Militär, Sicherheit, Drohnen: Hinter den Kulissen einer diskreten Firma im Kreis Paderborn

Lichtenau. Wer hier rein will, muss erstmal an der Wache vorbei. So nennen sie bei der IABG an der B68 zwischen Lichtenau und Kleinenberg das Pförtnergebäude hinter der Schranke. Anmeldung, Datenabgleich, Sicherheitscheckliste, Warnweste und Namensschild sind für Besucher nötig. Klingt nach Kaserne, ist aber keine. Die IABG ist ein Unternehmen. Trotzdem geht es hinter Zaun und Wachtor so diskret zu wie beim Militär. Die Neue Westfälische durfte trotzdem rein und sehen, wie hier für die Sicherheit von Fahrzeugen, Flugzeugen, Gebäuden und vor allem von Menschen gearbeitet wird. Im Fokus auch: die Drohnenabwehr.

Roger Schäfer ist kein Geheimagent, er ist Maschinenbauingenieur, Fachrichtung Luft- und Raumfahrt. Ein schlanker und freundlicher Mann. Der 52-jährige Paderborner ist für die IABG der Standortleiter in Lichtenau, im &bdquo;Kompetenzzentrum Schutz“. IABG steht für Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft. 50 Menschen arbeiten hier auf dem früheren Gutshof und umliegenden Ländereien. Vom Land NRW sind 170 Hektar gepachtet, dreieinhalb Mal die Fläche der Vatikanstadt in Rom.

Was hier passiert, ist meist nicht für die Augen der Öffentlichkeit gedacht. Die IABG-Crew testet für Auftraggeber aus Industrie und Behörden die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Flugzeugteilen, Fahrzeugen, Autobatterien, Fassaden oder einzelnen Materialien. Lichtenau ist ein wichtiges Testgelände der Firma mit Stammsitz im bayerischen Ottobrunn, die mit Gründung 1961 dem Bund gehörte und seit 1993 in Privatbesitz ist. Erst wenn von hier ein Okay kommt, gehen Teile in die Produktion oder starten Staaten mit Beschaffungen. Die Fachleute der IABG sind häufig auch Berater: Sie unterstützen etwa Ministerien und Bundesämter bei Ausschreibungen, formulieren technische Anforderungen oder erstellen Studien.

Projektil rast in Lichtenau mit Tempo 320 durch die Scheibe

An diesem sonnigen Tag Ende September ist gerade ein Kunde aus Südeuropa zu Gast. Es geht um Glasscheiben für Schnellzüge. Der Mann ist voll des Lobes über die IABG und ihre Arbeit. &bdquo;Hoch professionell“, sagt er, seien sie hier. Gerade sind seine Testläufe im Gange, acht Scheiben hat der Mann mitgebracht, die in mehreren Stufen über zwei Tage ein Prüfverfahren durchlaufen.

Maschinenbauer Philipp Eickhoff aus Borchen leitet die Tests. Im Zentrum steht der Beschuss des Glases mit einem ein Kilogramm schweren Alu-Klotz - Projektil genannt. Durch ein 18 Meter langes Rohr wird es per Druckluft auf 320 km/h beschleunigt und rast in die Scheibe. Hochgeschwindigkeitskameras nehmen Aufprall und Verhalten der Glasscheibe auf. Simuliert werden soll damit ein Steinschlag, während sich zwei fahrende Züge begegnen. Auch Flugzeugcockpits, Triebwerksteile und Tragflächenelemente werden hier malträtiert, alles im Auftrag der Sicherheit. &bdquo;Es gibt immer wieder Änderungen an Materialien oder Modellen, die neue Tests nötig machen“, erklärt Schäfer sein Geschäft.

Ein wachsender Markt ist in den vergangenen Jahren die Überprüfung von Batterien samt zugehöriger Steuertechnik für die E-Mobilität. Aufpralle werden simuliert, Hitzeentwicklungen, Kälte und unsachgemäße Nutzung. Die Anlagen in diesem Feld sollen vor Ort noch ausgebaut werden.

