In der Luft mit Paderborns Lufthansa-Nachfolger Skyhub PAD: Mit Mut und Merz nach München

Paderborn/München. Auch Paris ist von Paderborn jetzt nur einen Umstieg entfernt. Das freut Peter Wagener. Der Bielefelder sitzt um 6.50 Uhr in Reihe 11 am Fenster der brummenden ATR 72, mit Blick auf den linken Propeller. Er hat sich eingerichtet für die nächsten 80 Minuten – Kopfhörer im Ohr, Handy und Notizbuch auf dem Klapptisch vor sich. Wagener muss zu einem Kongress nach Paris. Mit der neuen Airline Skyhub PAD fliegt er nach München und mit der Lufthansa weiter an die Seine.

Die Luftfahrtbranche und viele Menschen in OWL fragen sich, ob das Skyhub-Experiment gelingt. Bislang unbekannte Zahlen verraten, wie groß der Druck ist, und wie das Modell zum Erfolg werden kann.

Für Kunden wie Wagener hat Christoph Plass im letzten dreiviertel Jahr viel Freizeit geopfert. Der Chef der Bürener Unternehmensberatung Unity hat neben seinem Hauptjob die Fäden zusammengehalten, damit ein deutschlandweit einmaliges Projekt entstehen kann: Unternehmen sammeln Geld, Knowhow - und gründen mit Skyhub eine Airline, die Paderborn ans internationale Lufthansa-Netz anbindet. Sie fliegt seit dem 1. September.

Lufthansa erkennt die Nachfrage, aber auch ein Kostenproblem Einen Tag nach Peter Wageners Flug nach Paris, steht Plass in Delbrück auf der Bühne der Stadthalle. Vor ihm rund 400 Menschen beim Unternehmertag - viele davon mit viel Geld. Plass erklärt ihnen, wie es zu Skyhub kam, wie ihn Landrat Christoph Rüther im Oktober 2024 in Japan erreichte, als klar wurde, dass die Lufthansa Paderborn verlässt, wie sich Mittelständler fanden, die nicht wollten, dass die Region abgehängt wird und wie sich die Lufthansa zunächst geziert hat, das Vorhaben ernst zu nehmen.

Überhaupt, die Lufthansa. Deutschlands Airline Nummer eins ließ Paderborn aus Kostengründen im Mai endgültig fallen. Nach NW-Informationen sollen ihre Manager von einem jährlichen Fünf-Millionen-Euro-Verlust auf der Paderborn-München-Strecke gesprochen haben. Plass verrät in Delbrück, Paderborn habe für die Lufthansa in München &bdquo;zu den fünf schlechtesten Linien“ gezählt. So wurde es ihm gesagt. Doch 104.000 Passagiere nutzten sie 2024. Nachfrage ist also da. Unternehmensberater Plass, auch Vizepräsident der IHK in Bielefeld, erkennt &bdquo;ein Kostenproblem“.

Wie Skyhub PAD mit Kosten umgeht, erlebt Peter Wagener an Bord. Die Sitze in der ATR sind bequem, das Flugzeug, Baujahr 2018, hat eine moderne und saubere Kabine. Beim Bordservice gibt es aber nur Wasser, Kaffee und Tee sowie eine kleine Scheibe Marmorkuchen. Größter Sparfaktor ist jedoch das 70-sitzige Flugzeug selbst. Die Propellermotoren verbrauchen weniger als die Hälfte des Kerosins im Vergleich zu den kleinsten Lufthansajets mit 90 Sitzen.

Welche Rollen Merz und Linnemann spielen Ihren Zweck erfüllt auch eine Turbopropmaschine und ist nur ein paar Minuten langsamer als ein Jet. Nach Einchecken um 6.40 Uhr und Abheben um 7.02 Uhr kann Wagener mit allen anderen gegen 8.20 Uhr in München aus dem Flieger steigen. Ein Bus bringt die Passagiere zum Terminal 2, Ankunft dort 8.28 Uhr. Wagener erwischt seinen Anschlussflug um 9.45 Uhr. So soll es sein.

Christoph Plass und die anderen Skyhub-Macher wie Landrat Rüther, Airportchef Roland Hüser und Skyhub-Geschäftsführer Klaus Marx, haben hart dafür gekämpft, dass ihr Flieger in München zum Terminal 2 rollt. Dort starten die Lufthansa-Connections, viele wichtige Verbindungen für Businesskunden. Plass erzählt auf der Delbrücker Bühne, wie es dazu kam, dass die aufmüpfigen Paderborner irgendwann beim Kranich-Konzern ernst genommen werden, um so etwas zu erreichen. Dabei fällt der Name Merz.

Als der Bundeskanzler zu Jahresbeginn noch Olaf Scholz heißt, wirbt nicht nur der Paderborner CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bei der Lufthansa für seinen Heimat-Airport, sondern er spannt auch Parteichef Friedrich Merz ein. Dessen Wahlkreis ist der Hochsauerlandkreis und der HSK ist mit 3,92 Prozent am Flughafen beteiligt. Merz und Linnemann führen Gespräche mit dem Lufthansa-Vorstand. Auch Boss Carsten Spohr weiß nun von den Paderborner Plänen. Immerhin würde eine neue Linie weiter Passagiere für die LH-Jets in München ausspucken. Und das fast ohne Risiko für den Konzern. Irgendwann nach diesen Gesprächen, sagt Plass, &bdquo;haben wir gespürt, dass es vorangeht“.

