Salzufler Einzelhändler: Von Internet-Neulingen und alten Instagram-Hasen

Bad Salzuflen. Susanne Becker wischt über ihr Tablet, dann hat sie das richtige Foto gefunden: eine Auswahl von Kleidungsstücken in knalligen Gelb-Tönen, aufgenommen in ihrem Laden &bdquo;Trend Outlet". Als sie das Foto ins Internet stellt, wird es innerhalb weniger Tage gut 500 Mal geklickt, erzählt sie. Sie kann es selbst kaum glauben und ist von der Resonanz total überrascht. Denn das Internet war zumindest von Berufs wegen für die 61-Jährige bislang ein völlig unbekanntes Terrain.

Doch genau das wollte Susanne Becker ändern. Als das Stadtmarketing im Herbst zu Workshops rund um die Digitalisierung des stationären Einzelhandels mit der Firma &bdquo;Evomation" einlädt, ergreift sie die Chance. Und ist froh, als eine von acht Einzelhändlern die Herausforderung angenommen zu haben. &bdquo;Alleine hätte ich es nicht geschafft", sagt sie.

Mit Corona kam das Grübeln

Heute, zwei Monate später, sitzt sie in der Mittagspause in ihrem kleinen Bekleidungsgeschäft an der Steege, das sie seit 2004 führt. Pullis und Accessoires sind nach Farbtönen sortiert, hinter dem Tresen leuchtet Weihnachtsdeko. Der Laden lief immer gut, sagt Susanne Becker, aber dann kam Corona. Und sie kommt ins Grübeln, ob sie nicht doch noch mehr tun könnte, um Kunden anzulocken.

Kann sie – das nimmt sie aus den Workshops schon mal auf jeden Fall mit. An acht Terminen lernten die Teilnehmer darin erst einmal die Grundlagen der Online-Präsenz. Unter anderem ging es darum, wer überhaupt die eigene Zielgruppe ist, wie man für seine Kunden online einen Mehrwert generiert oder wie man via Internet für seine Kundschaft erreichbar bleibt. &bdquo;Viele Einzelhändler sind schon lange genervt vom Thema Digitalisierung und dass sie immer wieder von Agenturen hören, sie müssten dies und das tun. Wir wollten allen die Möglichkeit geben, überhaupt erstmal herauszufinden, welche Maßnahmen für jeden einzelnen ganz individuell die richtigen sind", sagt Michael Meese.

"Online schließt den stationären Einzelhandel nicht aus"

Er ist einer der Geschäftsführer von &bdquo;Evomation", einem Salzufler Unternehmen, das sich auf die Digitalisierung von kleinen Unternehmen und mittelständischen Betrieben spezialisiert und die Schulungsinhalte entwickelt hat. Er weiß: &bdquo;Die Einzelhändler müssen sich bewegen, aktuell passiert da in Salzuflen noch nicht viel." Die Händler müssten sich klar machen, dass Online den stationären Einzelhandel eben nicht ausschließe. Und: Dass Digitalisierung mehr sei, als nur Social Media und ein Online-Shop.

Den will Susanne Becker auf keinen Fall, so viel steht fest – das wäre bei ihrem Sortiment mit zahlreichen Einzelstücken viel zu viel Aufwand, sagt sie. Aber inzwischen hat sie sich einen &bdquo;Google My Business"-Account angelegt, ist damit auch über Google Maps zu finden, erzählt sie sichtlich stolz. Und das darf sie auch sein, freut sich Michael Meese: &bdquo;Frau Becker hat einen riesen Sprung nach vorn gemacht", sagt er.

Als nächstes kommt die eigene Website und der Instagram-Auftritt

Gemeinsam mit &bdquo;Evomation" wird als nächstes noch eine Visitenkarten-Website erstellt, und dann könnte sich Becker noch vorstellen, auf Instagram aktiv zu werden. Von Null auf Hundert quasi. &bdquo;Man sagte mir, ich soll es einfach mal versuchen. Es kann ja nichts passieren", sagt Susanne Becker und lacht. Und vor allem am Fotografieren hat sie schon richtig Spaß gefunden. Auch wenn das richtige Motiv zu finden, manchmal gar nicht so einfach ist. Ihre große Hoffnung ist aber, dass sie über die neue Internetpräsenz auch Kunden von außerhalb oder gar jüngeres Publikum auf sich aufmerksam zu machen und in den Laden zu locken.

Bestes Beispiel, dass das durchaus funktioniert, ist Christina Göckemeyer (52). Die Inhaberin von &bdquo;Wäsche Richter" steht ein paar Meter weiter in ihrem Laden an der Langen Straße und verpackt einen Pyjama in weihnachtliches Geschenkpapier. Seit fünf Jahren führt sie das Geschäft, genauso lange füttert sie regelmäßig ihren Facebook-, inzwischen vor allem ihren Instagram-Account. Aktuell postet sie täglich eine Art Adventskalender, schon mehrfach ist sie darauf angesprochen worden. &bdquo;Das freut mich, weil es mir zeigt, dass wir doch etwas richtig machen", sagt sie. Und wenn dadurch noch mehr Kunden in den Laden kommen – umso besser.