Kunden aus Luftfahrt und Autoindustrie

Am Ende des Auftrags hofft jeder Kunde auf eines: die Bescheinigung der IABG, dass sich das Testobjekt so verhält, wie internationale Industrie-Vorschriften es verlangen oder der Kunde es von seinem Produkt erwartet. &bdquo;Unser Nachweis ist wichtig für die Kunden“, sagt Schäfer, der immer wieder Firmenvertreter aus aller Welt in Lichtenau empfängt. &bdquo;Die Prüfung eines Teils ist für Unternehmen ein entscheidender Schritt in der Entwicklung, daher sind an den Testtagen auch oft Kunden vor Ort.“ Die IABG mit ihren rund 1.200 Mitarbeitern ist anerkannt in Industriekreisen. Für 2023 wies sie als Umsatz 203 Millionen Euro aus, 2024 waren es rund 235 Millionen Euro.

Namen seiner Kunden in Lichtenau will Schäfer nicht nennen. Klar ist, bekannte Unternehmen aus der weltweiten Luftfahrtindustrie, namhafte Autobauer, aber auch viele Zulieferer schicken Teile oder komplette Anlagen nach Lichtenau, um sie hier prüfen zu lassen. Am Standort gibt es Standardprüfverfahren, aber mitunter muss auch getüftelt werden, um einen zulässigen Test zu entwickeln. So war es etwa, als ein Flugzeugbauer eine Verladetür unter Druckluft prüfen lassen wollte. Die Flugzeugtür kam zur IABG, Ingenieure und Techniker schufen einen Raum drumherum, und nach Monaten der Vorbereitung wurde es ernst. Ergebnis: Die Tür hält. Der Versuchsaufbau steht heute noch auf dem Gelände.

Ein besonderes Prüfverfahren entwickelten die Lichtenauer nach dem Concorde-Unglück in Paris mit 113 Toten im Jahr 2000. Es stellt den Aufprall von Reifenteilen auf Flugzeugstrukturen nach. &bdquo;Das ist heute in der Branche ein zulassungsrelevanter Test“, sagt Schäfer stolz. So wie Tests von Vogelschlag im Luftverkehr. Dafür werden übrigens keine echten Tiere, sondern Gummivögel aus Gelatine genutzt, sagt der Standortleiter beim Rundgang.

Militärs verschiedener Staaten vertrauen auf IABG in Lichtenau

Aus der Entfernung ist dann über das Gelände ein lauter Knall zu hören. Warntöne schallen herüber. Das weitläufige Areal bietet auch Vorrichtungen, die Sprengfallen nachstellen. &bdquo;Wir können prüfen, ob Insassen von Fahrzeugen Anschläge überleben“, sagt Schäfer. Nachgestellt werden Sprengstoffattacken oder Minendetonationen. Dummys, wie beim Autocrashtest, werden eingesetzt und ihre Sensoren lassen die Fachleute erkennen, wie ein menschlicher Körper im geschützten Fahrzeug reagiert. Armeen verschiedener Nationen setzen auf solche Expertise aus Lichtenau, bevor sie schweres Gerät kaufen.

Es geht aber nicht nur um Militärfahrzeuge. &bdquo;Getestet werden auch gepanzerte Autos, die für Hilfsorganisationen in Krisengebieten zum Einsatz kommen sollen“, sagt Schäfer. &bdquo;Da gibt es wahnsinnig hohen Bedarf.“

Besonders gefragt ist aber auch ein anderes Testfeld: die Abwehr von Drohnen. &bdquo;Das machen wir schon seit zehn Jahren. Damals ging es um den Schutz von Großveranstaltungen. Wir haben auf unserem Gelände eine eigene Einrichtung, die fürs Jamming ausgestattet ist. Die haben wir mitentwickelt.“ Per &bdquo;Jamming“ können Funksignal die Kommunikation zwischen einer Drohne und ihrem Piloten stören oder blockieren. Schäfer verrät: &bdquo;Ein Zwilling unserer Anlage ist auch mobil im Einsatz, um Veranstaltungen oder Einrichtungen zu schützen.“ Auch die Kollision von Drohnen mit Flugzeugen ist in Lichtenau schon nachgestellt worden.

Während das leise Surren ungebetener Drohnen in Westeuropa - wie jüngst am Münchener Airport - immer wieder Alarm auslöst, arbeiten sie hinter der Wache von Lichtenau still und beharrlich daran, dass aus dem Störgeräusch keine Katastrophe wird.

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Hinter den Kulissen der IABG in Lichtenau

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