Geheime Kita-Pläne in NRW: Land lehnt zusätzliche Elternbeiträge ab

Düsseldorf/Bielefeld. Die Kitalandschaft in NRW steht offenbar vor einer grundlegenden Veränderung. Dies geht aus einem bislang unter Verschluss gehaltenen Eckpunktepapier des Landes hervor, das dieser Redaktion vorliegt. Mit der &bdquo;Vereinbarung der Kommunalen Spitzenverbände und der freien und kirchlichen Träger NRW mit der Landesregierung NRW über Eckpunkte einer Reform des Kibiz“ wird derzeit über umfassende Maßnahmen verhandelt. Sie betreffen Betreuungsmodelle und verhandeln auch das Ende der Beitragsfreiheit für Eltern in NRW.

Aus Landtagskreisen heißt es, dass es sich bei der dieser Redaktion vorliegenden Vereinbarung um einen ersten Entwurf handele. In den nächsten Wochen solle ein zweiter Entwurf zwischen Kommunen, Trägern und Land diskutiert werden. Im Zusammenhang mit der Berichterstattung dieser Redaktion hat die Landesregierung sich von Zusatzbeiträgen für Eltern auch in den beitragsfreien Jahren distanziert. &bdquo; Anders als es zu lesen war, schließt die Landesregierung eine Erhebung von Beiträgen für Eltern mit Betreuungszeiten ab 35 Stunden auch in den beiden beitragsfreien Jahren aus“, teilt ein Sprecher des Landes mit.

Veränderung der Kitalandschaft: Das steht in dem Entwurf Beitragsfreiheit in NRW im Entwurf auf der Kippe Die für Eltern bedeutsamsten Pläne stehen in dem ersten Entwurf unter Eckpunkt sieben. Er sieht die &bdquo;Bedarfsgerechte Steuerung von wöchentlichen Betreuungszeiten“ vor. Heißt: Die buchbaren wöchentlichen Betreuungsstunden sollen verändert werden. Künftig sollen Eltern Zeiten in Fünf-Stunden-Schritten buchen können, also 25 Stunden, 30 Stunden, 35 Stunden und so fortgeführt.

Ab 35 Stunden aber wird, wenn es so kommt, wie die Pläne es vorsehen, die Beitragsfreiheit in NRW beendet. So heißt es hier: &bdquo;Auch in beitragsfreien Kindergartenjahren werden die Kommunen ermächtigt, für eine über 35-Stunden/Woche hinausgehende Betreuung moderate Beiträge im Rahmen der Leistungsfähigkeit der Eltern zu erheben.“ So werde verhindert, dass Eltern Maximalbuchungen vornähmen, die ohne bestehenden Bedarf erfolgen, &bdquo;lediglich, weil sie kostenlos sind.“

Auf Anfrage zu dem Eckpunktepapier gibt eine Sprecherin des Familienministeriums an, keine Kenntnis von dem Dokument zu haben. Man arbeite derzeit aber tatsächlich an einer umfassenden Reform des Kibiz. &bdquo;Wir führen derzeit Gespräche mit den Beteiligten, wie diese Ziele bestmöglich erreicht werden können. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.“ Eine Erhebung von Beiträgen für Eltern mit Betreuungszeiten ab 35 Stunden auch in den beiden beitragsfreien Jahren schließe die Landesregierung aus.

Neues Kern- und Randzeitenmodell mit und ohne Fachkräfte Doch nicht nur um Beiträge geht es in der Vereinbarung, auch das Betreuungsmodell spielt eine zentrale Rolle. So ist in dem Dokument künftig ein Kern- und Randzeitenmodell vorgesehen. Fachkräfte sollen dann nur noch auf die &bdquo;bildungsorientierten Kernzeiten“ konzentriert werden. Wer die Betreuung in den Randstunden leisten wird, bleibt im Entwurf vage.

Hier heißt es lediglich, dass der &bdquo;Personaleinsatz in den von Hol- und Bringzeiten geprägten Randzeiten flexibilisiert“ werde. Im Gegensatz zu der Umsetzung der im Dezember geänderten Personalverordnung sollen Träger nun verpflichtet werden, dieses Betreuungsmodell innerhalb von fünf Jahren zu etablieren. &bdquo;Gesetzlich vorgegeben wird eine Mindestkernzeit von 25 Stunden pro Woche sowie Mindestvoraussetzungen bezüglich des in der Randzeit eingesetzten Personals.“

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Wie viele Kinder in den künftig nicht mehr durch Fachkräfte begleiteten Randstunden gemeinsam betreut werden könnten, bleibt vage. So heißt es in der Vereinbarung lediglich: &bdquo;Auch die Gruppenbildung in der Randzeit wird flexibilisiert.“

