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Hilfspaket für Steuersünder? Ampel braucht mehr Mut für faire Finanzpolitik

Ingo Kalischek

Die Ampel-Koalition will das sogenannte Bürokratieentlastungspaket verabschieden. Kritiker äußern jedoch große Bedenken. - © Michael Kappeler
Die Ampel-Koalition will das sogenannte Bürokratieentlastungspaket verabschieden. Kritiker äußern jedoch große Bedenken. (© Michael Kappeler)

Den Abbau der Bürokratie fordern Politiker seit Jahren. Wer mit Industrie-Unternehmern, Landwirten oder Bäckern spricht, weiß: Tatsächlich passiert noch immer oft das Gegenteil. Sie ersticken regelrecht in der deutschen Dokumentationswut. Das schürt politischen Verdruss. Insofern ist das geplante Gesetz der Ampel, das den Begriff Bürokratie-Entlastungspaket trägt, eine gute Nachricht – sollte man meinen. Es ist normal, dass sich bei Projekten dieser Größenordnung immer auch Widerstand regt.

Doch es lässt schon aufhorchen, wenn sich nun zwei Finanzexperten öffentlich in ihrer Kritik zusammentun, die politisch ansonsten vieles trennt. Sowohl NRW-Finanzminister Optendrenk (CDU) als auch der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warnen davor, das Gesetz so zu verabschieden, weil dies die Aufklärung schwerer Steuervergehen massiv erschwere oder gar verhindere.

Ihre Argumentation erscheint einleuchtend: Was nützt es, dass die Politik die Verjährungsfristen für besonders schwere Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre angehoben hat, wenn Täter wichtige Beweise schon nach acht Jahren schreddern dürfen?

Walter-Borjans wurde als „Robin Hood der Steuerzahler“ bekannt

Beide Politiker sind nicht dafür bekannt, in populistischer Manier Stimmung machen zu wollen. Es gibt keinen Grund, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Optendrenk gilt als „ehrlicher Kaufmann“ – Walter-Borjans hat sich als „Robin Hood der Steuerzahler“ deutschlandweit Respekt verschafft. In seiner Rolle als früherer NRW-Finanzminister kaufte Walter-Borjans vor Jahren Steuer-CDs aus der Schweiz – und legte sich als einer der wenigen mit den wirklich dicken Fischen an. Wenn der SPD-Politiker nun ankündigt, „alle Hebel“ in Bewegung setzen zu wollen, um das Gesetz zu stoppen, dann zeigt das, dass es in ihm so richtig brodeln muss.

Verständlicherweise verärgert Walter-Borjans besonders, dass das „Hilfsprogramm für Steuerhinterzieher“, wie er es nennt, unter dem Deckmantel eines Bürokratieabbau-Programms durch den Bundestag gemogelt werden soll. Den Vorwurf richtet er direkt an Finanzminister Lindner, mit dem er einst die Ampel ausgehandelt hatte. Doch auch seine eigene Partei sollte genau hinhören, wenn das Gesetz am Donnerstag im Parlament beraten wird. Ebenfalls in ungewohnt scharfem Ton wirft Walter-Borjans seiner SPD vor, Themen wie dieses regelmäßig zu verschlafen und zu nachlässig zu behandeln.

Steuergerechtigkeit ist eben kein Gewinnerthema – und in Koalitionsgesprächen oft erste Verhandlungsmasse. Dabei wäre die Besteuerung millionenschwerer Erben ebenso wie die gezielte und mutige Verfolgung mächtiger Steuersünder eine Möglichkeit, Milliarden zu generieren. Das sollte die Ampel nicht vergessen, wenn sie in diesen Tagen Kürzungen im Sozial- und Klimabereich diskutiert.

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