Manuela Schramm aus Augustdorf ist keine Freundin halber Sachen

Augustdorf. Wer Manuela Schramm besucht, dem springt gleich Hündin &bdquo;Arena" entgegen. Die 60-Jährige hat ein Faible für Listenhunde – Tiere, die laut Gesetz als potenziell gefährlich gelten. Doch nicht nur mit Tieren kann die gebürtige Lagenserin gut, im Frühjahr hat sie die Augustdorfer Nachbarschaftshilfe gegründet, um älteren und kranken Menschen in der Pandemie zu helfen. Für die Initiative und das Wildvögelprojekt hat Schramm nun den Heimatpreis der Gemeinde erhalten. Für sie seien die Projekte keine Herausforderung gewesen, sagt sie – anders als ein schwerer Schicksalsschlag vor fünf Jahren.

Manuela Schramm blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Die Friseurmeisterin hat 1985 ihr erstes eigenes Geschäft in Lage eröffnet. Oben drüber hat sie gewohnt, das sei praktisch gewesen, weil ihre Tochter noch klein war. 1993 habe sie in Venezuela geheiratet, später ein Haus in Pivitsheide gebaut und dann ihr Geschäft dort integriert. &bdquo;Es zeichnete sich ab, dass immer mehr Kunden nach dem ,Geiz ist geil-Prinzip handeln", sagt sie. Daher habe sie auf das genaue Gegenteil gesetzt: Sie bot ihren Kunden, die den Laden für sich hatten und entsprechend bezahlten, ein Rundum-Sorglos-Paket.

Voim Friseurstudio ins Tierheim &bdquo;Doch nach der Scheidung von meinem Mann wollte ich einfach nur weg", erinnert sie sich. Sie zog nach Hannover, wo sie weiter als Friseurin arbeitete. Aber irgendwann habe der Rücken immer mehr Probleme bereitet, und sie gab den Laden auf.&bdquo;Ich überlegte, was ich stattdessen machen könnte. Ich kann gut mit Menschen und Tieren umgehen. Ich war immer selbstständig, bin kein Befehlsempfänger und möchte keine stumpfe Tätigkeit ausüben."

Dann sah sie eine Stellenanzeige als Tierheimleiterin und wusste, dass das genau das Richtige für sie wäre. Denn sie war bereits bereits fünf Jahre im Bad Salzufler Tierheim ehrenamtlich tätig und hatte bei einer Tierärztin praktische Erfahrungen sammeln können. Sie bekam eine Stelle im Landkreis Bad Kissingen in Bayern. &bdquo;Doch die versprochenen Leistungen des Jobcenters für den Umzug in den Süden deckten sich nicht. Da musste ich damals die LZ einschalten", erinnert sich Schramm.

Schöner und anstrengender Job Vor Ort habe sie zunächst auf einer Matratze im Tierheim geschlafen, weil es sehr schwierig gewesen sei, mit zwei Listenhunden ein Zuhause zu finden. &bdquo;Die Mentalität in Bayern ist da ganz anders als hier – besonders, wenn du von außen kommst", meint die Tierliebhaberin. Schließlich fand sie doch noch ein abgelegenes Haus mit einem großen Grundstück drum herum. &bdquo;Der Job war anstrengend. Ich hatte teilweise 14-Stunden-Tage, aber ich habe ihn geliebt", sagt Schramm rückblickend und berichtet auch von unschönen Räumungen bei Tiermessies und Hinterhofzüchtern.

Doch irgendwann habe ihre damalige Vorgesetzte angefangen, sie zu mobben. 2013 ging es daher zurück in die lippische Heimat nach Augustdorf. &bdquo;Ich weiß, dass die Siedlung am Dören nicht die beste Gegend ist, aber ich fühle mich hier wohl. Hier darf mein Hund mit mir zusammen wohnen, und ich konnte mir einen eigenen Garten anlegen", sagt sie.

Routine-OP ging schief Doch 2015 erlebte sie einen schweren Schicksalsschlag: &bdquo;Eine Routine-OP an den Mandeln lief vollkommen aus dem Ruder. Ich musste notoperiert werden, lag zwei Monate im Krankenhaus im Koma und musste beatmet werden." Anschließend musste sie das Sprechen, Schreiben, Essen und Laufen erst wieder lernen. &bdquo;Meine ersten Schritte fühlten sich an wie ein Marathon. Mein Ziel war es, jeden Tag einen Schritt mehr zu schaffen."

&bdquo;Ich dachte, zu Hause geht es dann normal weiter. Doch dem war nicht so", sagt die Augustdorferin verärgert. Zwei Jahre habe es gedauert, bis sie eine Reha-Maßnahme antreten konnte. &bdquo;Acht Monate lang ging es mir wieder richtig gut. Ich bekam zusätzlich Ergotherapie, Muskelaufbautraining und Lymphdrainage." Aber dann habe ihre Krankenkasse entschieden, dass sie &bdquo;austherapiert" sei. Dadurch sei sie plötzlich in ein tiefes Loch gefallen. &bdquo;Man lässt sich hängen", beschreibt sie die Situation im Nachhinein.

Steckenpferd Wildvögel Durch Zufall sei sie auf eine Wildvögel-Gruppe bei Facebook gestoßen. &bdquo;Ich war fasziniert davon, wie schnell sich der Erfolg einstellte", freut sich Schramm noch immer. Sie habe neue insekten- und bienenfreundliche Pflanzen eingesetzt Futter bereitgestellt, und schon hätten viele Vögel sie besucht. &bdquo;Ich hatte keinen Plan, was da eigentlich alles in meinem Garten flatterte", sagt sie und muss lachen.

