„Goldener Käfig“: Warum ein Ingenieur aus OWL kein Beamter mehr sein will

Düsseldorf. Als studierter Ingenieur im gehobenen technischen Dienst ist Maik F. auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Nach dem Studium überlegte der 31-jährige Familienvater aus OWL deshalb, ob er in ein Unternehmen der Privatwirtschaft wechseln solle, mit Aussicht auf gute Aufstiegschancen. Doch er entschied sich für ein Beamtenverhältnis in einer Behörde, weil es ihn reizte, eine sinnstiftende Tätigkeit für die Allgemeinheit auszuüben. Inzwischen grübelt der junge Mann, ob diese Entscheidung richtig war. Er überlegt, das Beamtendasein zu beenden. Kein Einzelfall in NRW.

Maik F. heißt in Wirklichkeit anders – und möchte nicht, dass sein voller Name genannt wird, da er berufliche Nachteile befürchten würde. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt. Der 31-Jährige ist ein reflektierter Mann, der Entscheidungen gründlich abwägt. Auch im Falle seiner Verbeamtung gibt es für ihn kein plumpes &bdquo;schwarz oder weiß“. Doch inzwischen stellt sich F. immer häufiger die Frage, ob er als Beamter in einer Landesbehörde in OWL langfristig glücklich und zufrieden sein kann.

&bdquo;Ich weiß, dass ich als Beamter viele Vorteile habe, von denen andere Menschen nur träumen können. Doch es gibt eben auch einige Nachteile, die mich einengen und die in mir den Wunsch wachsen lassen, etwas zu verändern“, sagt der 31-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Ein großer Kritikpunkt sei die &bdquo;Abhängigkeit“ vom Dienstherrn, die F. auch als &bdquo;Goldenen Käfig“ bezeichnet. Als Beamter verfüge er über kein Streikrecht, könne also keinen Druck auf seinen Arbeitgeber – dem Land NRW – ausüben, meint F.

Beamter F. kann sich beruflich kaum weiterentwickeln Hinzu komme eine &bdquo;Hierarchie“ und ein in der Praxis gelebtes starres Laufbahnsystem, welches nicht mehr zeitgemäß sei. &bdquo;Dieses System macht es so gut wie unmöglich, dass ich mich beruflich entwickeln – und einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben gehen kann“, sagt F. und fügt an: &bdquo;Hier geht alles viel langsamer seinen Weg. Das wird von oben so vorgelebt.“

So seien zum Beispiel Beförderungen frühestens nach vier Jahren möglich – unabhängig davon, wie gut derjenige sei. Sein Chef habe ihm gesagt, er solle nicht so ungeduldig sein, es brauche keine &bdquo;Reformer“. Das habe ihn demotiviert und getroffen, sagt F. Ihm fehle innerhalb der Behörde der Mut zum Risiko sowie kollegiale Wertschätzung. Hinzu komme der Druck von außen, so setze ihm inzwischen auch das schlechte Image &bdquo;des Beamten“ in Teilen der Bevölkerung zu.

Natürlich geht es auch ums Geld. Bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft könne er in seiner Situation (31 Jahre, ein Kind, Steuerklasse 4) bis zu 80 Prozent brutto pro Jahr mehr verdienen, sagt F. Das seien umgerechnet rund 11.000 Euro netto mehr pro Jahr (verglichen Besoldungsstufe A11 als Beamter mit dem Tarifvertrag IG Metall NRW – EG 13 mit mehr als 36 Monaten Berufserfahrung).

.responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { padding-top: 142.86%; } } 41-Stunden-Woche und hohe private Krankenkassenbeiträge Noch größer würde die Differenz, wenn man berücksichtige, dass er als Beamter rund 4.500 Euro pro Jahr vom Netto-Gehalt an die private Krankenkasse zahlt – und dass die Wochenarbeitszeit für ihn als Beamter in der Regel um sechs Stunden höher ausfällt, sagt F. Hintergrund: Beamte in NRW arbeiten bis zum 55. Lebensjahr, Vollzeit 41 Stunden pro Woche – dann verringert sich die Wochenarbeitszeit auf bis zu 39 Stunden. Tarifangehörige der IG Metall arbeiten hingegen in der Regel 35 Stunden.

