Mordmotiv Habgier? Angeklagter soll 69-Jährigen zum Suizid gedrängt haben

Delbrück-Anreppen /Espelkamp . Es klingt nach einer gefährlichen Geschichte mit skurrilen Facetten, die zurzeit das Schwurgericht Paderborn beschäftigt. Tomas U. (alle Namen geändert) soll sich an ältere betuchte Herren herangemacht haben, um so seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, und dabei auch nicht vor Gewalt zurückgeschreckt sein.

Unter den beiden Opfern ist ein pensionierter Pfarrer aus dem Erzbistum Paderborn. Um zum guten Schluss auch noch an dessen VW-Polo und den Dackel &bdquo;Cicero" zu kommen, soll Tomas U. sogar versucht haben, den alten Herrn in den Suizid zu treiben. So jedenfalls ist es in der Anklageschrift von Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies vermerkt. Jetzt muss sich der 44-Jährige unter anderem wegen versuchten Mordes verantworten.

Tomas U. ist ein schmaler, nicht besonders großer Mann. Sein schwarzgraues Haar trägt er zu einem Zopf gebunden, sein dunkles Brillengestell passt gut zu seiner ruhigen und gewählten Ausdrucksweise. Und so nimmt er ausführlich Stellung zu den Vorwürfen.

Er erzählt von den Freundschaften zu dem 77 Jahre alten, schwer kranken Richard O. aus Espelkamp, mit dem er &bdquo;in einer Männer-WG" zusammenlebte, und dem pensionierten Pfarrer Emil S. Folgt man ihm, ging es stets rein freundschaftlich zu. Nur der Geistliche habe ihn öfter mal sexuell bedrängt, doch die Gespräche mit ihm seien ihm wertvoll und wichtig gewesen, sodass er über Jahre den Kontakt aufrecht erhielt.

Angeklagter bestreitet Vorwürfe Dass er von den Männern Geld ergaunerte, bestreitet Tomas U. Jede Summe, die aus deren Geldbörsen stammte, habe er mit Wissen seiner Freunde ausgegeben. Die seien ihm nämlich dankbar gewesen. Schließlich habe er den krebskranken Richard O. gepflegt und Emil S. ein stattliches fünfstelliges Sümmchen wiederbeschafft. &bdquo;Ich war für ihn so eine Art privates Inkasso-Unternehmen", sagt Tomas U.

Eine Bande junger Männer habe den ehemaligen Pfarrer wegen seiner Homosexualität erpresst. Dem habe er ein Ende gemacht. Der Pensionär habe große Angst gehabt, das Paderborner Generalvikariat könne von seiner sexuellen Orientierung erfahren, erklärt der Angeklagte. Und genau die sei wohl am 5. März entscheidend dafür gewesen, dass sich Emil S. in der Nähe eines Anreppener Heiligenhäuschens eine Überdosis Insulin spritzte.

Der Geistliche überlebte dank einer rechtzeitigen Behandlung in einem Krankenhaus – ebenso wie Richard O., der sich in der Nacht zum 23. Februar mit einem Messer selbst mehrfach in den Hals gestochen hatte. Zuvor habe der Angeklagte jeweils dafür gesorgt, dass für ihn günstige Testamente und Vollmachten ausgestellt wurden, und habe beide Männer heftig physisch und psychisch drangsaliert, damit sie ihrem Leben selbst ein Ende setzten, ist Ankläger Waschkies überzeugt.

"Ich war nicht beisammen" Solche zielgerichtete Attacken gegen seine Freunde weist Tomas U. weit von sich. Doch eins gibt er zu bedenken: &bdquo;Ich war nicht beisammen", sagt er zu all den sonderbaren und nach Ansicht des Staatsanwaltes verdächtigen Vorfällen, die aktenkundig geworden sind, zu stundenlangen Telefonaten, zu nächtlich aufgesetzten Schenkungsurkunden und anderen Schriftstücken, in denen Geld und Geschenke zurückgefordert wurden.

Der 44-Jährige erzählt, er habe seit 2021 immer wieder Stimmen gehört, Stimmen von Freunden und Bekannten seien das gewesen. Mit denen habe er geredet, teilweise stundenlang, &bdquo;aber die waren gar nicht zugegen". Um schlafen zu können, habe er schon längere Zeit Marihuana geraucht, zum Schluss drei bis vier Gramm am Tag, nur dann seien die Stimmen verstummt. Deshalb könne er sich an vieles auch gar nicht mehr erinnern. Mittlerweile sei bei ihm eine &bdquo;paranoide Schizophrenie" diagnostiziert worden, erzählt Tomas U., der seit seiner Festnahme im März in der forensischen Klinik Eickelborn untergebracht ist. Dort bekomme er Medikamente. Mit denen fühle er sich wohl. &bdquo;Ich höre keine Stimmen mehr. Und ich habe kein Verlangen nach Cannabis."

Wie sich Richard O. und Emil S. an die Geschehnisse erinnern, wird das Gericht an den kommenden Verhandlungstagen beschäftigen. Am Dienstag, 7. September, wird der Prozess fortgesetzt. Der Vorsitzende Richter Eric Schülke kündigte bereits an, dass die Öffentlichkeit möglicherweise zeitweilig ausgeschlossen wird.

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