Frau aus Bad Salzuflen räumt Wohnung wegen Bauordnungsamt

Bad Salzuflen-Retzen. Iris Lange wirft noch einmal einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Es ist möglicherweise das letzte Mal. Fast zehn Jahre lang hat sie in der gut 60 Quadratmeter großen Wohnung gelebt, gestern hat die 57-Jährige ihr Zuhause geräumt. So wollte es das Bauordnungsamt Bad Salzuflen.

Bereits im September vergangenen Jahres hatte unsere Redaktion über den Fall berichtet. Noch heute werde sie auf den Artikel angesprochen, erzählt Iris Lange. Bei vielen Lesern hatte ihre Geschichte Kopfschütteln über die Verwaltung ausgelöst.

Ein kurzer Rückblick: Im August 2020 hatte das Bauordnungsamt ihr eine sechsmonatige Frist gesetzt, an deren Ende sie nun ihre Wohnung verlassen musste. Der Grund: Für die Nutzung als Wohnraum gibt es keine Baugenehmigung. Nicht nur Lange war damals perplex, auch ihr Vermieter zeigte sich überrascht. Er wohnt in einem Haus direkt nebenan. 46 Jahre lang hätten Menschen in dem kleinen Nebengebäude über der Garage gewohnt, berichtet der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nie habe es Probleme gegeben.

Auch Iris Lange betont, dass sie seit ihrem Einzug ordentlich in der Wohnung gemeldet sei, nie habe es eine Nachfrage gegeben. Das Gebäude hat eine eigene Hausnummer, sie habe eine eigene Gelbe Tonne, sagt Lange. &bdquo;Die Stadt hat eine Zentralheizungsanlage genehmigt, und es gibt einen eigenen Stromzähler", sagt ihr Vermieter. &bdquo;Es ist ja nicht so, dass wir hier irgendetwas vertuschen wollten", stellt Lange fest. Auch das Bauordnungsamt habe bestätigt, dass die Wohnung in Sachen Fenster, Brandschutz und Fluchtweg in Ordnung sei, so der Vermieter.

Einigungstermin verlief erfolglos Dennoch: Genehmigt wurde das Dachgeschoss, in dem Lange lebt, beim Bau in den 1970er Jahren nur als Heu- und Strohboden sowie als Futtermittellager. Das bestreitet auch der Vermieter nicht. Allerdings: &bdquo;Die Gesetze sind doch völlig veraltet und müssten ganz einfach von der Bundespolitik geändert werden", meint er. Der Mann vermutet, dass das Bauordnungsamt im Zuge von Vermessungsarbeiten auf den Fall aufmerksam geworden war.

Wie auch immer: Ein Einigungstermin bei der Stadt verlief erfolglos. Die Verwaltung habe lediglich einen Fristaufschub in Aussicht gestellt, dafür hätten Lange und ihr Vermieter auf eine Klage gegen die Bauordnungsverfügung verzichten müssen. Das sei aber nicht infrage gekommen. Die Stadt will sich mit Blick auf ein laufendes

Verwaltungsstreitverfahren nicht zu dem Fall äußern. Iris Lange lebt von Sozialhilfe, seit sie in einen Burnout gerutscht war. &bdquo;Vorher habe ich 25 Jahre als Selbstständige im Bereich Veranstaltungstechnik gearbeitet", berichtet sie. Die Wohnung, die sie nun verlassen musste, war für sie ein großes Glück zu einem kleinen Preis: naturnah, 400 Euro warm, die Räume in einem sichtlich guten Zustand. Umso größer war der Schock, als Iris Lange sich nach einer neuen Bleibe umsehen musste. &bdquo;Es gibt einfach keinen bezahlbaren Wohnraum", sagt sie. Auf 60 bis 70 Anzeigen habe sie sich gemeldet. 400 Euro kalt könne sie für eine Wohnung bezahlen. &bdquo;Meist habe ich nicht mal eine Antwort erhalten." In einem Fall habe sie mit mehr als 130 Mitbewerbern um die Wohnung konkurriert. Ein anderes Mal habe sie für das Geld eine völlig verwahrloste Wohnung angeboten bekommen, in der sich schon der Boden gewellt habe.

Zwar habe die Stadt ihr in Aussicht gestellt, sie bei der Wohnungssuche zu unterstützen, konkreter sei es aber nie geworden. &bdquo;Am Ende habe ich durch eigenes Vitamin B eine Wohnung gefunden, sonst wäre ich wohl in einer Notunterkunft gelandet", sagt Lange. Ihr nunmehr Ex-Vermieter ist sich noch nicht sicher, welche Schritte er jetzt gehen will. Er könnte nachträglich versuchen, die Nutzung als Wohnung genehmigen zu lassen. Dazu müsste er oder Lange aber vor das Verwaltungsgericht in Minden ziehen. Ein Verfahren sei aber kompliziert, teuer und der Ausgang völlig ungewiss. &bdquo;Die Chancen auf einen Erfolg stehen 50:50", sagt er.

Ihre neue Wohnung liege in einer anderen Stadt, etwa 20 Kilometer entfernt, berichtet Lange. Allerdings sei sie viel kleiner, nur 39 Quadratmeter groß. Nicht nur ihr soziales Umfeld muss sie nun zurücklassen. Von einem Großteil ihrer Möbel habe sie sich trennen müssen und von vielen ihrer geliebten Bücher. Am schwersten wiegt für sie der Verlust ihrer Katzen, sagt sie. Eins der beiden Tiere habe sie seit zwölf Jahren. Sie bleiben nun bei ihrem ehemaligen Vermieter. Iris Lange versucht, nach vorne zu gucken. Sie gehe nicht davon aus, dass sie in ihre alte Wohnung zurückkehren könne. &bdquo;Ich kann mich damit auch nicht beschäftigen, das würde mich mental zu viel Energie kosten."

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