Kreis Paderborn. Im Juli wurde der erste Fall einer Infektion mit dem Blauzungenvirus in einem Bürener Schafbestand nachgewiesen. Mittlerweile ist die Blauzungenkrankheit kreisweit verbreitet und ein ernstes Problem. Die Tiere haben massive Schmerzen, können oft weder fressen noch trinken und verdursten und ersticken am Ende. Laut des Kreisveterinäramtes Paderborn sind 61 der insgesamt 486 Schafhaltungen von der Krankheit betroffen, in diesen Beständen seien 101 erkrankte Schafe gemeldet worden. Die anzeigepflichtige Erkrankung wird durch blutsaugende Mücken übertragen.Auch die Herde der Heidschnuckenschäferei in der Senne ist stark davon betroffen. Etwa zehn Prozent der knapp 500 Tiere seien eingegangen. Nur noch acht Lammböcke hat Schäfer Mike Lindley. „Wir hatten über 60 Böcke. 30 sind gestorben, die anderen habe ich verkauft. Es gab die Krankheit schon mal, aber so heftig war es noch nie“, sagt der Leiter der Heidschnuckenschäferei. Ob sogar die Zucht von der Krankheit bedroht sei, könne er nicht ganz ausschließen. „Vielleicht. Acht Lammböcke sind wieder genesen, aber ob sie noch fruchtbar sind, sehen wir erst nach der Paarungszeit“, so Lindley. Einige Impfstoffe gegen die Krankheit sind nicht zugelassen Dieses Problem sieht auch Bio-Schäferin Ortrun Humpert, Vorsitzende des Schafzuchtverbandes NRW. Tiere, die die Krankheit überleben, werden laut Humpert lange mit den Folgen zu kämpfen haben. Ob ein Mutterschaf im kommenden Frühjahr die Kraft für den Nachwuchs haben wird, wisse sie nicht. „Wir wissen zu wenig über die Krankheit, es muss mehr wissenschaftliche Forschung geben“, fordert die Schäferin aus dem Kreis Höxter, die über 140 Tiere von ihren gut 500 bereits verloren hat. Die Biologische Station Senne arbeitet eng mit dem Kreisveterinäramt und einem Tierarzt zusammen. Ein Impfstoff gegen die Blauzungenkrankheit ist mittlerweile auf dem Markt. Laut des Kreises Paderborn haben viele Betriebe (78 Bestände) bereits mit der Impfung der Schafe begonnen. „Es dauert aber bis zu sechs Wochen, bis die Impfung anschlägt. Viele Schafzüchter haben auch in den Verlauf hinein geimpft – da wurde es nur schlimmer“, erklärt Lindley ein großes Problem. „Es gibt drei andere Impfstoffe, die sind aber noch nicht in Deutschland zugelassen“, fügt er hinzu. Lesen Sie auch: Die schleichende Katastrophe auf den Weiden Trotz Impfung seien einige Tiere gestorben. Oft seien es aber Tiere, die schon Vorleiden hatten oder schwach waren, so der Senne-Schäfer. Stärkere, vor allem Alttiere, berappeln sich oft wieder. „Es ist manchmal wie eine Grippe, es gibt Fieber und Schmerzen und einige liegen eine Woche apathisch auf dem Boden, dann geht es wieder“, beschreibt Mike Lindley den Verlauf. Erkrankte Tiere werden von der Herde, die nach wie vor durch die Senne streift, getrennt und kommen in den Stall, um sich zu erholen. Schafhalter fühlen sich von der Politik im Stich gelassen Wie viele andere Schafzüchter hätte er sich früher einen Impfstoff gewünscht, um die Tiere vor dem afrikanischen Virustyp zu schützen: „Letztes Jahr hat es in Holland angefangen, der Virus kam über die Schiffe nach Rotterdam. Da hätte man schon handeln können.“Genauso denkt auch die Vorsitzende des Schafzuchtverbandes NRW. Hätte man schon zwischen 2006 und 2008 Daten erhoben und Untersuchungen durchgeführt, als ein anderer Virustyp der Blauzungenkrankheit in Deutschland wütete, hätte man diesmal vielleicht besser und schneller reagieren können, so Humpert. Von der Politik fühlen sich die Schafhalter weitgehend im Stich gelassen. Immer wieder werde zwar betont, wie unersetzlich die Arbeit der Schäfer sei. Wenn es aber darum gehe, wenigstens ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern und sie bei den Seuchenschäden zu unterstützen, passiere wenig, so Humpert. „Die massiven Folgen werden wohl erst im kommenden Jahr richtig sichtbar. Wenn die Biotope und Naturschutzgebiete nicht mehr gepflegt werden können oder die Deiche an Flüssen und Meeren“, betont sie. Die Schafverbände, in denen sich Ortrun Humpert engagiert, haben einen Appell an die Agrarminister geschickt, in dem sie die katastrophale Lage und ihre langfristigen Folgen schildern und Forderungen stellen. Neben einer finanziellen Rettung der Schäfereien und einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Seuche geht es in dem neunseitigen Schreiben auch um die Unsicherheit um die Impfung im kommenden Frühjahr. Denn das Virus soll bis zu 100 Tage in den Tieren überleben.