Bürgermeisterwahl: Augustdorfer CDU geht im Streit aus der Kandidatenfrage

Augustdorf . Es dürfte eine der längsten Mitgliederversammlungen gewesen sein, die die Augustdorfer CDU je erlebt hat: Sechs Stunden dauerte es, bis Dr. Andreas J. Wulf als Bürgermeisterkandidat feststand und über die Wahlbezirke und die Reserveliste abgestimmt war. Der formale Akt ist damit vollzogen – doch die zerstrittene Partei ist tiefer gespalten als zuvor.

Abstand auf den Zuschauerrängen, Mundschutz beim Umherlaufen, schwarz ausgelegte Laufwege auf dem Hallenboden – die Wineo-Arena diente wegen des Coronavirus als einzig geräumiger Veranstaltungsort. Musste sie auch, denn 107 stimmberechtigte CDU-Mitglieder waren erschienen. Eine Rekordzahl, denn noch vor kurzem lag die Mitgliederzahl der CDU Augustdorf weit darunter. Doch kurz vor der Aufstellungsversammlung hatte es massenhaft Parteieintritte gegeben – ein bekanntes taktisches Manöver, mit dem innerparteiliche Gruppierungen ihre Truppen in Stellung bringen.

Axel Meckelmann, stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender, leitete die Versammlung, zusammen mit dem stellvertretenden CDU-Ortsvorsitzenden Patrick Baltruschat und Schriftführerin Erika Hellweg. Dass es bis weit nach Mitternacht dauern würde, überraschte ihn selber – doch er moderierte den Abend routiniert und souverän bis zum Schluss.

Dass der amtierende CDU-Vorstand keinen Vorschlag für einen Bürgermeisterkandidaten oder eine Kandidatin machte, war zu erwarten, nachdem der Vorstand sich im November gegen Wulf als Kandidaten der CDU ausgesprochen hatte und damit ein Beben an der Parteibasis ausgelöst hatte, das zum Rücktritt des Vorstandes führte. Doch Wulf wurde erwartungsgemäß aus der Mitgliederversammlung heraus vorgeschlagen.

Überraschende Gegenkandidatin Überraschend wurde die 44-jährige Natascha Barz von ihrem Ehemann als Kandidatin vorgeschlagen. Frank Salomon, früherer Ortsunionsvorsitzender, wurde ebenfalls vorgeschlagen, lehnte eine Kandidatur aber umgehend ab.

Barz, von Beruf Polizeibeamtin und seit 14 Jahren in der Sennegemeinde wohnend, hatte sich bislang in der CDU nicht engagiert, wohl aber das politische Geschehen mitverfolgt und sich zu Missständen geäußert, die ihr aufgefallen waren. Impulse aus ihrem Umfeld hätten sie schließlich bewogen, sich für eine Kandidatur zu bewerben, damit es eine Alternative zum Amtsinhaber gebe. Etwas nervös, aber mit fester Stimme stellte sie fest, dass die CDU gespalten und innerlich zerrissen sei. Sie glaube nicht, dass die Augustdorfer den Amtsinhaber wiederwählen würden – das sei ihr von vielen Bürgern so gespiegelt worden. Sie wolle die Menschen wieder vereinen und für alle da sein.

Dr. Andreas J. Wulf, seit 2004 als Nachfolger von Peter Hufendiek im Amt, zählte in einer langen Rede die Erfolge seiner Amtszeit auf. Mit Blick auf die von Barz angesprochene Zerrissenheit der CDU sagte Wulf, dieser Abend sei die Chance, zu neuer Einigkeit zu kommen: &bdquo;Es muss stets das Wohl Augustdorfs und seiner Bürger im Vordergrund stehen." Er wolle den eingeschlagenen Weg weitergehen, die angefangenen Projekte zu Ende bringen und insgesamt Augustdorf als familienfreundliche Gemeinde weiterentwickeln. &bdquo;Ich biete an, mich für weitere fünf Jahre mit Kraft und Herzblut für Augustdorf einzusetzen."

