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Games-Kritik

„She’s Leaving“ im Test: Überzeugender Indie-Horror, aber leider schwaches Gameplay

„She’s Leaving“ ist ein frisches Survival-Horror-Erlebnis, das am 9. Dezember 2025 für PlayStation 5 und Xbox Series X/S erschienen ist und bereits seit dem 2. Dezember für PC zur Verfügung steht. Entwickelt von einem winzigen Team aus nur zwei Personen, versetzt uns das Spiel in die Rolle eines forensischen Ermittlers, der ein verlassenes Anwesen erkundet, um Spuren eines Serienmörders zu sichern.

Die Atmosphäre eines sturmgepeitschten Herrenhauses, inspiriert von realen forensischen Techniken, verspricht eine Mischung aus psychologischer Spannung und Puzzle-Lösungen, die an Klassiker wie „Resident Evil“ erinnert, aber mit einem einzigartigen Twist.

Das zentrale Setting ist das Haywood-Anwesen, ein labyrinthartiges Gebäude voller verstaubter Räume, unheimlicher Mannequins und blutiger Spuren, die durch UV-Licht sichtbar werden. Der Protagonist Charles Dalton kommuniziert per Funk mit einer Einsatzleiterin, während ein maskierter Killer durch die Gänge streift und mit unheimlichem Gemurmel für Druck sorgt.

Das Spiel will keine billigen Jump Scares nutzen, sondern auf subtile Bedrohung und moralische Grauzonen setzen – eine Herangehensweise, die von Serien wie „True Detective“ geprägt ist. Mit einem Preis von 10 bis 15 Euro positioniert sich „She’s Leaving“ als kompakter Indie-Titel, der in zwei bis sechs Stunden durchspielbar ist.

Trotz des geringen Budgets beeindruckt die technische Umsetzung: Vollständiges Voice-Acting, detaillierte Beleuchtung und immersive Audio-Designs schaffen eine dichte Stimmung, die größer wirkende Studios neidisch machen könnte. Das Spiel greift reale forensische Methoden auf, um die Handlung voranzutreiben, und lädt ein, Theorien über Obsession, Schuld und Wahrheitssuche zu bilden – ohne alles vorzukauen.

Worum geht’s in „She’s Leaving“?

Charles Dalton könnte auch Sänger in einer Gothic-Band sein, hat sich aber für den Beruf des Forensikers entschieden. - © Blue Hat Studio
Charles Dalton könnte auch Sänger in einer Gothic-Band sein, hat sich aber für den Beruf des Forensikers entschieden. (© Blue Hat Studio)

In „She’s Leaving“ schlüpft man in die Haut von Charles Dalton, einem britischen Forensik-Experten, der das verlassene Haywood-Anwesen infiltriert, um Beweise gegen einen Serienmörder zu sammeln. Ausgestattet mit einem vielseitigen Taser – der als Waffe, UV-Lampe und Türöffner dient –, navigiert man durch dunkle Korridore, scannt Blutspuren und entschlüsselt Rätsel mit Schlüsseln und Safekombinationen.

Uns verfolgt jedoch unermüdlich ein maskierter Unhold, der in einer fremden Sprache vor sich hin murmelt und ständige Paranoia erzeugt, während Funkgespräche mit der Partnerin die isolierte Atmosphäre zusätzlich verstärken.

Die Handlung entfaltet sich organisch durch die Umwelterzählung und dreht sich um Themen wie Obsession und die Konsequenzen der Wahrheitssuche in moralischen Grauzonen.

Was hat uns gefallen?

Risse in der Wand, ein Handabdruck, ein Kreuz (immerhin hängt es richtig herum) und wählerische Elektrizität (die Stehlampe ist aus, aber die rote Leuchtstoffröhre brennt wie eine Wucht), solche Orte begehen wir in dem Spiel. - © Blue Hat Studio
Risse in der Wand, ein Handabdruck, ein Kreuz (immerhin hängt es richtig herum) und wählerische Elektrizität (die Stehlampe ist aus, aber die rote Leuchtstoffröhre brennt wie eine Wucht), solche Orte begehen wir in dem Spiel. (© Blue Hat Studio)

Die größte Stärke von „She’s Leaving“ liegt in der atemberaubenden Atmosphäre, die trotz kleinstem Budget eine Immersion schafft, die viele AAA-Titel vermissen lassen. Das Haywood-Anwesen fühlt sich lebendig an: Die regnerische Nachtkulisse, flackernde Lichter, die gespenstischen Mannequins, das Sounddesign mit knarrenden Türen und dem unheilvollen Gemurmel des Killers, all das erzeugt eine greifbare Klaustrophobie, die unter die Haut geht. Besonders beeindruckend ist das Audio auf der PS5, wo die Killer-Geräusche direkt über den DualSense-Speaker vibrieren und ordentlich Adrenalin pumpen – ein Trick, der Spannung ohne visuelle Gimmicks erzeugt.

