Zereike ordnet ein: Darum ist die Rückkehr von Heristo Gold wert für den TBV Lemgo Lippe

Lemgo. Als Torhüter war er einst eine Zielscheibe der gegnerischen Schützen. In seiner Rolle als Geschäftsführer des TBV Lemgo Lippe wehrt Jörg Zereike (47) nun zu hohe Erwartungen ab. Im nachstehenden Interview verrät er auch Details zum neuerlichen Engagement der Heristo AG.

2024/2025 war eine besondere Saison für den TBV. Was wiegt mehr: Die beste Punkteausbeute seit 15 Jahren oder ein Schnitt von 4300 Zuschauern?

Jörg Zereike: Wir sind mit beiden Werten hochzufrieden. Der Zuschauerschnitt ist überragend, er entspricht einer Auslastung von 95 Prozent. In meinen zwölf Jahren als Geschäftsführer kann ich mich an kein erfolgreicheres Jahr erinnern. Man fragt sich manchmal: Warum machen wir das eigentlich alles? Natürlich – für die Zuschauer und Handballfans in der Region. Wenn man dann solch eine Bestätigung bekommt, ist das wirklich ganz toll. Zudem hat die Mannschaft 17 super Heimspiele geboten und bewiesen, dass sich kein Gegner sicher sein kann, bei uns die Punkte mitzunehmen.

Wie ordnen Sie die 39:29 Punkte ein?

Auch sportlich war es eine beeindruckende Serie. Wir reden in einer Saison häufig von Augenhöhe oder Pflichtaufgaben – die man aber auch alle erst einmal gewinnen muss. Mit Ausnahme vom Pokalspiel in Coburg waren wir fast immer voll da. Neben den beiden Absteigern haben wir jeweils zweimal gegen Erlangen, Gummersbach, Leipzig, Stuttgart und Wetzlar gewonnen – und sogar Topteams wichtige Punkte abgenommen. Im Angriff wissen wir, dass wir unangenehm zu bespielen sind und unsere Tore irgendwie machen. Entscheidend war aber der Schritt nach vorn in der Abwehr. Mit Wagner und Möstl konnten wir zwei wichtige Bausteine in der Verteidigung gewinnen. Hinten haben wir insgesamt sehr stabil gestanden.

Gab es überhaupt Kritikpunkte?

Das Aus im Pokal traf uns in einer schwierigen Phase. Aber die Niederlage in Coburg zeigt auch, wie empfindlich alles ist. Lukas Hutecek fehlte uns nach seinem Mittelhandbruch. Im Dezember kam dann Tim Suton hinzu. Das war eine kritische Phase – jedoch kein Makel. So etwas gehört zu einer Saison dazu. Die kleine Delle war auch spielplanbedingt. Aber die Ausreißer haben wir absolut klein gehalten.

Abgesehen von den beiden Kreisläufern bleibt die Mannschaft zusammen. Kann der TBV jetzt sogar nach Europa schielen?

Wir gehen davon aus, dass wir uns verstärken. Doch bei Neuzugängen bekommt man die Leistungen nicht automatisch on top. Ein neuer Spieler verändert immer das Gefüge – manchmal nimmt er einem anderen auch etwas weg. Das muss sich erst einpendeln. Außerdem schläft die Konkurrenz ja auch nicht. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vom Etat her im unteren Drittel angesiedelt sind. Bei uns hängt vieles von den Leistungsträgern ab. Daher bleibt es ein fragiles Gebilde. Wir müssen zu Saisonbeginn stets demütig bleiben und zunächst nach unten schauen. Alles im einstelligen Tabellenbereich ist für uns ein Bonus. Aus diesem Grund plant keiner im Verein für Europa. Andererseits haben wir schon gezeigt, dass nichts unmöglich ist. Aber wir müssen auch akzeptieren, dass die Top 6 der Tabelle etwas enteilt sind. Vor zwei Jahren hatten Hannover und Melsungen noch nicht diese Rolle, die sie sich inzwischen erarbeitet haben. Von daher kann Europa aktuell nicht das Ziel sein.

Auch viele andere Erstligisten scheinen sich im Aufwind zu befinden. Wie ist das zu erklären? Hängt das mit Dyn zusammen?

Ligaweit gab es mit fast 1,7 Millionen Zuschauern wieder einen neuen Rekord. Gerade in der Rückrunde wurden ganz viele Spiele sehr gut angenommen. Aber auch zu Beginn der Saison war die Resonanz deutlich höher als sonst. Vielleicht hängt das mit den Olympischen Spielen zusammen. Durch die Silbermedaille von Paris war von Anfang an eine höhere Aufmerksamkeit für Handball gegeben. Auch dürfte es eine Rolle spielen, dass die Bundesliga durch Dyn und die Axel-Springer-Medien öffentlich stärker vertreten ist. Weiterhin dürfen wir unsere eigenen Bewegtbildinhalte viel stärker auf unseren eigenen Kanälen nutzen. Dies war ja auch einer der Hauptgründe für den Wechsel zu Dyn. Bei Sky durften wir keine Live-Bilder aus der Halle zeigen. Dyn handhabt das deutlich flexibler – es gibt Posts mit Highlights und den schönsten Toren des Monats. Da wir unser eigenes Bewegtbild auch nutzen können, ist auch unter der Woche in den sozialen Netzwerken immer was los.

