Zwischen „TBV Deutschland“ und Finanzkrise - Sebastian Preiß erinnert sich

Lemgo. Am Sonntag um 17 Uhr ist Abpfiff. Dann endet nach viereinhalb Monaten die Ausstellung &bdquo;100 Jahre Handball in Lemgo – 40 Jahre Bundesliga“, die auch in den Schlussminuten noch auf großes Interesse stößt.

Angetan zeigten sich 20 LZ-Leserinnen und Leser von einer exklusiven Führung, in der Kurator Fabian Schröder auf zahlreiche Besonderheiten der reichen Lemgoer Handball-Historie hinwies. Als Ehrengast nahm mit Sebastian Preiß ein prominenter Zeitzeuge an der zweistündigen Veranstaltung teil, wobei der einstige National-Kreisläufer (145 Länderspiele/362 Treffer) und Weltmeister von 2007 bereits im Eingangsbereich leuchtende Augen bekam, als er in einer Vitrine den EHF-Pokal funkeln sah. Die Trophäe mit den beiden charakteristischen Henkeln hat er so häufig wie kaum ein anderer Handballer in die Höhe gestemmt. 2002 und 2004 gewann er den EHF-Cup mit dem THW Kiel, sowie 2006 und 2010 mit dem TBV Lemgo.

Preiß, der die Ausstellung zuvor bereits mit seiner ebenfalls handballspielenden Tochter Marleen (12) besucht hatte, blickte dankbar auf seine acht Jahre in Lemgo zurück, wo er mit seiner Familie längst heimisch geworden ist. Als in den Folgen der Finanzkrise 2013 sein Vertrag nicht verlängert wurde, kehrte Sebastian Preiß noch einmal für drei Jahre in seine fränkische Heimat zurück, wo er mit dem HC Erlangen Abstieg und Aufstieg erlebte. Anschließend trainierte er ein Jahr in der 3.Liga bei den HF Springe ab und hängte 2015 seine Handballschuhe an den Nagel. Im Gespräch mit Fabian Schröder berichtete Sebastian Preiß ganz offen, weshalb er 2005 den THW Kiel zugunsten des TBV Lemgo verließ. &bdquo;Die Nationalmannschaft war der Impuls. Fynn Holpert hatte mir gesagt: ,Wir bauen in Lemgo den TBV Deutschland auf.“ Finanziell habe der THW andere Möglichkeiten geboten. &bdquo;Aber das Geld allein machts nicht aus. Ein entscheidender Faktor waren die Einsatzzeiten, die ich in Lemgo bekam. Und ich konnte mit den Kollegen aus der Nationalmannschaft weiterspielen. Der TBV war durch Volker Zerbe, Daniel Stephan oder Markus Baur eine gute Adresse in Deutschland. Die Identifikation mit den vielen deutschen Spielern hat es ausgemacht“, so Preiß.

Durch den Einstieg der Heristo AG habe der TBV finanziell zu den Top-5 der Liga gezählt. Es habe einen Drei-Jahres-Plan gegeben, nach dem man ganz oben angreifen wollte. &bdquo;Dann hatten wir das Pech, vor der Saison eine Champions-League-Qualifikation in Spanien spielen zu müssen, bei der sich nur der Erste für die Königsklasse qualifizierte. Als wir das verpassten, hat sich der Sponsor nach und nach zurückgezogen. Es war eine total unglückliche Situation. Ein Jahr später hätten wir von der EHF wohl eine Wildcard erhalten. Da gabs kein Quali-Turnier mehr.“Dass der Drei-Jahres-Plan nicht weiter verfolgt wurde, bezeichnet Preiß als Fehler. &bdquo;Die Ziele wurden auf Kosten des kurzfristigen Erfolgs geopfert. Man wollte zu schnell zu viel. Und das hat nicht funktioniert.“

Es waren turbulente Zeiten in Handball-Deutschland, wo sich plötzlich eine Menge ums Geld drehte. Ein dubioser Finanzmakler fuhr vor, stellte vermeintlich großartige Steuersparmodelle vor (die sich im Nachhinein als Luftnummern entpuppten) und verlangte im Gegenzug Generalvollmachten. Preiß ließ sich nicht blenden und vertraute seinem Bauchgefühl.Als sich Heristo komplett verabschiedete, geriet der TBV in eine böse Schieflage. &bdquo;Wir Spieler haben freiwillig auf Gehälter verzichtet. Das war vom Kopf her schwierig und eine sehr unangenehme Situation. Wir haben versucht, dem Verein entgegenzukommen. Aber gleichzeitig wussten wir nicht, ob es im nächsten Monat noch Geld gibt.“

Und dann erinnert sich Sebastian Preiß, der inzwischen zusammen mit Ralf Gerke die Staff-Stiftung in Lemgo führt, noch an die ominöse China-Reise im August 2012, von der sich der TBV neue Sponsoren aus der Photovoltaik-Branche erhoffte. &bdquo;Das war eine ganz andere Welt. Einerseits total interessant, das mal gesehen zu haben. Doch aus handballerischer Sicht wenig gewinnbringend. Die Chinesen wussten mit uns nicht viel anzufangen. Und durch die extrem hohe Luftfeuchtigkeit im August war es total stressig. Zudem hat uns die Reise eine Woche von der Vorbereitung gekostet.“

Dass dem TBV Lemgo Lippe solch eine &bdquo;schöne, schicke“ Ausstellung geschenkt wurde, findet Sebastian Preiß bemerkenswert. &bdquo;Aber der Verein ist das vielleicht größte Aushängeschild für die Stadt. Viele Menschen kennen Lemgo ja nur aufgrund des Handballs.“

Sich mit 43 Jahren plötzlich in einem Museum wiederzufinden, berührt Sebastian Preiß. &bdquo;Ich empfinde Dankbarkeit und Stolz. Denn es zeigt, was für eine tolle Zeit mit Höhen und Tiefen ich hier erleben durfte. Es war eine ganz besondere Phase meines Lebens, in der ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe und in der die Verbundenheit zur Stadt Lemgo gewachsen ist.“

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