Bei Meckelmanns Frage an das Auditorium, ob eine Aussprache gewünscht sei, reckte sich kein Arm nach oben. Die Abstimmung über beide Kandidaten endete mit einer Panne: Es waren mehr Stimmzettel abgegeben worden als Wahlberechtigte in der Liste erfasst waren. Der Wahlgang musste wiederholt werden. Im Ergebnis erhielt Barz aus dem Stand 34 von 95 gültigen Stimmen, Wulf somit 61 – 2015 hatte er noch hundertprozentige Zustimmung erhalten. Er nahm die Nominierung zum Bürgermeisterkandidaten dennoch an.

Langwieriges Abstimmungsverfahren Weitaus länger als dieser Wahlgang dauerte die Bestimmung der Kandidaten für die 13 Wahlbezirke sowie die Reserveliste. Denn für den Wahlbezirk 4, für den Fraktionschef Lutz Müller vorgeschlagen war, schlug Wulf unvermutet Daniel Giesbrecht als Gegenkandidaten vor, gegen Frank Salomon wurde von einem anderen Mitglied im Wahlbezirk 12 Stefan Koop vorgeschlagen. Beide stellten sich der Versammlung vor, Koop mit besonderer Eloquenz, beide mussten auf Befragen allerdings auch einräumen, dass sie erst seit kurzem CDU-Mitglied sind. Im Ergebnis eines langwierigen Abstimmungsverfahrens konnte Müller seinen Wahlbezirk knapp mit 45 zu 43 Stimmen verteidigen, Salomon war dagegen mit 44 zu 47 Stimmen unterlegen.

Auch bei der Reserveliste, auf der Müller auf Platz 1 gesetzt war, wurde ein Gegenkandidat vorgeschlagen – diesmal Stefan Koop. Der entnervte Müller verzichtete daraufhin auf seinen Listenplatz, dies auch angesichts der vorgerückten Zeit, denn es hätte sonst wieder ein umständliches Wahlprocedere gegeben. Frank Salomon blieb auf Platz 3 unbehelligt, bekam aber nur knapp die nötige Mehrheit. Daniel Giesbrecht und die zusätzlich nominierte Dina Töws schließen die Reserveliste auf den Plätzen 17 und 18 ab.

Die sechsstündige Marathon-Sitzung erforderte Geduld und Sitzfleisch – doch fast alle Anwesenden harrten zumindest bis nach der Stimmabgabe für die Reserveliste aus.

Die Luft wird dünner für Wulf Ein Kommentar von Dieter Asbrock

Dr. Andreas J. Wulf muss sich für die Bürgermeisterwahl am 13. September warm anziehen: Dass Natascha Barz, die politisch bislang nicht in Erscheinung getreten ist, ihm aus dem Stand mehr als ein Drittel der Stimmen bei der Nominierung abnahm, ist eine schallende Ohrfeige für den Amtsinhaber. Nur Dank massenhafter Parteieintritte hat Wulf vermeiden können, dass die Blamage noch größer ausfiel.

Wulf ist nun Kandidat einer Partei, durch die ein tiefer Riss geht. Dass die ihn im Wahlkampf mit so viel Herzblut unterstützt, wie er in eine mögliche vierte Amtszeit legen will, ist kaum zu erwarten. SPD-Herausforderer Thomas Katzer kann schon mal den Sekt kalt stellen. Nicht unwahrscheinlich, dass er ihn am 13. September aus dem Siegerpokal wird trinken können.

Der machtbewusste Wulf nutzte die Gelegenheit, seine innerparteilichen Gegner Lutz Müller und Frank Salomon mit zwei frisch in die CDU eingetretenen jungen Gegenkandidaten zu piesacken, die keinerlei politische Erfahrung oder Aktivitäten innerhalb der Partei vorweisen können. Dass sie mehr als Zählkandidaten sind, darf bezweifelt werden. Wulf hat damit seine Hausmacht demonstriert. Ob er das in Wählerstimmen ummünzen kann, steht auf einem anderen Blatt.

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