Geht Lippes größtem Sportverein in der Pandemie die Puste aus?

Lemgo. 32 Großsportvereine in NRW schlagen Alarm. Darunter auch der TV Lemgo, Lippes größter Sportverein. Die über 3000-Mitglieder-Klubs haben ein Fünf-Punkte-Konzeptpapier unterzeichnet, mit dem sie auf die existenzbedrohenden Folgen der Corona-Pandemie für Großvereine mit eigenen Sportanlagen und Arbeitgeber-Verantwortung aufmerksam machen.

Die Fakten. Im vergangenen Herbst, vor dem zweiten Lockdown, hat der Landessportbund (LSB) eine Umfrage unter 18.000 Vereinen gestartet. Das Fazit klang positiv: &bdquo;Zwei von drei Vereinen spüren keine Existenznöte", vermeldete der LSB. Bei den Großsportvereinen liest sich die Bilanz inzwischen ganz anders. Von 166.644 am 1. Januar 2020 ist der Mitgliederbestand am 1. Januar 2021 auf 147.406 eingebrochen. Das sind knapp 20.000 Mitglieder oder 11,54 Prozent weniger und steht deutlich im Gegensatz zum landesweiten Rückgang von 3 Prozent. Konkret ist die Mitgliederzahl beim TV Lemgo von März 2020 bis März 2021 von 3350 auf 2950 gesunken.

Die Forderungen. Da die Gefahr einer Erosion der über Jahrzehnte aufgebauten Großsportvereinsstrukturen überall greifbar sei, fordern die &bdquo;big Player" im NRW-Sport fünf zielgerichtete Zuschussprogramme für innovative und nachhaltige Sportentwicklung in NRW. Mit einem Sonderprogramm für Investitionen in neue Outdoorsportangebote sollen auch typische Hallen-Angebote nach draußen gebracht werden. Außerdem wünschen sich die Klubs für vereinseigene Sportanlagen pro Quadratmeter einen Betriebskostenzuschuss aus Landesmitteln sowie Zuschüsse für Neueintritte in 2021. Von elementarer Bedeutung sei auch eine Bezuschussung pro sozialversicherungspflichtigen Trainer*in, die sich auch an den Einsatzstunden im Verein bemessen muss. Punkt fünf regt die Auflage von Forschungsprogrammen an, die die Wirksamkeit des Sports auf das Immunsystem und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft oder die Reaktionen der Sportler auf eine Corona-Erkrankung beleuchten. Auch eine Analyse, ob Sport ein Infektionsherd ist, könne langfristig helfen.

Das sind die größten Probleme beim TV Lemgo. &bdquo;Eine gewisse Zahl an Kündigungen ist normal. Doch gibt es in der Pandemie keine neuen Mitglieder mehr. Uns fehlen aktuell zirka 350 Eintritte", sagt TV-Geschäftsführer Patrick Busse, der Mindereinnahmen gegenüber 2019 im mittleren sechsstelligen Bereich erwartet. &bdquo;Weil das nicht zu kompensieren ist, müssen wir jetzt an unsere knappen Rücklagen ran und die letzten Puffer abschmelzen." Über ein landesweites Zuschussprogramm konnte der Verein noch das Dach und die Heizungsanlage der vereinseigenen TV-Halle an der Pideritstraße renovieren. Busse: &bdquo;Zum Glück schieben wir keinen Investitionsstau vor uns her. Doch für das Förderprogramm der Landesregierung, das wirklich 1 A ist, mussten wir zuvor auch 35.000 Euro an Eigenkapital auftreiben."

So steht es um die Mitarbeiter*innen. Insgesamt 250 Beschäftigte vom Vorstand bis zum Übungsleiter engagieren sich im TV Lemgo. Die neun hauptberuflichen Mitarbeiter*innen sind in der Kurzarbeit auf mindestens 50 Prozent, was vom Verein aber auf 80 Prozent aufgestockt wird. &bdquo;Arg gebeutelt sind unsere 450-Euro-Kräfte. Doch wenn die Mini-Jobber Online-Training anbieten, können wir sie zumindest stundenweise entlohnen", hofft Vorsitzender Herbert Fischer, dass nach dem Lockdown alle Trainer zur Stange halten.

Spannungsfeld Reha-Sport . Die große soziale Verantwortung des TV Lemgo drückt sich auch in einem riesigen Reha-Sport-Angebot aus – was sich in der aktuellen Krise jedoch als Nachteil erweist. Der Verein organisiert allein 50 Orthopädie- und fünf Lungensportgruppen. 120 Menschen betreiben unter ärztlicher Begleitung Koronarsport. Die Krankenkassen rechnen pro Unterschrift ab, allerdings mit großer zeitlicher Verzögerung. Da 75 Prozent der Reha-Sportler keine Vereinsmitglied sind, brechen dem TV Lemgo während des Lockdowns enorme Gelder weg.

Sorgenkind Fitness-Studio. 200 Mitglieder haben das gesundheitsorientierte Fitness-Studio während der Pandemie verlassen. &bdquo;Doch die überwiegende Anzahl hält uns die Treue und bezahlt weiter den Basis-Beitrag. Etwa 150 lassen im Lockdown den Beitrag ruhen", berichtet Herbert Fischer.

Das macht Hoffnung . &bdquo;Unser Hygienekonzept greift. Seit dem Beginn der Pandemie hat das Gesundheitsamt noch keine Infektion bei uns nachverfolgen müssen", sagt Fischer. Schon bald soll auf dem Schützenplatz wieder ein Trainingszelt aufgebaut werden, um die Gruppenarbeit zu entzerren. Ermutigend findet er auch, dass sich viele ältere Mitglieder aus der Cognac-Riegen-Ära auf Zoom-Meetings einlassen. Fischer: &bdquo;Die Wandergruppe hat kürzlich zusammengelegt und uns mit 2100 Euro unterstützt. Die Spendenbereitschaft ist großartig."Das komplette Konzeptpapier lesen Sie auf www.tv-lemgo.de

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