Vereinfachung der Berichtspflichten Genau angeschaut werden muss auch Eckpunkt fünf: Vereinfachung der Berichts- und Dokumentationspflichten. Hier heißt es: &bdquo;Alle bestehenden Berichts- und Dokumentationspflichten sowie Antrags-, Nachweis- und Prüfverfahren werden einem gemeinsamen kritischen Überprüfungsprozess mit dem Ziel der spürbaren Entbürokratisierung, Vereinheitlichung und dem Abbau von Standards unterzogen.“

Hier muss die Frage gestellt werden, ob künftig auch Paragraf 47 von den Maßnahmen der Vereinfachung betroffen ist. Ihm zufolge ist das Personal der Kitas verpflichtet, besondere Vorkommnisse zu melden und zu berichten, die geeignet sind, das Wohl von Kindern zu beeinträchtigen – so auch, wenn etwa zu wenig Personal vor Ort ist, um der Aufsichtspflicht nachzukommen.

Finanzierung Auch in Sachen Finanzierung sieht die Vereinbarung wichtige Änderungen vor. So soll die praxisintegrierte Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern künftig mit höheren Fördersätzen unterstützt werden. Zudem sollen jährlich 105 Millionen Euro aus dem Kinderbildungsgesetz zur Qualifizierung von Kita-Personal genutzt werden.

Außerdem will das Land aus Haushaltsmitteln sowie aus dem Sondervermögen &bdquo;Infrastruktur“ in den kommenden Jahren 1,5 Milliarden Euro für Kita-Investitionen bereitstellen. Aufgrund der &bdquo;akuten Unterfinanzierung im Bereich der Sachkosten“ will das Land zudem den Sachkostenanteil für drei Jahre um 200 Millionen Euro erhöhen.

Kindpauschalen Schlechte Nachrichten für die Träger verkündet Eckpunkt zwölf: Hier heißt es, dass die Kindpauschalen auf ihrem bisherigen Niveau verbleiben werden. In zahlreichen Brandbriefen haben Träger aus ganz NRW in den vergangenen Jahren aber immer wieder betont, dass die Pauschalen längst nicht ausreichen.

Lockerungen zuletzt im Dezember – auch jetzt massive Kritik Noch sind die Pläne nicht Realität. Welche Eckpunkte tatsächlich kommen werden, ist noch unklar. Doch was Kita-Reformen in NRW bedeuten können, demonstrierte das Land zuletzt im Dezember 2024. Hier wurden die Personalvorgaben in den Kitas massiv gelockert. Seitdem darf in Notfällen in NRW nur eine einzige Fachkraft mithilfe von Ergänzungskräften 60 Kinder betreuen. Eine Herabsetzung von Qualitätsstandards, die lauten Protest hervorrief – den Maßnahmen der nun geplanten Reform aber in die Karten spielt.

Massive Kritik an den Plänen kommt aus den Reihen von Verdi und Kinderschutzbund. &bdquo;Unter dem Deckmantel einer Flexibilisierung sollen die bisherigen Standards auf eine minimalistische Kernzeit von 25 Stunden runtergeschraubt werden“, sagt die Vorsitzende des Kinderschutzbundes NRW, Gaby Flößer. &bdquo;Dieses 25-Stunden-Kernzeit-Modell ist ein Rückfall in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Das ist mit dem Kindeswohl und der Förderung der Jüngsten nicht vereinbar.“

Gabriele Schmidt, Verdi-Landesbezirksleiterin moniert: &bdquo;Wenn die Pläne Realität werden, ist das ein Schlag in das Gesicht von allen Beschäftigten in den Kitas. Das hat dann auch mit Kinderförderung nichts mehr zu tun – geschweige denn mit Verlässlichkeit oder Stabilität, wie angepriesen.“

Bielefelds Sozialdezernent und Oberbürgermeisterkandidat Ingo Nürnberger hält die Idee, Kommunen neue Beiträge für 45-Stunden-Plätze erheben zu lassen, für &bdquo;absurd. Da schöbe man wieder mal den Städten den schwarzen Peter zu.“ Die Maßnahme als solche führe dazu, dass reiche Kommunen mit besser situierten Eltern grundsätzlich niedrigere Gebühren erheben könnten, ärmere Städte mit schlechter situierten Eltern dagegen höhere. &bdquo;Das wäre sozialpolitischer Mist.“

Detlef Müller, Geschäftsführer der katholischen Kitas im Hochstift und Minden-Ravensberg-Lippe, einem der größten Kita-Träger der Region, hört sich die Pläne kopfschüttelnd an. &bdquo;Da stellen sich mir allein bei der Personalplanung so viele Fragen. Wie soll ich denn dann die Vollzeitkräfte vernünftig einteilen, wenn die nur noch 25 Kernstunden pro Woche haben?“ Auch für die Kinder seien die Pläne eine Katastrophe. &bdquo;Dann haben wir endgültig nur noch Bällebad wie bei Ikea: Bespaßung und Aufpassen, dass keinem was passiert.“

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