Bad Salzuflen. Zwischen den Ratsfraktionen bahnt sich ein handfester Streit um die Zukunft der Britensiedlung an. Union, FDP, Freie Wähler und Piraten wollen, dass die Verwaltung die Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) abbricht: Sie wollen das Quartier keinesfalls kaufen. Einen entsprechenden Antrag haben die Parteien auf den Weg gebracht. SPD, Grüne und Linke wollen dagegen, dass die Verhandlungen weitergeführt werden. Sollte der Antrag der Union im Rat eine Mehrheit finden, bringt die SPD die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens ins Spiel.
Wie berichtet, wartet die Stadt nach wie vor auf die Kaufverträge für die Britensiedlung. Der endgültige Preis, den die Kommune für die rund viereinhalb Fußballfelder große Fläche mit ihren knapp 60 Gebäuden bezahlen müsste, steht noch nicht fest. Bad Salzuflen hat im Haushalt zehn Millionen Euro für den Erwerb eingeplant.
Sanierung zu teuer
Die Union will nun die Reißleine ziehen. „Wir können uns als Stadt keine solche Fläche aufbürden, weil wir nicht beurteilen können, was an damit verbundenen zusätzlichen Kosten noch auf uns zukommt", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Hans-Joachim Lücking, gegenüber der LZ. Die Union befürchte, dass die Gebäude in einem erheblichen Umfang saniert werden müssten, so Lücking. „Das ist vor dem Hintergrund der desolaten Haushaltssituation nicht vertretbar." Zudem kritisiert Lücking, dass sich die Verhandlungen mit der BImA zu lange hinziehen. Ähnlich sehen das FDP, Freie Wähler und Piraten. Letztere hatten sich ursprünglich eher für einen Kauf ausgesprochen. „Trotz vieler Bedenken", wie Fraktionsvorsitzende Mirjam Sturmann-Püttcher sagt. Man sehe nun allerdings die Gefahr, dass die Stadt wieder in ein Haushaltssicherungskonzept rutscht.
Der Hintergrund, dass sich eine Mehrheit der Ratsfraktionen – mit der CDU – einst dafür ausgesprochen hatten, Verhandlungen mit der BImA zu führen, war vor allem, dass man mit einem möglichen Kauf Einfluss auf die weitere Entwicklung des Geländes nehmen wollte. Im Raum stand bisher, dass eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft einen Teil der Gebäude dann von der Stadt übernimmt und dem Sozialen Wohnungsbau vorbehält. Auch junge Familien sollen sich dort ansiedeln.
Die Gegner des Kaufs wollen diese Ziele nun mit einem Bebauungsplan oder einer Sanierungssatzung gewährleisten. Damit soll die Stadt steuern, welche Investoren kaufen. Ein entsprechender Bebauungsplan solle zeitnah aufgestellt werden, so Lücking.
Freier Markt als Gefahr
Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Eduard Böger, hält das für eine Illusion. „Die BImA wird meistbietend versteigern. Und wenn jemand ein Haus gekauft hat, gehört es ihm, und er kann vermieten, an wen er möchte." SPD, Linke und Grüne wollen erst nach Abschluss der Vertragsverhandlungen entscheiden, ob ein Kauf seitens der Stadt infrage kommt. „Wir dürfen das Areal nicht einfach dem freien Markt überlassen", sagt Böger.
Er befürchtet, dass sich das Quartier zu einem sozialen Brennpunkt entwickeln könnte wie etwa der Wohnpark Ehrsen (die LZ berichtete). Entwickele sich das Quartier in die falsche Richtung, käme auf die Stadt ein Riesenaufwand zu, um die Probleme beispielsweise mit Sozialarbeit wieder einzudämmen. Für Hans-Joachim Lücking sind das „Horrorszenarien". Er geht davon aus, dass ein stringenter Bebauungsplan die richtigen Investoren anlockt.
Ob die gewünschte Entwicklung tatsächlich mit einem Bebauungsplan gesteuert werden kann? Technischer Beigeordneter Bernd Zimmermann zeigt sich eher skeptisch: „Bei einem bebauten Gebiet wie der Britensiedlung gibt es nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, über die Bauleitplanung Einfluss auf die Bewohnerstruktur zu nehmen." Es wäre allerdings auch denkbar, dass die Stadt nur einen Teil der Gebäude oder des Geländes kauft. Zimmermann: „Die Politik muss entscheiden, wie stark sie auf die Entwicklung des Gebietes Einfluss nehmen möchte. Der Rat hat bisher das Ziel verfolgt, dort bezahlbaren Wohnraum, insbesondere für Familien mit Kindern, zu schaffen."
Gegen einen Teilverkauf
Von der BImA heißt es auf LZ-Anfrage, wenn es zu keinem Kauf durch die Kommune komme, werde die BImA gemeinsam mit der Stadt entscheiden, wie die schnelle Bereitstellung von bezahlbaren Wohnraum erreicht werden könne.
Die nächste Ratssitzung findet am 2. Oktober statt. Bleiben alle Parteien bei ihrer Haltung, hätte der Antrag von Union, FDP, Freien Wählern und Piraten eine Mehrheit. Die Folge: Der Kauf wäre vom Tisch. Damit will sich Sozialdemokrat Böger allerdings nicht geschlagen geben: „Ich kann mir schwer vorstellen, dass die SPD unter den Umständen dem Haushalt zustimmen würde." Auch ein Bürgerbegehren hält er für möglich. So hatten sich die Bad Salzufler 2003 mehrheitlich gegen einen Teilverkauf der Stadtwerke ausgesprochen, wie ihn damals die CDU befürwortet hatte.
Zügel in der Hand behalten
Ein Zwischenruf von Sven Kienscherf
Die Gegner eines Kaufs der Britensiedlung durch die Stadt haben recht, wenn sie sagen, dass ein Erwerb weitere Folgekosten nach sich ziehen kann. Wer weiß schon, was für Schadstoffe vielleicht noch in den Gebäuden lauern? Auch die bedenkliche Haushaltslage ist ein Argument, sich keinen derartigen Klotz ans Bein zu halten.
Aber: Ob sich die gewünschte Ansiedlung von jungen Familien mit einem Bebauungsplan steuern lässt, ist fraglich. Und was ist mit dem Sozialen Wohnungsbau? Hier muss Bad Salzuflen in den kommenden Jahren dringend aufstocken. Und das geht am besten, wenn die Stadt bei dem Quartier die Zügel in der Hand behält. Sinnvoll ist es, zunächst einmal das Angebot der BImA abzuwarten. Auf ein paar Monate mehr oder weniger kommt es dabei nicht an. Gibt man die Chance auf eine gesteuerte Quartiersentwicklung erst einmal aus der Hand, lässt sich das kaum mehr zurückholen.