Sie fing an, sich mehr mit dem Thema zu befassen und wollte mit anderen Menschen diese Erfahrung teilen. &bdquo;Doch die Erwachsenen verstanden es nicht. Hunde und Katzen haben einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft, Kleintiere hingegen nicht und Wildtiere schon mal gar nicht", meint Schramm. Sie habe mehrere Kindergärten und Schulen angeschrieben, wollte den Kindern die Vögel ihrer Heimat näher bringen. Nur Ute Krause, Rektorin der Grundschule in der Senne, antwortete ihr.

Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es das Wildvögel-Projekt nun dort im Rahmen der OGS. Jede Woche macht die Honorarkraft etwas anderes mit den Kindern. Mal stellen sie Fettfutter her, dann bauen sie Nistkästen oder lernen die verschiedenen Vogelarten kennen. &bdquo;Wenn sich nur eines der Kinder im späteren Leben an das Projekt erinnert, hat man mehr erreicht, als sinnlose Diskussionen mit Erwachsenen zu führen", ist Schramm überzeugt, die seit ihrer missglückten Operation nur noch bis zu drei Stunden am Tag arbeiten kann.

Nachbarn helfen Nachbarn

Doch die Pandemie brachte das Projekt an der Grundschule fast zum Erliegen. In dieser Zeit las Manuela Schramm viel in den lokalen Facebook-Gruppen: &bdquo;Alle schrieben, man sollte was machen, aber keiner machte wirklich was. Dann dachte ich mir, mache ich eben etwas." Eines Abends gründete sie die Augustdorfer Nachbarschaftshilfe, richtete eine Facebook-Seite ein, der schnell etwa 40 Menschen beitraten. Unter dem Motto &bdquo;Miteinander – Füreinander" kauften sie für ältere und kranke Menschen ein oder gingen mit dem Hund Gassi. &bdquo;Ich hatte einen Pool an Helfern, aus dem ich schöpfen konnte. Daraus habe ich die richtigen Leute zusammengebracht", sagt Schramm.

Als zu Beginn der Pandemie die Masken noch rar waren, habe eine Frau Masken genäht. &bdquo;Wir sind überrannt worden mit Anfragen. Das konnte sie nicht alleine bewerkstelligen. Also habe ich im Freundeskreis nachgefragt und eine Nähmaschine geschenkt bekommen. Somit konnte ich mithelfen", erinnert sie sich.Bei der Ausgabe habe sich damals eine lange Schlange gebildet. &bdquo;Die Dankbarkeit, die uns entgegen gebracht wurde, war phänomenal", freut sich Schramm noch immer. Von dem Trinkgeld, dass die Bürger den Helfern der Nachbarschaftshilfe zusteckten, sei man im Sommer, als die Infektionszahlen niedrig waren, gemeinsam Essen gewesen. Dort hätten sich die Helfer zum ersten Mal live gesehen, sei doch der Kontakt aus Schutzgründen zuvor nur über Telefon und Nachrichten abgelaufen.

Herbstmarkt statt Herbstkirmes Doch über das Essen kann sich Schramm nicht freuen. Sie könne seit der OP weder etwas riechen noch etwas schmecken: &bdquo;Weil ich weiß, wie das ist, kann ich die Angst vieler Menschen vor einer der Langzeitfolgen des Coronavirus nachvollziehen. Es geht ein Stück Lebensqualität damit verloren."

Nachdem das Engagement im Sommer nicht mehr so stark nachgefragt gewesen sei, gebe es aktuell wieder ein paar Anfragen, so die 60-Jährige, die auch im Herbst ihr Engagement bewies. &bdquo;Alles krähte, es sei ja nichts mehr los im Dorf, als klar war, dass die Kirmes ausfällt", blickt Schramm zurück. Dann kam ihr die Idee, erstmals einen Herbstmarkt auszurichten. Kurzerhand schickte sie das Konzept zur Gemeinde, fragte ihren ehemaligen Nachbarn Gerhard Krumbach, ob er einen Teil des Rewe-Parkplatzes zur Verfügung stellen würde, und fragte auch die heimischen Vereine an.

Tun, was richtig ist Klingt nach ganz schön viel Arbeit. &bdquo;Ich sehe die Organisation nicht als Hürde an, aber das angekündigte Regenwetter war schon eine Herausforderung", erinnert sich die engagierte Frau. Doch sieben Telefonate später hatte sie auch das Problem gelöst: Die Bundeswehr stellte Pavillons bereit. Schon jetzt liefen die Planungen für ein Frühlingsfest, verrät die Organisatorin.

Würde sie sich überall so aktiv und mit Herzblut einbringen, wie hier in Augustdorf? Manuela Schramm: &bdquo;Nein, aber ich habe hier im Ort so viel Unterstützung erfahren – vor allem von Frau Krause und vielen lieben Augustdorfern. Die Wildvögel sind mein Herzensprojekt geworden. Ich musste mich aus dem Tod wieder ins Leben kämpfen. Das ist nicht schön, aber es lohnt sich. Daher will ich mich jetzt nicht mehr mit unwichtigen Dingen aufhalten, sondern das machen, was ich für richtig halte."

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