Bielefeld. Wenn eine Mordkommission eine Vermisste sucht, dann ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Seit Montag haben Bielefelder Mordermittler zwei Fotos der 17-jährigen Zhinwar M. veröffentlicht. Seit dem 25. April bereits wird sie vermisst – seit ihrer Reise mit Familienangehörigen in die Türkei und in den Irak. Wie der ermittelnde Staatsanwalt Veit Walter mitteilte, kamen zwar die Verwandten nach Bielefeld zurück. Die 17-Jährige aber nicht. Ein letzter Kontakt zu ihr bestand nach Angaben der Mordkommission „Reise" am Sonntag, 24. April, dem letzten Osterferientag. Seitdem gilt die 17-Jährige als vermisst. Die Bielefelder Familie ist nicht willens oder in der Lage aufzuklären Zhinwars Familie kommt aus dem jesidischen Teil des Nordiraks. Gleich zu Beginn der Osterferien waren Verwandte zusammen mit der jungen Jesidin, die die deutsche Staatsbürgerschaft hat, in die Türkei geflogen. Wie verschiedene Medien berichten, sollen die Eltern ihre Tochter zu der Reise überredet haben. Von der Türkei aus sollen sie dann mit Zhinwar M. in den Irak gefahren sein. Dort verliert sich ihre Spur. „Die Verwandten kehrten ohne die 17-Jährige nach Bielefeld zurück", sagt Walter. Was dort vorgefallen ist, ist den Ermittlungsbehörden immer noch völlig unklar. Dass die Ermittler nun mitteilen, dass „ein Verbrechen nicht ausgeschlossen ist", zeigt, wie ernst sie die Situation einschätzen. "Bisher keine Hinweise auf eine Zwangsheirat" Die traditionellen Siedlungsgebiete der vielfach verfolgten ethnisch-religiösen Gruppe der Jesiden liegen verteilt in der südöstlichen Türkei, in Nordsyrien und im Nordirak. Bielefeld gilt neben Oldenburg und Celle lange schon als einer der Hauptsiedlungsgebiete für geflüchtete Jesiden. In Bielefeld wurde 2017 auch der Zentralrat der Jesiden gegründet. Im Fall Zhinwar M. machen schnell Gerüchte die Runde, wonach die 17-Jährige in der Ferne verheiratet worden sein könnte. Unter traditionellen Jesiden sind keine Ehen mit Andersgläubigen erlaubt und arrangierte Ehen und sogar Zwangsheirat immer noch ein Thema. „Wir haben bisher keine Hinweise auf eine Zwangsheirat", sagt der ermittelnde Staatsanwalt. Die Ermittler gehen aber auch nicht davon aus, dass die 17-Jährige ausgerissen sein könnte. Fahndungsfotos sechs Wochen nach dem Verschwinden der Bielefelderin Denn es soll Probleme zwischen Tochter und Eltern gegeben haben. Die Familie soll den Lebensstil von Zhinwar kritisiert haben, heißt es. Als die 17-Jährige nach den Osterferien nicht wieder in Bielefeld auftauchte, wurde die Kripo auf den Fall aufmerksam gemacht. Kamen die Hinweise von der Familie? Oder gab es Vermisstenanzeigen von Freundinnen der 17-Jährigen? Der Staatsanwalt spricht in diesem Zusammenhang von einer „größeren Gemengelage". Die Eltern gaben den Ermittlern am 9. Mai zu Protokoll, dass man mit ihrer Tochter in die Türkei gereist sei, um eine geplante Zahnoperation bei der Tochter durchführen zu lassen. „Anschließend reiste man gemeinsam weiter in den Irak. Dort soll sich die 17-Jährige abgesetzt haben." Die Familie kam daraufhin ohne die 17-Jährige nach Bielefeld zurück. Über den weiteren Verbleib der jungen Jesidin ist nichts bekannt. „Seitdem ist sie telefonisch nicht erreichbar und bedient auch ihre Social-Media-Kanäle nicht mehr", heißt es von der Polizei. Nach dem letzten bekannten Kontakt zu Zhinwar am 24. April vergingen gut 14 Tage, bis sich die Eltern entschlossen, die deutschen Ermittlungsbehörden einzuschalten. Die 17-jährige Jugendliche ist deutsche Staatsbürgerin. Gut sechs Wochen nach dem Verschwinden gehen die Ermittler der Mordkommission nun mit zwei Fotos und dem Fahndungsaufruf an die Öffentlichkeit. Vielen stellt sich die Frage, ob das Verschwinden der Jugendlichen mit dem Streit um das Traditionsbewusstsein der Familie und mit der nicht akzeptierten Lebensweise des Teenagers zu tun haben könnte. Ging es etwa um die vermeintliche Ehre der Familie? All das ist für die Ermittler noch nicht endgültig geklärt. Noch keine Ermittlungsansätze für Aktivitäten im Ausland „Wir hoffen auf ein Lebenszeichen der 17-Jährigen", betont Walter. „Am besten wäre es, sie meldet sich persönlich bei uns." Einen Tag nach dem Zeugenaufruf gingen aber noch keine Hinweise bei Mordkommissionsleiter Markus Mertens ein. Und warum ermitteln die Behörden nicht in der Türkei oder im Irak? Die MK habe noch nicht die nötigen Ermittlungsansätze, um ausländische Behörden mit einem Rechtshilfeersuchen um Nachforschungen zu bitten, erklärt der Staatsanwalt. „Aber wir arbeiten daran", betont er. Auch wenn er zu bedenken gibt, dass es speziell im Irak schwierig werden könnte, Hilfe von dortigen Ermittlungsbehörden zu erhalten. Eine Handvoll Hinweise gingen bereits ein Eine Handvoll Hinweise seien inzwischen bei der Mordkommission eingegangen, so Christoph. Direkte Lebenszeichen von dem Mädchen waren allerdings noch nicht darunter. Die Ermittler gehen diesen Hinweisen nun nach und bitten weiterhin um jeden Zeugenhinweis: Wer kann etwas zum Verbleib der 17-Jährigen sagen? Wer hatte nach dem 9. April (dem ersten Tag der Osterferien) noch Kontakt zu Zhinwar M.? Hinweise unter Tel. (05 21) 54 50.