Impfpflicht im Gesundheitswesen lässt Schlupflöcher für Ungeimpfte

Berlin/Düsseldorf. Um das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus für kranke, alte und behinderte Menschen möglichst gering zu halten, gilt ab dem 16. März in Deutschland eine Impfpflicht im Gesundheitswesen. Bis zu diesem Tag müssen Beschäftigte eine Impfung oder Genesung nachweisen. Ohne diesen Nachweis droht ein Tätigkeitsverbot. Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht betrifft jedoch nicht nur Personal in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen, sondern auch diverse andere Heilberufe. Da das Gesetz jedoch vorsieht, dass ungeimpftes Personal zwar an die Gesundheitsämter gemeldet werden muss, jedoch Arbeitgeber nicht zur Freistellung gezwungen sind, spekulieren Betroffene darauf, dass sie trotz fehlender Immunisierung ab dem 16. März wie gewohnt weiter arbeiten können.

Eigentlich ist der Fall klar: Beschäftigte im Gesundheitswesen, die bis zum 16. März nicht nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft wurden, von einer Infektion genesen sind oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, dürfen nicht mehr im Gesundheitswesen arbeiten. Doch die Ausgestaltung des Gesetzes droht nach Einschätzung von Experten für Chaos zu sorgen. Denn das Beschäftigungsverbot für nicht immunisiertes Personal im Gesundheitswesen gilt nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums so klar lediglich für Neueinstellungen ab dem 16. März.

Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ungeimpftes Personal freizustellen

Für Bestandspersonal, also alle Beschäftigten, die bereits vor dem 16. März als Mitarbeiter in Unternehmen arbeiten oder selbstständig tätig sind und von der Impfpflicht betroffen sind, gilt das nach Angaben eines Ministeriumssprechers nur bedingt. So muss das Personal in Unternehmen zwar den Immunitätsstatus beim Arbeitgeber vorlegen, doch an das Gesundheitsamt müssen lediglich die Beschäftigten gemeldet werden, die keinen solchen Nachweis vorlegen oder wenn Zweifel an der Echtheit des Nachweises bestehen. Selbstständige ohne Immunisierung müssen ihren fehlenden Nachweis laut dem Sprecher selbst beim Gesundheitsamt melden.

&bdquo;Das Gesundheitsamt überprüft dann jeden gemeldeten Fall und fordert die Betroffenen zur Vorlage des Immunitätsnachweises auf", erklärt der Sprecher. Bei Nichtvorlage bestehe für Arbeitgeber jedoch keine Verpflichtung zur Freistellung des Personals und auch Selbstständige müssen ihre Tätigkeit nicht freiwillig beenden, selbst wenn sie das Gesundheitsamt über ihre fehlende Immunisierung informiert haben. Das bedeutet, dass Unternehmen ungeimpftes Personal auch nach dem 16. März weiter beschäftigen können und dass ungeimpfte Selbstständige ebenfalls weiter arbeiten können.

Gesundheitsämter können Tätigkeitsverbote für Ungeimpfte verhängen

&bdquo;Kommen Betroffene der Aufforderung des Gesundheitsamtes zur Vorlage des Nachweises nicht nach, entscheidet das Gesundheitsamt im Einzelfall über weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel Betretungs- oder Tätigkeitsverbote", sagt der Sprecher. &bdquo;Dabei berücksichtigen die Gesundheitsämter auch die Personalsituation in der jeweiligen Einrichtung."

Mit Strafen müssen Unternehmen nach Angaben des Sprechers nur dann rechnen, wenn sie das Gesundheitsamt nicht über ungeimpftes Personal informieren oder ungeimpftes Personal trotz eines Verbots durch das Gesundheitsamt weiter beschäftigen. &bdquo;In solchen Fällen muss mit einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro gerechnet werden." Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums können Strafen in dieser Höhe auch einzelnen Beschäftigten drohen, wenn sie ihren Immunitätsstatus nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegen. &bdquo;Zudem kommen je nach Fall auch arbeitsrechtliche Maßnahmen des Arbeitgebers in Betracht", erklärt eine Sprecherin.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt auch unabhängig von Einrichtungen

Nach Angaben des Deutschen Städtetages können es die Gesundheitsämter jedoch gar nicht leisten, nach dem 16. März Zehntausende Verfahren wegen nicht nachgewiesener Immunisierungen zu verfolgen. Zudem fehle die rechtliche Handhabe für Ausnahmen, wenn beispielsweise ein Pflegeheim erklärt, dass es ohne das ungeimpfte Personal die Versorgung der Bewohner nicht mehr sicherstellen kann.

Unklar sei zudem, für wen die Impfpflicht gelte. Denn obwohl es sich um eine einrichtungsbezogene Impfpflicht handelt, sind laut dem Bundesgesundheitsministerium auch Beschäftigte in Heilberufen betroffen, die in keiner Einrichtung arbeiten, wie zum Beispiel freiberufliche Hebammen, die Klienten ausschließlich in ihren Wohnräumen betreuen. Das gilt auch für folgende Berufe: Heilpraktiker, Osteopathen, Diätassistenten, Ergotherapeuten, Logopäden, Masseure, medizinische Bademeister, Orthoptisten, Physiotherapeuten und Podologen.

Zudem sieht das Gesetz die Impfpflicht auch für Angehörige von Berufsgruppen vor, die nur über einen begrenzten Zeitraum in Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind. Dazu zählen neben Mitarbeitern der Geschäftsführung, Verwaltung, Technik, IT und Heimaufsicht auch rechtliche Betreuer, Handwerker, Orthopädietechniker, medizinische Fußpfleger und Friseure.

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