„Mein Leben war vom Glück durchzogen“: Erster Absolvent der Bielefelder Uni hat Geburtstag

Bielefeld. &bdquo;Kairos hat mich oft begleitet und gelenkt“, sagt Dirk Ukena. Der in der griechischen Mythologie beheimatete &bdquo;Gott des richtigen Augenblicks“ hat den (Un)-Ruheständler mehrmals im Leben aufgesucht. Die Liste seiner beruflichen Tätigkeiten liest sich wie die Blaupause für eine erfolgreiche Karriere: Mitglied im Gründungsausschuss der Universität Bielefeld, Direktor der Volkshochschule (VHS) Bielefeld sowie Mitglied im Rundfunkbeirat des WDR, um nur einige zu nennen. Und er war der erste Absolvent der Bielefelder Uni. Jetzt ist Ukena, der stets bescheiden auftrat, 80 Jahre alt geworden.

Geboren in &bdquo;einem kleinbürgerlichen und unpolitischen Elternhaus“ in Münster, zog es ihn Anfang der 1950er-Jahre nach Bielefeld. Im Jugendalter prägten ihn hier zwei Dinge. &bdquo;Ich bin damals oft auf dem Kesselbrink gewesen, wo ein Zirkus nach dem anderen gastierte“, sagt er. Der Kontakt mit den Zirkusleuten und deren Kindern, die im fliegenden Wechsel auch in seiner Klasse waren, habe ihn fasziniert. &bdquo;Ich habe mich mit denen viel ausgetauscht und fand deren Leben interessant.“ Ebenfalls prägten ihn die frühen Schriften von Karl Marx, &bdquo;die noch sehr philosophisch waren“.

Nach dem Abitur 1965 am Max-Planck-Gymnasium zog es Ukena zunächst wieder zum Studium der Soziologie und Volkswirtschaft nach Münster. Er hatte damals den Soziologen Arno Klönne auf einem Ostermarsch kennengelernt und beschlossen, dort zu studieren. Die lockeren Bedingungen des Studiums gefielen dem wissbegierigen Ukena. &bdquo;Im Vergleich zum heutigen Bachelor-Master-System gab es viele Freiheiten. Man konnte sich ausprobieren“, sagt er. Niklas Luhmann hat er noch persönlich kennengelernt.

Eine Hochschulkarriere kam nicht infrage Nach dem Studium in Münster sollte ein Wechsel ans Otto-Suhr-Institut der Humboldt-Universität folgen. Kurz nach der Zusage für Berlin erfuhr er jedoch, dass er Vater werde. Obwohl Ukena sich dem linken Milieu zugehörig fühlte, beschloss er ganz bürgerlich, Verantwortung zu übernehmen. Neben dem Studium in Münster konnte er durch Werkverträge an der Sozialforschungsstelle Dortmund arbeiten, um Geld für seine Familie zu verdienen.

Da Ukena zudem politisch aktiv und beim Sozialdemokratischen Hochschulbund war, nahm er Mitte 1968 an einer Sitzung des Verbandes Deutscher Studentenschaften teil. In dieser wurde ein Brief des damaligen NRW-Wissenschaftsministers Johannes Rau vorgelesen. Rau bat darin um die Benennung eines studentischen Vertreters für den Gründungsausschuss der Uni Bielefeld. Der Zuschlag fiel auf den angehenden Soziologen. Von da an musste sich Ukena mit Vor-Konfigurierungen für Fakultäten, mit Berufungen oder Raumplanungen befassen. &bdquo;Alles Dinge, die für meine späteren Tätigkeiten sehr hilfreich waren“, betont er.

Da er jetzt wieder in Bielefeld tätig war, studierte er zu Ende und machte 1970 als erster Absolvent der Uni sein Diplom. &bdquo;Ein Zeugnis konnte mir erst mal nur mit einer Schreibmaschine getippt werden. Ein Exemplar mit ordentlichem Briefkopf erhielt ich ungefähr ein Jahr später“, erinnert er sich. Doch eine Hochschulkarriere wollte er nicht einschlagen. &bdquo;Ich war schon immer mehr praxisbezogen.“ Die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und beruflicher Praxis war ihm wichtiger.

Ravensberger Spinnerei wurde vor dem Abriss gerettet &bdquo;1974 kam mit dem NRW-Weiterbildungsgesetz Schwung in die Bildungslandschaft“, sagt Ukena. Die alte VHS, die in den Räumen des heutigen Theaters am Alten Markt war, sollte umziehen. Ukena, der zu dem Zeitpunkt bereits SPD-Mitglied war, plädierte im Stadtrat für die Ravensberger Spinnerei als neuen Standort. &bdquo;Die Ratsmehrheit wollte das Gebäude eigentlich abreißen lassen“, sagt er. Dass es nicht so kam, war sein Verdienst. Mit zu beantragenden Fördergeldern für den Umzug in die &bdquo;Raspi“ konnte er die Ratsmitglieder überzeugen. Mit nur 33 Jahren wurde Ukena 1978 Leiter der neuen VHS, und bleib es bis 2008.

Durch sein Interesse an neuen Medien kam es, dass er auf Vorschlag des Landesverbandes für Volkshochschulen von 1991 bis 2009 zudem Mitglied des WDR-Rundfunkbeirats wurde. Gerade die Anfänge und Erweiterungen des analogen zum digitalen Rundfunk und Fernsehen konnte er mitgestalten. &bdquo;Mein Leben war vom Glück durchzogen“, sagt Ukena rückblickend. Geschmückt habe er sich mit seinen Positionen nie. &bdquo;Ich war immer sehr zurückhaltend mit dem, was ich beruflich gemacht habe.“

Weil Ukena auch im Ruhestand daran mitwirken will, dass sich &bdquo;unsere Gesellschaft noch weiter Richtung Akzeptanz und Vielfalt entwickelt“, ist er aktuell noch im Bielefelder Gesprächsforum &bdquo;Soziale Demokratie“ tätig. Eine Zusammenkunft von Leuten, die einflussreiche Positionen innehatten. Es sei gerade in heutigen Zeiten wichtig, seine Stimme für demokratische Bildung zu erheben. Das lässt erahnen, dass er auch mit über 80 nicht wirklich an einen endgültigen Ruhestand denkt. Und wer weiß, wohin Kairos ihn noch lenkt.

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