Darüber hinaus glänzt das innovative Forensik-System als echtes Alleinstellungsmerkmal, das reale Blutspritzer-Analyse einbindet und die Story vorantreibt. Endlich dürfen wir selbst „Dexter“ sein, ohne gleich zum Mörder zu werden (Kodex hin oder her). Man kategorisiert Tropfen nach Winkel und Umgebung, um Rekonstruktionen zu ermöglichen – falsch analysiert, löst es einen Gehirnnebel aus, der Tempo und Reaktion drosselt und thematisch perfekt zu Charles’ psychischer Belastung passt.

Blutspritzer müssen genau analysiert werden, um die mysteriöse Mordserie aufzuklären. Wenn wir die falschen Schlüsse ziehen, schädigen wir uns selbst mit einem Gehirnnebel. - © Blue Hat Studio
Blutspritzer müssen genau analysiert werden, um die mysteriöse Mordserie aufzuklären. Wenn wir die falschen Schlüsse ziehen, schädigen wir uns selbst mit einem Gehirnnebel. (© Blue Hat Studio)

Diese Mechanik fühlt sich authentisch an, lehrt echtes Wissen und hebt das Spiel von Standard-Horrorspielen ab, indem sie Ermittlung zu einem spannenden Puzzle macht, das Neugier weckt und fördert. Und was wir auch sehr schätzen: Es gibt tatsächlich keine Jump Scares! Stattdessen hängt über dem ganzen Spiel eine subtile Bedrohung durch den hörbaren, aber nicht übermächtigen Killer, der wie ein unaufhaltsamer Handwerker durch die Gänge stapft – creepy und erfrischend anders. Ein atmosphärischer Genuss, der beweist, dass Vision mehr zählt als Budget.

Was hat uns nicht gefallen?

Oh, oh, der Killer dreht sich gerade um. Entweder: Beine in die Hand nehmen oder mit dem Taser niederstrecken und dann die Beine in die Hand nehmen. - © Blue Hat Studio
Oh, oh, der Killer dreht sich gerade um. Entweder: Beine in die Hand nehmen oder mit dem Taser niederstrecken und dann die Beine in die Hand nehmen. (© Blue Hat Studio)

Leider versagt „She’s Leaving“ genau dort, wo es glänzen könnte: im Gameplay-Kern, der zu repetitiv und uninspiriert gerät. Der Großteil der zwei bis sechs Stunden dreht sich um langweilige Aufgaben wie Schlüssel sammeln, Türen öffnen und Kombinationen knacken – ein Relikt alter Horror-Spiele, das hier ohne Abwechslung frustriert und uns zwingt, Bereiche wieder und wieder zu besuchen, ohne das Anwesen wirklich räumlich nutzbar zu machen. Die Forensik-Mechanik, das Highlight, taucht sporadisch auf und wird leider nie ausgebaut; stattdessen dominiert eine stumpfe Erkundung, die nach einer Stunde das Tempo killt.

Besonders enttäuschend ist der Killer: Seine Idee als ständige Bedrohung scheitert daran, das er einfach ziemlich vorhersehbar patrouilliert, ohne Entwicklung – keine Fallen, keine neuen Taktiken oder irgendeine Art von Eskalation. Man brizzelt ihn mit dem Taser nieder (Batterien sind überall verfügbar), sprintet davon und wiederholt das bis zum Überdruss; echte Gefahr fehlt, sobald man den Rhythmus durchschaut hat.

Der Taser ist zu mächtig, ein Ressourcen-Management nicht wirklich vorhanden, was die anfängliche Angst in Routine kippen lässt. Die Kürze des Spiels wirkt obendrein wie Unvollständigkeit – Trophäen für das Durchspielen des Horror-Titels in unter einer Stunde signalisieren kaum Reiz für ein erneutes Spielen, und fehlende Tiefe lässt einfach viel Potenzial brachliegen. Blue Hat Studio zeigt Talent, aber das hier ist Gimmick-Horror, der Ambition vermisst.

Unser Fazit zu „She’s Leaving“

„She’s Leaving“ ist ein solider, aber enttäuschender Indie-Versuch, der mit Atmosphäre und Forensik-Idee punktet, doch durch repetitive Mechaniken und lahmen Killer seine eigenen Versprechen bricht. Für Horror-Fans ein kurzer, stimmungsvoller Snack zum Schnäppchenpreis, aber kein Meilenstein, der das Genre vorantreibt.

Blue Hat Studio sollte ambitionierter werden; das Potenzial für Größeres ist evident, doch hier bleibt’s bei nettem Teaser.

„She’s Leaving“ ist seit dem 2. Dezember 2025 für PC und seit dem 9. Dezember 2025 für PS5 und Xbox Series X|S erhältlich. Das Spiel kostet für den PC rund 10 Euro, für die Playstation 15 Euro und für die Xbox 17 Euro. Das Spiel ist ab 18 Jahren freigegeben.

Transparenzhinweis: Für den Test wurde uns vom Publisher ein kostenloser Review-Code zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Wertung. Wir haben das Spiel auf der Playstation 5 Pro getestet.

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