450 Follower für "Wäsche Richter"

450 Follower hat sie auf Instagram aktuell, die stillen Mitleser nicht eingerechnet. Aber auch wenn sie online schon recht aktiv ist, haben ihr die vom Stadtmarketing angebotenen Workshops, an denen sie ebenfalls teilgenommen hat, doch noch einiges gebracht. Künftig will sie etwa ihre Webseite ein wenig auffrischen, in den Sozialen Medien noch regelmäßiger posten, ihre Serviceleistungen besser bewerben und neue Kunden gezielter ansprechen. Mit neuen Darstellungsformen hofft sie, Kunden aus ganz Ostwestfalen-Lippe in ihr Fachgeschäft zu locken. &bdquo;Ich sehe einfach den Mehrwert darin, online präsent zu sein."

Den sehen ihrer Meinung nach allerdings noch viel zu wenige Bad Salzufler. &bdquo;Gerade für viele ältere ist es schwierig, sich darauf einzulassen", bestätigt auch Susanne Becker. Christina Göckemeyer hofft dennoch, dass noch mehr den Schritt ins Internet wagen. &bdquo;Man muss selbst aktiv werden, und das ist schon mit kleinen Mitteln zu machen", sagt sie. Am Ende profitiere schließlich die gesamte Stadt davon, wenn möglichst viele Händler über ihre Internetauftritte Kunden in die Läden lockten.

Zugriff auf Daten als großer Vorteil

Auf einen weiteren Aspekt, den das Internet bietet, weist Digital-Expertin Ute Becker vom Lemgoer Unternehmen &bdquo;G-force" hin: &bdquo;Auch Einzelhändler haben jetzt Zugriff auf Daten, die ihnen Informationen über ihre Zielgruppen, deren Kaufverhalten und Interessen aufzeigen. Genau mit diesen Informationen ist eine gezielte Kundenansprache möglich, die mehr Umsatz verspricht."

Und auch für Michael Meese steht fest: &bdquo;Als Unternehmer muss man sich mit Veränderungen auseinandersetzen", sagt er. Zumindest bei seinen Workshopteilnehmern hat das schon mal gut geklappt, davon ist er überzeugt. &bdquo;Jeder hat sich genau das herausgepickt, was auf ihn und sein Geschäft passte", sagt er. Das Ziel, den Einzelhändlern eine neue Sichtweise auf das große Thema Online zu vermitteln, hat seiner Meinung nach in jedem Fall geklappt. Jetzt geht es nur noch darum, das Erlernte auch umzusetzen. &bdquo;Jeder hat nun das Handwerkszeug, um entweder selbst etwas zu tun oder aber auch Dienstleistern, die die eigenen Ideen umsetzen sollen, auf Augenhöhe zu begegnen."

Neue Schulungsrunde ist für 2021 schon geplant

Mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt sich Stadtmarketing-Chef Oliver Siekmann schon länger. Richtig Fahrt aufgenommen hat das Ganze dann aber durch die Corona-Krise. Nach einem Antrag der CDU im Juni waren dem Stadtmarketing zudem 25.000 Euro von der Stadt zur Verfügung gestellt worden, um die Digitalisierung des Einzelhandels zu fördern. Siekmann nahm daraufhin Kontakt mit dem Salzufler Unternehmen &bdquo;Evomation" auf, und gemeinsam entwickelte man die Idee, zuerst einmal das nötige Wissen zu vermitteln. Acht Einzelhändler nahmen ab Oktober an acht Workshops in den Räumen der Volkshochschule teil und lernten damit die Grundlagen der Digitalisierung kennen. Der letzte Workshop-Termin wurde aufgrund von Corona ins neue Jahr verschoben. 2021 will Siekmann zudem regelmäßig weitere Themenabende anbieten. Auch soll es eine neue Schulungsrunde geben.

"Auf dem Weg ins Internet? Gefällt mir!" Ein Kommentar von Alexandra Schaller

Der Salzufler Einzelhandel ist ein Paradebeispiel für viele kleine und mittelgroße Städte: Gerade inhabergeführte Geschäfte verzichten häufig komplett auf einen Internetauftritt – in welcher Form auch immer. Aber die Zeiten, in denen das problemlos möglich war, sind vorbei.

Einige Salzufler Einzelhändler haben das erkannt und sind Teil des Workshop-Angebots des Stadtmarketings geworden. Ob sie sich vorab viel davon versprochen haben oder nicht – immerhin haben sie den Schritt gewagt, die Augen vor der Realität nicht länger verschlossen und sich intensiv mit sich, ihrem Geschäft und dem großen Thema Online auseinandergesetzt. Und genau das ist der erste Schritt in die richtige Richtung.

Natürlich wird das Internet den persönlichen Kundenkontakt und das gemütliche Ambiente eines kleinen Ladens in der Innenstadt nie ersetzen können. Aber: Vielleicht wird der eine oder andere über den Online-Auftritt überhaupt erst auf den Laden aufmerksam und entschließt sich daraufhin zu einem Besuch. Es führt kein Weg daran vorbei: In der heutigen Zeit und gerade auch während Corona müssen sich Einzelhändler mit dem Thema Online auseinandersetzen und ein für das eigene Geschäft passendes Konzept finden. Davon kann am Ende nicht nur der einzelne Laden, sondern bestenfalls die gesamte Stadt profitieren – auch die Kurstadt.

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