„Wir könnten Turnhallen füllen“: Immer mehr Menschen in OWL im Kirchenasyl

Gütersloh. &bdquo;Wir könnten das Zehnfache belegen“, berichtet Karin Elsing vom Kirchenkreis Gütersloh. Sechs Plätze hat die Gütersloher Kirchengemeinde in ihrem Kirchenasyl. Im Jahr 2024 gab es dafür 145 Anfragen – allein in Gütersloh. Kirchenasyl ist stark nachgefragt, umstritten – und für viele Menschen die letzte Option. Wer im Kirchenasyl lebt, darf das Kirchengelände wochen- oder sogar monatelang nicht verlassen. Dass es trotzdem für viele Menschen eine gute Alternative ist, zeigt die Not und Verzweiflung, mit der die Geflüchteten versuchen, eine Abschiebung zu verhindern.

Gegen Menschen, denen Kirchenasyl gewährt wird, liegt in der Regel bereits einen Abschiebe-Bescheid vor. 99 Prozent davon nach dem Dublin-Verfahren. Das bedeutet, sie werden nicht in ihr Heimatland abgeschoben, sondern in das europäische Land, in dem sie bei ihrer Flucht zuerst registriert wurden. Doch auch dort bestehe bereits Gefahr für Leib und Leben der Geflüchteten. &bdquo;Bei Gesprächen mit den Betroffenen hören wir immer dramatische Geschichten“, erklärt Ulrike Poggenklaß, die wie Karin Elsing zum Leitungsteam des Arbeitskreises Asyl in der Gütersloher Kirchengemeinde gehört.

&bdquo;Wir reden hier über EU-Länder, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden“, sagt Poggenklaß. Viele Menschen würden bei der Debatte über das Kirchenasyl voraussetzen, dass in der EU grundlegende Menschenrechte gelten. Dies sei aber nicht der Fall. Daher suchen viele Betroffene den Schutz in den Kirchengemeinden.

Sechs Monate Frist für die Abschiebung Nach der Entscheidung über die Abschiebung nach dem Dublin-Verfahren hat Deutschland sechs Monate Zeit, die betreffenden Personen an das jeweilige Land abzuschieben. Verstreicht diese Frist, ist Deutschland selbst für das Asyl-Verfahren verantwortlich. Sollten Geflüchtete während der sechs Monate abtauchen, kann die Frist auf bis zu 18 Monate verlängert werden.

Hier kommt das Kirchenasyl ins Spiel. Denn Geflüchtete, die in einem Kirchenasyl leben, gelten nicht als untergetaucht. So versuchen Kirchengemeinden in besonders schlimmen Fällen, die Menschen vor der Abschiebung in Länder zu bewahren, in denen sie kaum eine Chance auf ein geregeltes Asyl-Verfahren haben oder sogar unmittelbar gefährdet sind. &bdquo;Die meisten Kirchenasyle werden für zwei bis drei Monate gewährt“, erklärt Elsing. Manchmal würden auch wenige Wochen reichen. Insbesondere in den letzten Tagen der sechsmonatigen Frist seien die Anstrengungen der Behörden am größten.

Die evangelischen Kirchen in Ostwestfalen gewähren derzeit 26 Kirchenasyle für 30 Personen, im gesamten Jahr 2024 waren es 108 Kirchenasyle für insgesamt 134 Personen. Die Gemeinden übernehmen dabei alle Kosten und eine hohe Verantwortung, erklärt Pfarrer Stefan Salzmann. Er betont dabei, dass Kirchenasyl kein politisches Instrument sei. &bdquo;Es geht darum, abgründige Härten abzuwenden“, sagt er.

Kirchenasyl ist nicht illegal Dabei bewege man sich nicht in der Illegalität, betont Elsing. Jedoch werden Entscheidungen über Abschiebungen durch Kirchenasyl infrage gestellt. Das ökumenische Netzwerk Kirchenasyl erklärt auf seiner Internetseite: &bdquo;Kirchenasyl setzt keine anderen Rechtsnormen als die in der Verfassung und im internationalen Recht geltenden. Aber es unterstellt, dass auch staatliches Handeln im Einzelfall fundamentale Rechtsnormen übersehen oder gar missachten kann.“

In den Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) heiße es über die Drittländer oft &bdquo;es ist nicht erkennbar, dass dort kein ordnungsgemäßes Verfahren stattfinden wird“, erklärt Ulrike Poggenklaß. &bdquo;Das steht aber in Diskrepanz zu der Erfahrung der Menschen“, sagt sie. &bdquo;Das Personal in den Drittländern ist gewalttätig, es vergreift sich an Frauen und es prügelt die Menschen zurück an die Grenze.“ Nur weil ein Land zu Standards verpflichtet sei, bedeutet das nicht, dass diese eingehalten würden. Darüber hinaus seien die vorgegebenen Mindeststandards sehr niedrig.

