Lemgo. Auf diese Nachricht haben die Anhänger des TBV Lemgo Lippe ganz lange gewartet: Seit gestern Abend steht offiziell fest, dass Florian Kehrmann auch in der Spielzeit 2026/2027 für das Bundesliga-Team verantwortlich zeichnet. Der dienstälteste Coach der Eliteklasse, inzwischen 48 Jahre alt, verlängerte seinen Vertrag um ein weiteres Jahr. Florian Kehrmann war 1999 aus Solingen ins Lipperland gekommen, wirbelte 15 Jahre mit der Nummer 15 auf dem rechten Flügel und schlug dann die Trainerkarriere ein. In Lemgo sammelte er zunächst in der zweiten Reihe Erfahrungen, im Dezember 2014 übernahm der Weltmeister von 2007 das Zepter vom damaligen TBV-Bundesligatrainer Niels Pfannenschmidt. Seinen bisher größten Erfolg als Chefcoach feierte Kehrmann mit dem DHB-Pokal-Sieg 2020 in Hamburg, als das Final Four coronabedingt erst im April 2021 stattfand. Die Lipper bezwangen sensationell Kiel im Halbfinale und Melsungen im Endspiel. In der aktuellen Saison legte Florian Kehrmann mit seinem Team einen Startrekord unter seiner Regie hin: Aus den ersten sieben Spielen holte der TBV Lemgo Lippe 11:3 Punkte und empfängt am Sonntag ab 16.30 Uhr TVB Stuttgart in der Phoenix-Contact-Arena. Mit der LZ sprach der Coach über verschiedene Themen. Darum bleibt er beim TBV: „Ich bin schon lange im Verein – erst als Spieler, dann als Trainer. Es gibt ein sehr großes Vertrauensverhältnis und ein gutes Miteinander. Wir haben es geschafft, neue Dinge aufzubauen, sind da noch nicht am Ende.“ Was meint er damit konkret? „Wir sind nie zufrieden, haben einen großen Antrieb, Dinge zu verändern. Es geht dabei um taktische Dinge, aber auch die Verbesserung der Infrastruktur. Hier ist in den vergangenen Jahren an vielen kleinen Stellschrauben gedreht worden. Wichtig war mir auch immer die Nachwuchsarbeit. Wir haben es geschafft, die Phoenix-Contact-Arena zu einem Top-Nachwuchsleistungszentrum zu machen.“ Ein wichtiger Punkt sei ihm zudem, dass die Anschlussförderung und Durchlässigkeit sehr gut funktioniere. Die Gespräche: „Da brauchte es nicht viele Runden, ich habe mich mit Jörg Zereike (Geschäftsführer) und Herbert Vogel (Beiratschef) zusammengesetzt. Beide Seiten sagten, was sie wollten. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und eine Lösung gefunden. Für Herbert, der ja als Beiratschef aufhört, ist es ein schöner Abschluss. Ich schätze ihn sehr, er hat hier viele Dinge bewegt und auf den Weg gebracht. Auch Dinge, die für viele nicht sichtbar waren.“ Die Arbeit beim TBV: „Weil ich schon so lange hier bin, kann ich meiner Mannschaft meine Handschrift geben, kann gestalten. Es macht Spaß, mit meinem Team vertrauensvoll zu arbeiten. Dazu gehört neben dem TBV-Team auch die super Zusammenarbeit mit der Reha Lemgo und den Ärzten. Das erleichtert die Arbeit enorm.“ Die Stadt Lemgo und der TBV: „Wir leben hier in einer handballverrückten Kleinstadt, die Fankultur hat sich weiterentwickelt. Inzwischen gibt es auch viele jüngere Fans, die wir begeistern. Das zeigt, dass wir vieles richtig machen. Beim Fanklubtreffen waren noch nie so viele Leute wie in diesem Sommer“, erläutert Kehrmann. Und zum TBV sagte er: „Der Verein ist familiär geführt, alle halten zusammen, da kannst du dich als Handballer und Trainer nur wohlfühlen.“ Die Vertragsverlängerungen von Hutecek, Versteijnen und Wagner: „Sie spielten bei meiner Entscheidung tatsächlich keine Rolle. Ich muss Gegebenheiten schaffen, damit sie bleiben, und so arbeiten, dass sie unter mir spielen wollen. Aber sich von diesen Entscheidungen abhängig zu machen, das ist nicht meine Denke. So habe ich schon als Spieler nicht gedacht.“ Gedanken an eine neue Tätigkeit: „Handball ist so schnelllebig, ich lebe im Hier und Jetzt, möchte die Zukunft gestalten und die Gegenwart genießen. Ich bin keiner, der sagt, dass ich in vier, fünf Jahren das oder das machen möchte. Deshalb haben wir uns auf eine Verlängerung um ein weiteres Jahr verständigt.“ Das ist ihm als Trainer wichtig: „Du musst authentisch bleiben. Sich bei anderen etwas abzugucken, davon halte ich nichts. Du brauchst Fachwissen, musst Personen führen können“, erläutert das TBV-Idol und betont: „Wichtig ist auch, dass du ehrgeizig bist. Ich bin beim Training immer einer der Ehrgeizigsten, will immer gewinnen – egal, worum es geht.“ Eine Schwäche von ihm sei, dass er Ungerechtigkeiten nicht gut ertragen könne: „Dann brodelt es in mir, niemand ist perfekt. Emotionen gehören aber dazu.“ Den tollen Start: „Für so einen Startrekord kannst du dir nichts kaufen, für eine Negativserie ebenfalls nicht. Wir sind glücklich, wie es bisher gelaufen ist. Aber wir sind noch lange nicht zufrieden. Dieses Wort ist für mich ohnehin sehr gefährlich. Die Jungs arbeiten fleißig, die bisherige Punkteausbeute ist ein Spiegelbild der guten Arbeit. Nun warten die nächsten schweren Aufgaben auf uns. Wer glaubt, dass wir nun Stuttgart mal eben so aus der Halle schießen, der irrt gewaltig.“