Herforder Bauer vernichtet städtische Blühfläche

Herford. Entlang öffentlicher Straßen gehören oft schmale Grundstücksstreifen den Kommunen. Die Flächen waren vielerorts nicht zu erkennen - und sind es teilweise heute noch nicht: Landwirte haben sie gepflügt und ihren Äckern zugeschlagen. Auf Antrag der Bündnisgrünen hat die Kreisverwaltung 2017/2018 solche Flächen kartiert - und die Daten und digitalen Karten auch den Städten und Gemeinden übermittelt. In Herford wurden Teile der öffentlichen Wegerandstreifen inzwischen als Blühstreifen angelegt. Am Freistuhl, der von der Laarer Straße abzweigt, zeigt sich nun, wie einzelne Landwirte damit umgehen.

Siegfried Gössling und Gerd Teuteberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) haben sich in Herford darum bemüht, dass aus den Wegerandstreifen etwas ökologisch Sinnvolles wird: Vor fünf Jahren nahmen sie Kontakt mit Axel Echternkamp auf, der bei der Stadt für die Freiflächenunterhaltung und den Baumschutz zuständig ist. Dann sahen sie sich verschiedene Flächen mit Werner Seeger (CDU) an, der dem Ausschuss für Bauen und Umwelt vorsitzt, um zu gucken, wo es sinnvoll sein könnte, Blühstreifen anzulegen.

Schließlich säte die städtische SWK (Service-Gesellschaft für Wirtschaft und Kommunen) unter anderem den Blühstreifen an der Straße Am Freistuhl ein, erzählt Teuteberg, der selbst Landschafts- und Gartenbaumeister ist und zuletzt mehrere Jahre im Umweltzentrum Heerser Mühle gearbeitet hat. Und der rund zwei Meter breite Streifen habe sich gut entwickelt, sagt der Herforder. Eine artenreiche Pflanzengesellschaft habe sich - abzweigend von der Laarer Straße links entlang der Straße Am Freistuhl - entwickelt.

Reich an Nährstoffen bedeutet eine geringe Artenvielfalt Das ist insofern bemerkenswert, als dass die Düngung angrenzender Felder durch Landwirte solche Blühstreifen nährstoffreich macht. Und auf nährstoffreichem Boden entwickelt sich weniger Artenreichtum als auf nährstoffarmen Böden. Was aber auch wuchs, war die Acker-Kratzdiestel, die besonders für Tagfalter eine wichtige Nektarquelle ist. Acker-Kratzdiesteln gelten bei Landwirten allerdings als Acker-Unkraut. 2022 fragte darum der Pächter, ein Landwirt, der den Acker bewirtschaftet, ob er die Acker-Kratzdiestel abmähen dürfe.

Die Verwaltung erteilte ihm die Erlaubnis - ohne Auflagen. Der Landwirt mähte daraufhin den kompletten Blühstreifen entlang des gesamten Ackers bis auf die Grasnarbe runter. Damit war es mit den Tagfaltern vorbei, und auch die Diestelfinken, die Teuteberg dort beobachtet hatte, waren weg. Im Gespräch waren sich die BUND-Vertreter und die Verwaltung einig, dass dies so nicht mehr passieren sollte: Der Streifen sollte in Zukunft nur abschnittsweise gemäht werden. Auch, weil er für Insekten und andere kleinere Tiere eine ökologische Verbindung zwischen dem Wald im Westen und dem Grünstreifen entlang der Laarer Straße bildet.

In diesem Jahr hat der Landwirt nun wieder alles entlang des gesamten Ackers bis auf die Grasnarbe runtergeschnitten. "Damit sind 95 Prozent aller Lebewesen in diesem Streifen tot", sagt Teuteberg. Denn sie hätten keine Überwinterungsmöglichkeiten mehr. Der Herforder denkt dabei auch an die Bodeninsekten, die für Vorbeifahrende in der Regel unsichtbar und das Futter für größere Tiere wie Vögel sind. Zu allem Überfluss hat der Landwirt auch noch das Schnittgut auf dem Streifen liegen lassen. Er hat die Fläche also gemulcht. Außerdem hat er einen Begrenzungspfosten überfahren und verbogen.

Balkenmäher schneiden die Flächen schonender Zum Vergleich: Wenn die SWK mit dem Balkenmäher - statt wie der Landwirt mit rotierenden Klingen - mähe, dann würden die Grünstreifen in rund zehn Zentimetern Höhe geschnitten. Rund 80 Prozent der Insekten, schätzt Teuteberg, hätten dann noch eine Überlebenschance. Außerdem entferne die SWK das Schnittgut nach einigen Tagen, um die Fläche etwas abzumagern. Was aber der Landwirt auf der Fläche gemacht habe, laufe dem Zweck der Blühstreifen, Artenvielfalt zu ermöglichen, zuwider.

Die Stadt hat den Eigentümer des Ackers nach Auskunft von Stadtsprecherin Susanne Körner darüber informiert, dass sein Pächter den Wegerandstreifen unrechtmäßig gemulcht hat. Sie habe den Pächter über den Eigentümer aufgefordert, das Schnittgut aufzusammeln und zu entsorgen. "Er hat dafür eine Frist bis zum 15.10.2023."

Sollte durch das Mulchen ein bleibender Schaden am Blühstreifen entstanden, etwa Wildkräuter dauerhaft verschwunden sein und eine Graslandschaft entstehen, werde "der Verursacher den Schaden ersetzen müssen. Die zuständigen Kollegen der Stadt werden natürlich auch zukünftig ein wachsames Auge auf diese Flächen und den Umgang damit haben."

Rund 125 Hektar im Kreis sind als Ackerrandflächen ökologisch nutzbar Die Herforderinnen und Herforder dürfen gespannt sein, ob die Botschaft ankommt: Vor zwei Jahren hat der Pächter den hinteren Grünstreifen bis zum Wald mit Herbiziden behandelt. Dieses Jahr scheint er zudem auch auf der anderen Seite der Straße Am Freistuhl gemäht zu haben. Ebenfalls unberechtigt, denn auch dort handelt es sich um städtische Fläche.

Die kommunalen Wegerandstreifen, die von Landwirten 2018 übernutzt wurden und damit der Natur verloren gegangen waren, summierten sich nach Schätzungen der Kreisverwaltung von damals kreisweit auf 230 bis 250 Hektar. Gut die Hälfte davon ist für Blühstreifen und andere ökologische Projekte nutzbar.

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