Online-Selbsthilfe: So schützt sich ein Bielefelder Suchtkranker vor einem Rückfall

Bielefeld/Rahden. In Selbsthilfegruppen finden Menschen mit Krankheiten und ihre Angehörigen Unterstützung, die Ärzte in dieser Form nicht leisten können. Vor allem bei Suchterkrankungen hat sich die Selbsthilfe neben der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung als vierte Säule im Gesundheitssystem etabliert. Während der Corona-Pandemie konnten die Treffen jedoch über viele Monate nicht stattfinden. Um trotzdem weiter Hilfe anzubieten, haben viele Anbieter digitale Alternativen geschaffen, die sich inzwischen als Online-Selbsthilfe etabliert hat. Einer, der davon profitiert, ist der 25-jährige Bielefelder Jan B.

Seit seiner Jugend ist Jan B., der seinen Nachnamen nicht öffentlich nennen möchte, drogenabhängig. &bdquo;Ich dachte lange, dass ich kein Problem habe, weil ich mich trotz des Drogenkonsums gut fühlte und mein Leben noch halbwegs im Griff hatte.“ Doch das ändert sich, als B. mit einer Überdosis im Krankenhaus landet. &bdquo;Das war mein Tiefpunkt, an dem ich begriff, dass ich so nicht weiterleben kann.“ Mit der Hilfe seiner Familie kämpft B. gegen seine Sucht an und findet in der Selbsthilfegemeinschaft &bdquo;Narcotics Anonymous“ Unterstützung. &bdquo;Das war meine Rettung, denn der Austausch mit anderen Suchtkranken ist für mich der beste Schutz vor einem Rückfall.“

Zu der Zeit lebt B. mit seiner Familie in Berlin und geht wöchentlich zu Treffen der Selbsthilfegruppe. &bdquo;Diese Gruppe war ein fester Bestandteil meines Lebens, bis zum Beginn der Corona-Pandemie.“ Als Alternative zu den Treffen wechselt B. in eine Gruppe, die sich digital trifft. &bdquo;Ich hatte große Sorge, dass ich rückfällig werde, weil die persönlichen Treffen so wichtig für mich waren.“ Doch B. merkt schnell, dass er auch online die Unterstützung erfährt, die er sich wünscht. &bdquo;Ich war unglaublich erleichtert, denn der Austausch ist online ebenso vertrauensvoll und intensiv wie in Präsenz.“ B. ist auch heute noch Teil der Gruppe, obwohl er 2022 nach Bielefeld gezogen ist. &bdquo;Das ist der große Vorteil der Online-Selbsthilfe. Ich kann trotz meines Umzugs weiter Teil der Gruppe sein.“

&bdquo;Intensive Gespräche sind online genauso möglich wie im echten Leben“ Angebote der Online-Selbsthilfe haben sich auch in OWL nach dem Ende der Pandemie fest etabliert. Viele Organisationen bieten das inzwischen an. Dazu zählt auch das Blaue Kreuz in der Evangelischen Kirche (BKE) in NRW, das bereits vor dem Beginn der Pandemie im Jahr 2020 digitale Suchtselbsthilfe über die Plattform MOG (Meine Online-Gruppe für Suchtselbsthilfe) anbietet. Inzwischen bietet das BKE neben 80 Selbsthilfegruppen in 37 Ortsvereinen auch hybride Treffen sowie elf digitale Selbsthilfegruppen und zwei Sprechstunden an. &bdquo;Das Online-Angebot soll traditionelle Selbsthilfegruppen nicht ersetzen, aber ergänzen, weil viele Menschen Präsenztreffen nicht erreichen können oder sich nicht anschließen möchten, weil die Scham zu groß ist“, erklärt der Vorsitzende Dieter Bolte aus Rahden (Kreis Minden-Lübbecke). &bdquo;Fest steht aber, dass Selbsthilfegruppen Suchtkranken dabei helfen auf Alkohol und andere Mittel zu verzichten, egal ob sie sich digital oder in Präsenz treffen.“

Die Sorge, dass sich digital kein Vertrauen oder Verbindlichkeit aufbauen lassen, habe sich nicht bestätigt. &bdquo;Intensive Gespräche sind online genauso möglich wie im echten Leben“, weiß Bolte. Zudem sorge der digitale Austausch auch für Verbundenheit. &bdquo;Ich bin Teil einer Online-Selbsthilfegruppe, die sich vor Kurzem zum ersten Mal persönlich für einen Ausflug getroffen hat. Wir alle hatten das Gefühl, dass wir uns schon ewig kennen.“ Ein Erlebnis, an das sich der Verbandsvorsitzende gerne erinnert. Persönlich gefallen Bolte deshalb digitale und klassische Selbsthilfegruppen. &bdquo;Doch das trifft nicht auf alle Menschen zu, denn ob ich mich in Präsenz- oder Onlinegruppen wohler fühle, ist typabhängig.“

Mehr Onlineangebote, um Selbsthilfe flächendeckend anzubieten In einem Ausbau der Onlineangebote, die mehr Flexibilität bieten, sowie weiteren Kooperationen mit anderen Organisationen sieht Bolte Chancen gegen den Mitgliederschwund, gegen den Vereine, Netzwerke und Organisationen wie das BKE ankämpfen. &bdquo;Wenn sich Gruppen auflösen und Leitungsstellen nicht mehr besetzt werden können, gefährdet das die Hilfsangebote für Betroffene.“

Um das zu verhindern, erforscht das BKE mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse in dem Projekt &bdquo;Vernetzung schafft (Frei-)Räume“, wie sich die Suchtselbsthilfe weiterentwickeln lässt. &bdquo;Unser Ziel ist, dass wir herausfinden, wie ein Suchtselbsthilfeverband der Zukunft ausgerichtet, strukturiert und organisiert sein sollte und wie wir veränderten Bedarfen von Ehrenamtlichen und Hilfesuchenden gerecht werden können.“

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