kilometer gebaut werden soll, muss bisher die Bundeswehr nachweisen, dass solche Anlagen eine Störung darstellen.

Das fiele dank einer Änderung im Gesetzestext künftig aus, denn dann wären zum Beispiel Radaranlagen zur Luftverteidigung denen der zivilen Flugsicherung gleichgestellt. Um diese herum darf schon jetzt nichts gebaut werden, was ihnen näher als 50 Kilometer kommt - auch wenn es nur nach Ansicht der Bundeswehr eine Störung darstellt.

Verband: "30 bis 40 Prozent des Bundesgebiets fiele aus"

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft bemängelt genau das in einer Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf. Der Bundeswehr würden dadurch "weitreichendere und nur schwer nachvollziehbare Entscheidungsbefugnisse zugesprochen [...], um die Errichtung von Windenergieanlagen zu verhindern". Der Verband vertritt nach eigenen Angaben Firmen, die rund 90 Prozent des Stroms in Deutschland verkaufen.

In der Stellungnahme rechnet er am Beispiel der militärischen Radaranlagen vor, dass bei einer 50-Kilometer-Schutzzone um diese herum "auf 30 – 40 Prozent des Bundesgebiets eine mögliche und nicht zwingend durch ein Gutachten zu belegende Störung als Begründung zur Verhinderung des Baus von Windenergieanlagen führen". Das heißt: Im schlimmsten Fall fiele fast die Hälfte des Bundesgebiets für den Windkraftausbau aus.

Militär auch in OWL gegen Windkraftausbau

Ob es tatsächlich dazu kommt, ist unklar. Änderungen am Gesetzesentwurf sind noch möglich. Das Verteidigungsministerium sieht für die Sorge des Verbandes vor einer möglichen Massenabsage für neue Windkraftanlagen laut Bericht "keinen Anlass". Besonders bitter: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte kürzlich erst angekündigt, Schutzzonen um bestehende Anlagen verkleinern zu wollen. Das sollte den Bau von mehr als 400 geplanten Windkraftanlagen, die derzeit auf Eis liegen, ermöglichen - laut Habeck ein zusätzliches Volumen von fünf Gigawatt an Windenergie.

Der neuerliche Gesetzesstreit ist nur ein Beispiel für die vielen Probleme, die es bei der Beschleunigung des Windkraftausbaus gibt - auch in OWL. Beispiel Teutoburger Wald: An der sogenannten Gauseköte, einem Gebirgskamm im Kreis Lippe, will Waldbesitzer Stephan Prinz zur Lippe 13 Windräder errichten lassen. Dagegen sperrt sich neben Umweltschützern auch die Bundeswehr - mit der Begründung, das Gebiet werde seit Jahrzehnten als Einflugschneise für tief fliegende Flugzeuge auf den Truppenübungsplatz Senne genutzt, zum Beispiel für NATO-Übungen.

Das Unternehmen Westfalenwind, das mit dem Bau der Anlagen betraut werden soll, wehrt sich nun juristisch dagegen - und will wissen, ob die Korridore überhaupt irgendwo festgelegt sind. Wie weit entfernt von einer Genehmigung, geschweige denn vom Bau neuer Windräder, man im Teutoburger Wald noch ist, zeigt der Zeitrahmen für die Gerichtsentscheidung über die geforderte Akteneinsicht. Ende April sagte Westfalenwind-Planungsgeschäftsführer Jan Lackmann: "Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung in etwa zwei Monaten vorliegt."

So viele Bauanträge liegen auf Eis

Es ist nur ein Beispiel dafür, was den Windkraftausbau in Deutschland verlangsamt. Viele Stimmen müssen gehört, viele Faktoren berücksichtigt werden. Laut dem Landesverband Erneuerbare Energien, einer Lobbyorganisation aus NRW, dauerte es 2021 sogar nach der Genehmigung im Schnitt noch 27 Monate, bis eine Anlage in Betrieb gehen konnte. Entsprechend gingen nur 70 Anlagen überhaupt ans Netz.

Welch bremsenden Einfluss militärische Anlagen auf den Ausbau haben, wird an einer Zahl deutlich, die NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ebenfalls 2019 nannte. Zu diesem Zeitpunkt wurde in NRW der Bau von 355 Anlagen durch Drehfunkfeuer blockiert.

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