Somit ist das Kirchenasyl für viele Betroffene die einzige Chance, der Abschiebung zu entgehen – die &bdquo;ultimo ratio“, wie es das Netzwerk Kirchenasyl nennt. 205 Personen waren Stand Oktober 2024 in NRW im Kirchenasyl untergebracht, ein Bruchteil von denen, die es beantragt haben. In Gütersloh konnten nur 15 Prozent der Anfragen angenommen werden. &bdquo;Wir könnten auch Turnhallen füllen“, sagt Poggenklaß.

.responsive23-DUEoef4egH26DEtg-bar-grouped-vertical-kirchenasyle-in-owl { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-DUEoef4egH26DEtg-bar-grouped-vertical-kirchenasyle-in-owl { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-DUEoef4egH26DEtg-bar-grouped-vertical-kirchenasyle-in-owl { padding-top: 142.86%; } } Leute schlafen nicht unter dem Altar Stattdessen werden von der Kirchengemeinde Gütersloh bis zu sechs Personen in Zwei- oder Dreibettzimmern untergebracht. Dazu gibt es einen Gemeinschaftsraum. Eine Dusche wurde in den kirchlichen Räumlichkeiten vor einigen Jahren extra für das Kirchenasyl installiert. &bdquo;Das Bild, dass die Leute unter dem Altar schlafen, stimmt aber nicht“, erklärt Pfarrer Salzmann – zumindest in Gütersloh. Je nach Ausstattung der Kirchengemeinden können sich die Unterbringungen stark unterscheiden.

Die Entscheidung darüber, wer in das Kirchenasyl aufgenommen wird, fällt das Presbyterium. Soweit das möglich ist. &bdquo;Manchmal muss die Entscheidung so kurzfristig getroffen werden, dass vorher keine Sitzung des Presbyteriums mehr stattfindet“, sagt Salzmann. Dann würde der Arbeitskreis Asyl eine kurzfristige Entscheidung treffen, die dann bei der nächsten Sitzung bestätigt würde. &bdquo;Dort gab es noch nie Kampfabstimmung“, sagt Salzmann. Kirchenasyl würde von dem Presbyterium als zentrale Aufgabe gesehen.

Und wie stehen die Gemeindemitglieder zum Kirchenasyl? &bdquo;Es gibt immer kritische Stimmen“, erklärt Salzmann, &bdquo;aber das Kirchenasyl wird auch als Bereicherung empfunden.“ Begegnung sei immer der Schlüssel, fügt Elsing hinzu. Die Räume der Gemeinde dienten dabei immer wieder als Begegnungsort. Und nach solchen Begegnungen gebe es oft positive Resonanz.

&bdquo;Der Gegenwind wird stärker“ Kritik käme eher von außen. Inzwischen würde Kirchenasyl auch immer häufiger gebrochen, sagt Salzmann. Einen prominenten Fall gab es im Dezember 2024, als die Polizei in Bremen versuchte, das Kirchenasyl eines 25-jährigen Somaliers zu beenden. Rund 100 Menschen hatten dies verhindert. Klar ist – auch wenn das Kirchenasyl an sich kein politisches Instrument ist – das Thema ist in der politischen Debatte angekommen. &bdquo;Der Gegenwind wird stärker“, berichtet Salzmann.

So entstünde ein Spannungsverhältnis zwischen dem Rechtsstaat und dem kirchlichen Selbstverständnis. &bdquo;Es geht aber auch um Menschenrechtsstandards, die gebrochen werden“, sagt Karin Elsing, &bdquo;da muss Bewegung rein.“ Der Diskurs sei nach rechts gerückt. Es brauche jetzt aber Zuversicht, da aufgrund von Kriegen und Krisen die nächsten Flüchtlinge vor der Tür stehen werden.

Das Kirchenasyl ist einer der Gründe für Zuversicht. &bdquo;Hier können sich die Geflüchteten wieder als Menschen fühlen“, berichtet Elsing. Nach wenigen Wochen sähen sie oft schon anders aus und ihre Potenziale kommen aus ihnen heraus. Und Menschen, die das Kirchenasyl verlassen und das Asyl-Verfahren in Deutschland durchlaufen, hätten in der Regel eine Bleibeperspektive und durchleben eine positive Entwicklung – solange ihnen diese Chance gegeben wird.

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