Die Skyhub-Kalkulation ist spitz gerechnet Seine Truppe verfolgt schon damals einen klaren Plan, hat viel Hoffnung und ein Netzwerk. Das führt sie im Frühjahr nach Dänemark. In Kolding trifft sie auf Familie Rungholm, Eigner der Airline DAT. Zu deren Flotte zählen günstige Turbopropmaschinen, auf die Skyhub scharf ist. Es kommt zur Einigung, weil die Ostwestfalen überzeugen - und weil genug Geld da ist.

In Delbrück lässt Plass jetzt Einblicke in die Kalkulation zu: 700.000 Euro verlangt DAT als Sicherheit. Die Leasingkosten für Flugzeug, Besatzung, Wartung und Versicherung belaufen sich monatlich fast auf die gleiche Summe. Treibstoff, Flughafengebühren, Catering sowie Streckengebühren kommen noch dazu. Plass nennt 1,1 Millionen Euro als monatliche Kosten, 13,2 Millionen im Jahr.

Weil in der Luftfahrt immer vorfinanziert wird, hängt zu Beginn alles an den Gesellschaftern, die Geld geben, um an den Start zu kommen. Aktuell sind von 59 Gebern 2,25 Millionen Euro zusammengekommen. Schon bald, soviel ist klar, müssen Ticketverkäufe und Zusatzeinnahmen die Kosten decken. Ticketpreise und -kontingente kalkuliert für DAT und Skyhub ein Profi-Büro in Kaunas. Das Ziel: Immer den höchsten Ertrag aus einem Sitz zu ziehen. Die Airline rechnet so: Werden 45.000 Tickets an Passagiere verkauft, die nur nach München oder Paderborn möchten (Preis ab 149 Euro, buchbar auf dieser Seite ) plus 45.000 Tickets für internationale LH-Flüge ab oder nach Paderborn (buchbar über Lufthansa und Buchungsportale), kommen 13,5 Millionen Euro zusammen. Soweit die Theorie.

Reisen von Paderborn in die Welt sind über das Lufthansa-Netz möglich In der Praxis sind die dafür notwendigen Zahlen noch nicht erreicht, das gibt auch Skyhub-Sprecher Matthias Hack zu. Er sagt aber: &bdquo;Wir erkennen eine gute Entwicklung.“ Plass gibt in Delbrück die Zielmarke für den Erfolg vor: &bdquo;Wir müssen in den nächsten vier bis sechs Wochen zeigen, dass wir es hinkriegen.“ Dafür werden gerade viele Klinken geputzt. Urlauber, Reisebüros und Firmen sollen wissen, dass die Verbindung existiert, dass das Lufthansa-Netz angebunden ist und Koffer bis zum Ziel durchgecheckt werden, wenn Flüge in Paderborn beginnen. &bdquo;Der Ostwestfale will eben erstmal sehen, ob das alles klappt, was wir versprechen“, schmunzelt Hack. Die ersten Betriebswochen bewiesen nun täglich die Zuverlässigkeit des Angebots.

Aus München ist derweil zu hören, dass neue Entwicklungen innerhalb der Lufthansa den Paderbornern bald in die Karten spielen könnten. Offenbar stehen kurzfristig weitere Streichungen von innerdeutschen Strecken bevor. Sollte sich auch der Airport Münster/Osnabrück darunter befinden, könnte Skyhub PAD mächtig profitieren.

Gelungener Start für Skyhub PAD: Lufthansa-Nachfolger verbindet Paderborn wieder mit München

Möglicherweise kommt es aber auch zur Ausweitung der Skyhub-Idee auf andere Flughäfen. &bdquo;Wir sind bereit für ein Franchise-Modell“, sagt Plass. Die Regionen müssten jedoch für die Finanzierung sorgen. Nach NW-Informationen haben Skyhub-Vertreter ihr Konzept etwa schon in Leipzig vorgestellt, wo sich die Lufthansa ebenfalls zurückgezogen hat. Thomas Kube, am Münchener Flughafen als Vizepräsident für Verkehrsentwicklung zuständig, bestätigt, dass sich auch die Airports aus Friedrichshafen und Innsbruck nach dem Modell erkundigt hätten. &bdquo;Paderborn ist bislang die einzige Initiative, die solch ein Projekt mit Anbindung an die Lufthansa wirklich an den Start gebracht hat. Das spricht sich rum“, sagt der Fachmann voller Anerkennung.

Plass wirbt um weitere Beteiligung aus der OWL-Wirtschaft Von München aus soll Alexander Schroll, einst selbst beim bayerischen Airport beschäftigt und auch mal Chef des spanischen Flughafens Castellón, für Skyhub Fluggäste und Geld herbeischaffen. Er klappere eine Top-Ten-Liste mit Firmen ab, die in OWL Geschäfte machen und suche zudem Kooperationspartner, sagt er.

Einer soll Fußball-Drittligist 1860 München werden. Die &bdquo;Löwen“ sollen für sechs Auswärtsspiele den Skyhub-PAD-Flieger nutzen. Gegenleistung wären Werbeflächen im Grünwalder Stadion.

Wer sich beteiligen will, so wirbt Plass um die Unternehmer in Delbrück, kann entweder einen fünf- oder sechsstelligen Betrag geben, um Gesellschafter zu werden, eine Werbefläche buchen oder ein Ticketkontingent abnehmen. Aktuell, so der Skyhub-Beiratschef, liefen dazu auch Gespräche &bdquo;mit großen Familienunternehmen in Ostwestfalen“.

Die Paderborner setzen alles daran, ihre Botschaft zu verbreiten. Das Ziel ist klar: Es müssen Tickets verkauft werden. Sprecher Matthias Hack sagt: &bdquo;Wir wollen das Projekt mit aller Macht zum Erfolg führen.“ Damit Peter Wagener und viele andere auch künftig Urlaubs- und Geschäftsreisen in Paderborn mit Skyhub PAD starten können.

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