Zeitlichen Druck übe in ihm die Tatsache aus, dass sich ein Wechsel vom Beamtenverhältnis in die Privatwirtschaft mit Blick auf die Altersvorsorge nach einer gewissen Zeit kaum noch lohne. Der Grund: Als Beamter werden weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber Beiträge an die Rentenkasse abgeführt. &bdquo;Das System zwingt mich also dazu, schon heute darüber nachzudenken, ob ich in zehn Jahren noch Beamter sein möchte, weil ein Wechsel danach finanziell keinen Sinn mehr ergeben würde.“

Ein weiterer Punkt, der ihn störe: Als Beamter fühle er sich mitunter als &bdquo;Spielball der Politik“. Der Landesgesetzgeber legt die Besoldung der Beamten fest – Sozialpartner beim Aushandeln gibt es nicht.

Beamter fühlt sich eingeengt Dem gegenüber stehen in den Augen von Maik F. natürlich bedeutende Privilegien, die er als Beamter genieße – und für die er dankbar sei. &bdquo;Natürlich verfüge ich über eine sehr hohe Jobsicherheit, die für mich und meine damalige Entscheidung ja auch ausschlaggebend war“, sagt F., der Vater einer jungen Tochter ist. Das Risiko, arbeitslos zu werden, gibt es für ihn als Beamten nahezu nicht.

Hinzu komme ein &bdquo;planbares und sicheres Einkommen“, damit verbunden zum Beispiel teils bessere Konditionen bei Kreditverträgen, eine &bdquo;gute Altersvorsorge“, eine &bdquo;Absicherung im Krankenfall“, die Absicherung der Familie – zum Beispiel in Form von Familienzuschlägen – sowie die Vorteile der privaten Krankenversicherung, also zum Beispiel kürzere Wartezeiten beim Arzt.

Doch nach sechs Jahren als Beamter überwiegt bei Maik F. trotz aller Vorteile inzwischen die Unzufriedenheit. Er fühlt sich eingeengt. Ein Wechsel aus dem Beamtenverhältnis – hin in die Privatwirtschaft – wird für ihn immer wahrscheinlicher. &bdquo;Sicherlich spielt es für mich unterbewusst eine Rolle, dass meine Frau ebenfalls verbeamtet ist – und wir somit auch künftig mindestens ein sicheres Gehalt haben.“ Das Risiko ist also begrenzt.

Kein neues Phänomen für Deutschen Beamtenbund Der Deutsche Beamtenbund (DBB) in NRW kennt diese Fälle. &bdquo;Es gibt immer mal wieder Abgänge“, sagt DBB-Landeschef Roland Staude im Gespräch mit dieser Redaktion. So liege zum Beispiel in der Finanzverwaltung die Abgangsquote pro Lehrgang bei bis zu 30 Prozent. &bdquo;Diese Menschen sind bestens ausgebildet. Große Steuerberatungsgesellschaften sind aber durchaus in der Lage, eine üppige Ablöse zu zahlen – und sie abzuwerben“, sagt Staude.

Dennoch stelle der DBB fest, dass in den aktuellen Krisenzeiten, die geprägt sind von einer gewissen Unsicherheit, der &bdquo;Sicherheitsaspekt“ wieder zunehme. Die Bewerbersituation im Öffentlichen Dienst verändere sich deshalb aktuell &bdquo;positiv“, weil hier das Risiko der Arbeitslosigkeit Richtung null geht. Der Zuspruch für das Arbeiten beim Staat werde wieder größer. Das zeige sich unter anderem daran, dass wieder mehr Studierende an den Hochschulen in den Staatsdienst wechseln wollten, so Staude.

Für Maik F. handelt es sich letztlich um eine Abwägungsentscheidung. Soll er das Risiko wagen, in die Privatwirtschaft zu wechseln, die ihm vielleicht mehr Geld, Freiheit und Karrierechancen bietet? Oder bleibt er im sicheren Hafen des Beamtentums, welches ihn zwar einengen mag, aber dafür Sicherheit, Planbarkeit und weitere Privilegien mit sich bringt? Diese Fragen kann nur er selber beantworten.

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