CDU-Politiker Brinkhaus: „Begeisterung über Koalition mit SPD wundert mich“

Herr Brinkhaus, am Montag stellt Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage. SPD und Grüne wollten mit der Union auf den letzten Metern noch Projekte verabschieden. Warum blockieren Sie?

Ralph Brinkhaus: Nach der Vertrauensfrage werden wir schauen, was noch unbedingt vor der Bundestagswahl geregelt werden sollte. Und das werden wir dann auch tun. Wir sind aber nicht bereit, missglückte Ampelprojekte zu retten – dafür hatten Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck mehr als drei Jahre Zeit.

Sind Sie für eine Koalition aus CDU und SPD nach der Neuwahl, also eine &bdquo;Groko“?

Erstens ist jetzt nicht die Zeit für Koalitionsaussagen. Zweitens sollten alle Parteien der demokratischen Mitte grundsätzlich bereit sein, zusammenzuarbeiten. Drittens sollten wir als Union nach der Wahl ganz in Ruhe schauen, mit wem sich am meisten umsetzen lässt. Und viertens wundert mich die Begeisterung über eine mögliche Koalition mit der SPD. Aus sehr persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen, dass Grokos nun wirklich nicht schön waren.

Eine Groko wird verantwortlich gemacht für Stillstand im Land – unter CDU-Kanzlerin Merkel.

Bei allen offensichtlichen Problemen, im Vergleich zu den Jahren davor unter Gerhard Schröder und den Jahren danach unter Olaf Scholz, waren die Merkel-Jahre eine gute Zeit für unser Land. Die Halbierung der Arbeitslosigkeit, stetiges Wirtschaftswachstum und die Senkung der Staatsverschuldung, um nur einige Beispiele zu nennen, waren wahrlich kein Stillstand. Unter Angela Merkel waren wir im Gegensatz zu heute in der Welt respektiert und hatten Einfluss. Und um diesem Einwand gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Krisen hatten wir in den 16 Jahren auch genug zu bewältigen – von der Bankenkrise in 2008 bis zu Corona in 2020 und 2021.

Das Land braucht aber einen Modernisierungsschub. Wo würden Sie ansetzen?

Ja – das habe ich bereits 2021 gesagt. Wir brauchen eine Jahrhundertreform. Der Staat funktioniert zwar noch, aber in vielen Bereichen bröckelt es und das merken die Bürger jeden Tag. Wir sind zu langsam, zu umständlich, zu unflexibel, zu bürokratisch. Und ganz ehrlich, das Thema haben alle Regierungen der vergangenen Jahre liegen lassen.

Das heißt konkret?

Das fängt damit an, konsequent Ziele zu verfolgen. Beispiel: Wir geben zwar mehr Geld für die Bundeswehr aus; aber wird das Geld wirklich zielgerichtet eingesetzt, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu erhöhen? Wohl nicht ganz, sonst hätten wir nicht das Theater um neue Ausgehuniformen gehabt. Wir brauchen in vielen Teilen der Verwaltung eine andere Mentalität: Mehr ermöglichen und weniger verhindern, mehr Ermessen im Sinne des Bürgers und weniger Kontrollen und Prüfungen. Dafür müssen wir aber die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter ändern – das fängt bei der Ausbildung an und hört bei der Besoldung und Beförderung auf.

Was noch?

Wir brauchen bessere Gesetze, die auch praxistauglich sind. Wir müssen die Silostrukturen in der Verwaltung durchbrechen. Behörden müssen gezwungen werden miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Es kann nicht sein, dass ich einer Behörde, wie zum Beispiel bei der Grundsteuererklärung, Daten melden muss, die woanders schon längst erfasst sind. Die Bürger dürfen nicht mehr gezwungen werden, bei Problemen von Behörde zu Behörde zu laufen. Eine alleinerziehende Mutter mit einem pflegebedürftigen Vater hat es in Deutschland mit sieben bis neun verschiedenen Behörden und Abteilungen zu tun. Das geht nicht. Und wir müssen uns ehrlich machen, was der Staat überhaupt leisten kann und leisten sollte.

Sind Sie also dafür, dass der Staat weniger Leistungen und Aufgaben übernimmt?

Ja und nein. Ich verfolge zum Beispiel mit Sorge, dass der Staat jetzt die Zuständigkeit für das Thema Einsamkeit an sich zieht. Einsamkeit ist ein großes Problem für viele Menschen, keine Frage, aber das kann und wird nicht der Staat lösen. Es gibt Bereiche, in denen die Gesellschaft sich selbst unterhaken muss. Deswegen gilt: Beschränken auf den Kern wie zum Beispiel Gesundheit, Bildung, Infrastruktur oder Sicherheit und das dann richtig gut machen. Ich halte im Übrigen wenig von den Plänen des designierten amerikanischen Präsidenten Trump. Dem geht es darum, den Staat kleinzumachen. Mir geht es darum, den Staat besser zu machen. Das ist der entscheidende Unterschied.

Wie würden sich solche Reformen auf das Leben der Menschen auswirken?

Das fängt bei der schnelleren Baugenehmigung an. Es geht weiter bei einem einfachen, verständlichen und bürokratiearmen Sozialsystem ohne ellenlange Antragsformulare, wie beim Elterngeld. Und es hört bei der vom Staat vorausgefüllten Steuererklärung, die ich nur noch bestätigen muss, auf. Baustellen werden schneller fertiggestellt. Die Sprache der Verwaltung wird verständlicher. Verwaltung und Bürger werden im Umgang miteinander entspannter. Die Mitarbeiter der Verwaltung haben mehr Freude bei der Arbeit und, und, und.

Wann würden diese Ansätze Früchte tragen?

Wichtig ist, dass wir in der nächsten Legislaturperiode schnell beginnen. Nur dadurch gewinnen wir die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen bei den Bürgern zurück.

Wird das Teil des Union-Wahlprogramms sein?

Sicherlich nicht alles, das würde ein Wahlprogramm sprengen. Deswegen ist es wichtig, dass erst einmal die Richtung stimmt. Staatsmodernisierung ist ein Marathonlauf.

Wie ist inzwischen Ihr Verhältnis zu Friedrich Merz?

Wir gehen höflich und freundlich miteinander um, so wie sich das gehört.

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