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Mitten in Bielefelds City gastiert ein ganz besonderer Zirkus

Heimo Stefula

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Clownin Noémie Pichereau hat eine ganz besondere Art von Komik. - © Barbara Franke
Clownin Noémie Pichereau hat eine ganz besondere Art von Komik. (© Barbara Franke)

Bielefeld. „Entschleunigen und das Herz berühren“, so heißt das Motto des Cirque Bouffon, der bis Sonntag, 2. Juni, im Ravensberger Park seine Zeltheringe eingepflockt hat und sein Programm „Paraiso“ präsentiert. Hinter dem Motto verbirgt sich tatsächlich ein Paradoxon: Die Uhrzeiger scheinen sich langsamer zu bewegen bei „Paraiso“, fast entspannt und nicht von dieser turbulenten, hektischen Welt und dennoch vergeht die Zeit wie im Fluge unterm Zirkuszelt. Kurzweil der poetischen Art.

„Paraiso“ erzählt in märchenhaften und artistischen Bilderfolgen die Geschichte von einer „besseren“ Welt, einer Welt, bei der am Ende jeder König und jede Königin sein kann. Um es vorweg zu nehmen: der Cirque Bouffon unter der Leitung von Frédéric Zipperlin hat der Zirkuswelt – zumindest hier in Bielefeld – eine Krone aufgesetzt und dafür braucht es weder wilde Tiere noch kakofonischen Krach, weder Laserkaskaden noch Trockeneisnebel. Magie und Romantik sowie die Poesie der leisen Töne halten Stand gegenüber circensischen Leistungsschauen mit artistischen Superlativen, es braucht nicht einmal die Schenkelklopfer-Gimmicks eines bunt geschminkten Witzboldes. Das macht die Ästhetik dieses französischen „Nouveau Cirque romantique“ aus: herzerwärmender Humor statt Klamauk, emphatische Zirkuskunst statt Peitschenknallen unter der Donnerkuppel. Eine Massage für die mehr oder weniger geschundene Seele, die im durchgetakteten Alltag oft viel zu kurz kommt.

Cirque Bouffon - Premiere in Bielefeld. - © Barbara Franke
Cirque Bouffon - Premiere in Bielefeld. (© Barbara Franke)

Empathische Zirkuskunst statt Peitschenknallen unter der Donnerkuppel

Aber wie macht dieses internationale, kleine feine Ensemble aus neun Nationen das? Da zaubert Winston aus Venezuela im Muskelshirt hunderte Spielkarten aus dem Ärmel (welcher Ärmel?), da verheddert sich Tom aus Frankreich mit den Schnüren seines Diabolo, dass man als Zuschauer Mitleid bekommt, da dreht sich Alexander aus Russland in der Vertikalen in einem Tempo, dass man nicht erkennen kann, ob nun ein Fuß oder doch eine Hand die Tischplatte berührt als ob es keine Schwerkraft gäbe und da tanzen die Trapezkünstlerinnen Yana (Ukraine) und Suzanna (Portugal) fröhlich friedlich zu einem Chopin-Walzer, ehe sie sich in bester Terence Hill/Bud Spencer-Manier gegenseitig auf die Omme hauen. Klangschalenklänge beschrören einen weißen Engel, der kurze Zeit später mit einer neonfarbenen Schwimmnudel von der Zirkusdirektorengattin Anja Krips verjagt wird, die Berlinerin Annika zelebriert die chinesische Kunst der Mundbalance und da wäre noch der bucklige Gnom ohne Gesicht, der immer wieder während der gut zweistündigen poetischen Show die Manege mit wackeligem Tritt betritt, der sich in der zweiten Hälfte als Seil-Artistin Helena entpuppt. Überraschung ist gut – staunen ist besser!

Cirque Bouffon - Premiere Paraiso - © Barbara Franke
Cirque Bouffon - Premiere Paraiso (© Barbara Franke)

Überraschung ist gut – staunen ist besser!

Schwebende Kugeln die leuchten, ein blinkender Wattebausch, der sich als Regenwalddusche erweist, Grammophontrichter als Kopfbedeckung oder ein Klammerblues mit Vogelscheuche – all das und viel mehr wird musikalisch untermalt vom „Zirkusorchester“ – live natürlich. Eine Fidel, ein Akkordeon, ein Kontrabass (Komponist Sergej Swechinski), ein Puppenhaus-Klavier, die Stimme der Cottbusserin Momo („Die ostdeutsche Kate Bush“ schreibt das Hamburger Abendblatt) und hin und wieder mal die ein oder andere Pauke – das reicht, um die Zuschauer – bei der Premiere waren 500 Plätze besetzt – in eine wirklich zauberhafte, „bessere“ Welt reisen zu lassen.

Vorstellungen von „Paraiso“ im Ravensberger Park bis zum 2. Juni sind Mittwoch bis Freitag um 19.30 Uhr, Samstag um 14.30 Uhr und um 19.30 Uhr, Sonn- und Feiertags um 14.30 Uhr und um 17.30 Uhr, zusätzlich eine Vorstellung jeweils am Pfingstmontag und am Fronleichnam. Tickets für Vollzahler kosten zwischen 25 und 45 Euro (zzgl. Gebühr). Erhältlich sind diese bei der NW in der Niedernstraße und online unter www.nw.de/events.

Freier Eintritt für Pflege- und Betreuungskräfte am Mittwoch

Zirkusdirektor Frédéric Zipperlin und die gesamte Equipe von „Paraiso“ verneigen sich vor all den Menschen, die in der Pflege arbeiten und damit eine wichtige Säule unserer Gesellschaft darstellen. Für all jene wird es für die Vorstellung am Mittwoch 15. Mai, um 19.30 Uhr freien Eintritt geben. Die Einladung der Kompagnie gilt für Pflegekräfte, Krankenschwestern, Betreuerinnen und Betreuer in Hospizen und Behinderteneinrichtungen und ist ein Zeichen der Dankbarkeit für deren Arbeit und Engagement. Für alle, die am Mittwoch verhindert sind oder keine Freikarte mehr ergattern konnten, können am Folgetag (Donnerstag 16.Mai) die Show zum halben Preis besuchen. Dies bedeutet: Zwei Eintrittskarten zum Preis von einer. Hier ist lediglich zu beachten, dass dies nur ohne Reservierung direkt an der Abendkasse und nur solange der Vorrat reicht möglich ist.

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