So geht NRW mit künstlicher Intelligenz in Schulen um

Düsseldorf. Trotz der rasant gereiften Möglichkeiten künstlicher Intelligenz (KI) lehnt die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller ein Schulfach Medienkompetenz ab. "Dienstag, dritte Stunde: Digitalisierung? Ich finde, das ist der falsche Ansatz", sagt die CDU-Politikerin im Gespräch mit dieser Redaktion. "Die Digitalisierung und der gesellschaftliche Wandel, der mit ihr einhergeht, sind viel zu komplex, um auf nur ein Fach reduziert zu werden."

Zur Vermittlung einer kritischen Haltung zu KI-generierten Bildern, Texten oder Videos sieht Feller mehrere Fächer gefordert. Die Einordnung von ChatGPT und anderen lernfähigen Maschinen sei "eine fächerübergreifende Aufgabe – genauso wie beim Lesen- und Schreibenlernen".

Linus Neumann, einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), gehört zu den größten Kritikern der deutschen Bildungspolitik. Bislang sei ihre Maßgabe, "die Existenz des Internets vor den Kindern geheim zu halten", spottet er auf seiner Homepage. Statt Medienkompetenz zu schulen, werde Wikipedia geächtet. "Statt den mündigen Umgang mit sozialen Netzwerken zu schulen, werden Kinder mit Cybermobbing allein gelassen." So stehe KI einer Mediengesellschaft gegenüber, "die in keiner Weise darauf vorbereitet wurde".

"Ein zentrales Medienfach würde sich als Zusatz eignen" Aus künstlicher Intelligenz, darin sind sich Fachwelt und Fachpolitik einig, gehen weniger technische als soziale Fragen hervor. Der Hacker und IT-Sicherheitsberater Neumann mache sich "größere Sorgen, was KI mit einer Gesellschaft macht, die auf einmal glauben kann, was sie will" – jenseits aller Fakten. "Das Modell der selbstbewussten und mündigen Individuen ist in Deutschland lange nicht genügend gepflegt worden."

Ginge es nach dem Bielefelder Datenschutzverein Digitalcourage, würde der kritische Umgang mit künstlicher Intelligenz überall in der Schule angesiedelt. "Digitalisierung und die Nutzung von Medien findet in jedem Lebensbereich statt und muss somit in jedem Unterrichtsfach angegangen werden", fordert die Medienpädagogin Jessica Wawrzyniak. "Ein zentrales Medienfach würde sich als Zusatz eignen", allerdings würden Lehrkräfte "bisher nicht gut in diesen Themen ausgebildet".

Zum Schuljahr 2021/22 hatte NRW, zu jener Zeit schwarz-gelb regiert, in den Klassen 5 und 6 das Pflichtfach Informatik eingeführt. Feller sagt nun, ihr gehe es um einen kritisch-konstruktiven und zugleich innovativ-individuellen Umgang mit KI. "Wenn Fotos durch die sozialen Medien geistern, die die gewaltsame Festnahme eines ehemaligen US-Präsidenten zeigen, dann müssen junge Menschen in der Lage sein, die Echtheit dieses Fotos kritisch zu hinterfragen", erklärt die Ministerin. "Dazu müssen die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz konstruktiv im Unterricht thematisiert werden."

Ein Gymnasium in Gütersloh lässt ChatGPT bereits Gedichte interpretieren Weil sie Informatik als Pflichtfach mit eingeführt hat, lehnt auch die heute oppositionelle FDP ein zusätzliches Schulfach ab. In Informatik solle die Basis gelegt werden, um in anderen Fächern "lebensnahe KI-Anwendungen" zu besprechen, sagt die schulpolitische Sprecherin der FDP, Franziska Müller-Rech. "Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass das Fach Informatik in der Mittel- und Oberstufe weiter gestärkt wird."

Das Evangelisch Stiftische Gymnasium in Gütersloh lässt ChatGPT bereits Gedichte interpretieren. Seit vergangenem Herbst erkundet die Schule als eine der ersten in Deutschland, was künstliche Intelligenz vermag. "KI eröffnet den Lehrerinnen und Lehrern neue Chancen, ihren Unterricht innovativ zu gestalten und individuell auf ihre Schülerinnen und Schüler abzustimmen", sagt Feller. Inzwischen werde dies landesweit, über Ostwestfalen-Lippe hinaus, an Schulen erprobt. "Medienkompetenz ist mehr als nur ein Schulfach."

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