Vor zwei Wochen kam die überraschende Meldung, dass die Heristo AG zum TBV zurückkehrt. Wie kam es zu diesem Comeback?

Oliver Risken, der inzwischen in die Geschäftsführung bei Heristo aufgerückt ist, hatte in letzter Zeit einige TBV-Spiele verfolgt und war begeistert von der tollen Atmosphäre in der Phoenix Contact-Arena. Im Nachgang eines Heimspiels haben wir dann unsere Kontakte aufgefrischt, und es folgten viele vertrauensvolle Gespräche. Am Ende sind wir froh, die Heristo AG als neuen Co-Sponsor gewonnen zu haben.

Was bedeutet die Vereinbarung konkret?

Wir haben uns im Wesentlichen auf ein Paket verständigt, das Werbung auf dem Trikotärmel und den LED-Banden sowie Präsenz im Oberrang der Arena beinhaltet.

Als Mehrheitsgesellschafter, wie in den fünf Jahren zwischen 2007 und 2012, ist Heristo also nicht vorgesehen?

Nein, das Thema Mehrheitsgesellschafter ist ja damals auch aus der Not entstanden, dass Heristo zu Beginn der Partnerschaft in großer Höhe Anteile zeichnete, um eine Überschuldung des Vereins zu vermeiden. Der TBV Lemgo Lippe ist heute schuldenfrei. Wir haben in den letzten Jahren vernünftig gewirtschaftet. Weiterhin hatten sie sich damals als Hauptsponsor engagiert – was jetzt auch nicht zur Debatte stand. Die Rolle ist rein werblicher Natur und angesiedelt auf Co-Sponsoren-Ebene – für die Heimtiermarke &bdquo;animonda“. Der TBV hat in der damaligen Zeit gewiss auch nicht alles richtig gemacht. Das Geld, das wir damals zur Verfügung hatten, wurde einfach nicht gut eingesetzt. Über das neuerliche Engagement sind wir sehr froh, denn die Personalkosten in der Liga sind in den letzten zehn Jahren um 56 Prozent gestiegen. Auch beim TBV Lemgo Lippe sind die Personalkosten gestiegen – allerdings &bdquo;nur“ um 25 Prozent. In diesem Bereich sind wir etwas nach hinten durchgereicht worden. Der Heristo-Vertrag hilft uns, diesen Prozess zu stoppen, und sorgt dafür, dass wir das wirtschaftliche Risiko, mit dem wir immer in die Saison gehen, reduzieren können.

Mega-Transfers a la Mimi Kraus oder Holger Glandorf sind also nicht im Anflug?

Wie gesagt: Beide Partner haben aus der Vergangenheit gelernt. Wir trauen uns beim TBV zu, dass wir es nun besser lösen werden. Wir können jetzt keine großen Sprünge machen. Doch gerade in diesen wirtschaftlich turbulenten Zeiten ist das Heristo-Engagement Gold wert.

Wie ist allgemein die Stimmung in der Sponsorenschaft?

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist angespannt – das spüren auch einige unserer Sponsoren, und es erschwert zudem die Gewinnung neuer Partner. Doch allgemein fühlen wir uns auf einem guten Weg. Die Stimmung in der Sponsorenschaft ist sehr gut, der Logenbereich ist nahezu ausgebucht. Doch noch sind nicht alle Verträge unter Dach und Fach. Wir hoffen aber, dass unsere bestehenden Partner uns die Treue halten. Solch eine solide Basis ist von größter Wichtigkeit, um auch mal etwaige Ausfälle auffangen zu können.

Und nun ist Sommer. Sie haben sich direkt nach dem Saisonende eine kurze Auszeit gegönnt. Was macht ein Geschäftsführer eigentlich in der großen Pause?

Gemeinsam mit Steffen Tegeler arbeiten wir mit Hochdruck an den wirtschaftlichen Grundlagen und hoffen, bis zum Beginn der neuen Saison alle Sponsoren abgearbeitet zu haben. Parallel zur Urlaubszeit haben wir einen Ausrüsterwechsel zu managen. Gerade im ersten Jahr ist das immer eine große Herausforderung. Am 15. Juli starten wir dann wieder mit dem Training und fahren Ende Juli wieder ins Trainingslager nach Österreich.

Und dort nutzten Sie die Zeit dann zu weiteren Personalgesprächen?

Der Kader für die kommende Saison steht ja. Aber natürlich machen wir uns schon Gedanken über 2026/2027. Ein paar Verträge laufen ja aus. Unser Ziel ist, bis Weihnachten alle Personalfragen geklärt zu haben. Durch die Vertragsverlängerungen mit Tim Suton und Constantin Möstl ist die Ausrichtung ja erkennbar.

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