„Großes Tabuthema“: Bielefelder Frauenarzt sterilisiert auch junge Frauen

Herr Fischer, Sie sterilisieren junge Frauen unter 30 Jahren. Das ist auch unter vielen Ihrer Kollegen umstritten.

Alexander Fischer: Das ist richtig. Aber ich teile einfach die Auffassung nicht, dass man jungen Frauen den Eingriff verweigert, weil sie nicht reif genug sind, um eine so weitreichende Entscheidung zu treffen. Ich finde, damit nehmen wir ihnen das Recht auf Selbstbestimmung.

Ist es wirklich so schwierig, einen Gynäkologen zu finden, der den Eingriff vornimmt?

Das ist ein erstaunlich großes Problem in Deutschland, ja. Zu mir kommen oft Frauen unter 30, die seit Jahren versuchen, sich sterilisieren zu lassen. Und die kommen teilweise von weit her, häufig aus Bayern. Was sie erzählen, zeigt außerdem, wie tabuisiert das Thema ist. Viele haben erlebt, dass sie von Kollegen regelrecht angegriffen wurden für ihren Wunsch, da wird sofort die ganz große ethische und moralische Keule rausgeholt.

Aber woran liegt das in Ihren Augen?

Ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass wir in Deutschland immer noch ein sehr hohes Ideal in Bezug auf Mutterschaft und weibliche Fruchtbarkeit haben. Diese mit Absicht zu zerstören, scheint vielen undenkbar. Genau wie viele nicht verstehen, dass es Frauen gibt, die einfach nicht Mutter sein möchten. Dann sind sicherlich auch einige Menschen sehr geprägt von der deutschen Geschichte, das Thema Zwangssterilisation schwingt da oft mit. Und nicht zuletzt erleben wir in unserem Fachgebiet im Arbeitsalltag natürlich auch viele Paare, die mit einem unerfüllten Kinderwunsch zu uns kommen, viel Schmerz, Stress und Mühen deshalb haben. Daher erscheint es dann einfach falsch, eine junge, gesunde Frau zu sterilisieren. Abseits dessen existieren heutzutage natürlich auch alternative, sehr gute Verhütungsmethoden, die in den Augen vieler Kollegen eine Sterilisation unnötig machen.

Sie sehen das anders.

Ich erlebe hier sehr viele Frauen, die bereits seit der Pubertät wissen, dass sie keine Kinder möchten. Die schon seit zehn Jahren nicht die geringste Absicht hegen, jemals ein Kind zu bekommen. Und die haben oft sehr große Ängste davor, schwanger zu werden - trotz sicherer Verhütungsmethoden. Das wirkt sich in vielen Fällen auch auf ihre Sexualität und ihre Partnerschaft aus. Oft ist nach dem Eingriff, den ich ambulant vornehme, eine große Erleichterung bei diesen Frauen zu spüren.

Wie oft nehmen Sie den Eingriff vor?

Im Durchschnitt zweimal im Monat. Und die Anfragen nehmen eher zu.

Sie operieren Frauen ab 26 Jahren. Warum ab diesem Alter?

Das ist tatsächlich eine von mir festgelegte Grenze, die meinem persönlichen Bauchgefühl entstammt und die nicht in Stein gemeißelt ist. Weil ich davon ausgehe, dass eine Frau in diesem Alter reif genug ist für eine solche Entscheidung. Ich würde es aber auch eher machen, wenn der Wunsch seit Jahren besteht und die Patientin sich ausreichend mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Ich finde es recht absurd: In Deutschland dürfen sich 18-Jährige für alle möglichen Schönheits-OPs frei entscheiden. Aber über ihre eigene Fruchtbarkeit dürfen sie nicht bestimmen, sondern werden unter Druck gesetzt - teilweise mit schlichtweg falschen Behauptungen, zum Beispiel, dass der Eingriff illegal sei.

Was er nicht ist.

Nein. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Grauzone. Und es wird auch niemand belangt oder zur Rechenschaft gezogen, der die Operation vornimmt oder vornehmen lässt. Um die Vasektomie, die männliche Sterilisation, macht niemand so ein Theater, das finde ich auch immer wieder kurios.

Vielleicht, weil viele denken, dass man die rückgängig machen kann.

Das geht bei der weiblichen Sterilisation auch, der operative Aufwand ist jedoch größer und die Ergebnisse oft nicht optimal. Und man kann natürlich auch immer noch eine künstliche Befruchtung vornehmen, wenn eine Frau es sich anschließend anders überlegt und doch noch ein Kind möchte. Diese Möglichkeit sollte jedoch nicht als Hintertürchen dazu führen, dass vorschnell und unüberlegt die Entscheidung zu dieser OP getroffen wird. Durch entsprechende Vorgespräche und Aufklärungen kann das verhindert werden, sodass diese Optionen tatsächlich Seltenheitswert haben.

Um Frauen, die diesen Wunsch haben, zu helfen, haben Sie sich bei dem Verein &bdquo;Selbstbestimmt steril“ aufnehmen lassen. Hier können Frauen auf einer Karte Gynäkologen finden, die den Eingriff vornehmen. Wie kamen Sie dazu?

Die Gründerinnen dieses Vereins sind auf mich zugekommen. Anfangs war ich dort nur anonym mit Standort verzeichnet, Anfragen liefen über den Verein. Dann hatte ich im Urlaub ein sehr intensives Gespräch mit meinen erwachsenen Töchtern, die mich fragten: warum anonym? Ich hatte kein wirkliches Argument. Also habe ich mich danach mit vollem Namen registrieren lassen.

Und haben Sie schon mal Anfeindungen deshalb erlebt, wie Kollegen, die in Abtreibungskliniken arbeiten?

Nein, noch nie. Und ich habe auch noch nie eine Patientin erlebt, die den Eingriff im Nachhinein bereut hat.

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