Interview: Die soziale Komponente ist Michael Meier in Salzuflen besonders wichtig

Bad Salzuflen-Lockhausen. Wie sozial ist Bad Salzuflen? Mit dieser Frage befasst sich Michael Meier seit etlichen Jahren. Der Sozialdemokrat ist Vorsitzender des &bdquo;Netzwerks für Menschen mit Behinderung und Senior/-innen" (NBS), zudem ist er neuer Vorsitzender des Sozialausschusses der Stadt. Im Interview spricht der 64-Jährige über Versäumnisse der Politik in der Vergangenheit und über die gegenwärtige Entwicklung.

Herr Meier, in der Hierarchie der städtischen Ausschüsse steht der Sozialausschuss nicht unbedingt ganz oben. Muss man da besonders laut sein, um sich Gehör zu verschaffen?

Michael Meier: Ich werde jedenfalls versuchen, lauter zu sein, als es der Sozialausschuss in der Vergangenheit manchmal war. Sie haben Recht, es sind zwar Millionen, die von der Stadt für soziale Zwecke ausgegeben werden, aber das sind Pflichtaufgaben. Die Mittel über die wir als Sozialausschuss frei verfügen können, betragen wahrscheinlich weniger als 100.000 Euro im Jahr. Insofern ist er so gesehen nicht der bedeutendste Ausschuss der Stadt. Umso wichtiger ist es, dass die soziale Komponente bei allen Ausgaben und Planungen der Stadt von Anfang mitgedacht wird und nicht erst am Ende, wenn das Soziale entweder hinten rüber fällt oder noch ein bisschen Geld gespart werden soll.

Wie steht es denn um das Thema bezahlbares Wohnen? Die Verwaltung hat das Handlungskonzept Wohnen vorgelegt, indem festgestellt wird, dass es in der Stadt an günstigem Wohnungen fehlt...

Meier: Ich gehe davon aus, dass die Verwaltung weiter an dem Thema arbeitet. Derzeit werden das Südfeld und die Britensiedlung weiter entwickelt. Ziel muss es sein, mit freien Trägern oder einer städtischen Gesellschaft barrierearmen und bezahlbaren Wohnraum anzubieten, auch für große Familien. Rückblickend ist es sicher ein Fehler gewesen, dass wir vor Jahren die städtische Wohnungsbaugesellschaft verkauft haben. Dass war die Zeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts, als man der Ansicht war, dass Privatisierung alles regelt. Damals haben wir ein Gestaltungswerkzeug zur Schaffung von sozialem Wohnraum aus der Hand gegeben. Daran waren auch wir als SPD beteiligt. Jetzt muss ich selbstkritisch sagen: Der Markt regelt nichts.

I n der vergangenen Wahlperiode hat sich der Rat entschieden, die Britensiedlung nicht komplett zu erwerben, sondern es der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten zu überlassen, rund 50 Häuser und Grundstücke auf den Markt zu bringen. Wiederholen sich alte Fehler?

Meier: Es wäre richtig gewesen, dass die Stadt die Britensiedlung komplett kauft und dann selbst entwickelt. Die SPD war dafür, durchgesetzt hat sich aber die CDU. Generell bin ich dafür, dass die Stadt eigene Grundstücke nicht verkauft, sondern in Erbpacht überlässt. So behält man die Zügel in der Hand.

Wie kann die Stadt künftig verhindern, dass sich Soziale Brennpunkte wie der Wohnpark Ehrsen bilden?

Meier: Die Stadtplanung muss sich Gedanken machen, wie die Menschen zusammen leben sollen. Es kommt immer auf die soziale Mischung an und darauf, dass die Menschen Verantwortung für ihr Quartier übernehmen. Es ist schlecht, wenn es an einer Stelle nur günstige Wohnungen gibt, die von den Eigentümern schlecht instand gehalten werden. Wo ein Müllsack liegt, werden noch fünf dazu gelegt. Ist es sauber, bleibt es sauber. Aber die Stadtplanung wird nicht alle Probleme lösen können.

Also schickt die Stadt die AWO als Feuerlöscher rein, die dort ein niedrigschwelliges Angebot für die Bewohner bereithält. Ähnlich passiert es jetzt in Schötmar , wo die AWO Roma-Familien unterstützen will. Reicht das?

Meier: Die Projekte sind richtig und wichtig. Die Verhältnisse im Wohnpark Ehrsen haben sich stabilisiert, seit die AWO dort ist. Die niedrigschwelligen Angebote sind wichtig, weil sie von den Betroffenen ohne Hemmschwelle angenommen werden können und man ihre Schwierigkeiten überhaupt kennenlernt. Das Problem im Wohnpark sind auch die ständigen Eigentümerwechsel. Es ist schwer, dort einen Verantwortlichen auszumachen, wenn beispielsweise Reparaturen anstehen.

Wie steht es um Hilfe und Unterstützung für Senioren in Bad Salzuflen?

Meier: Als NBS haben wir eine sogenannte Lotsenfunktion, wir vermitteln Ansprechpartner, die helfen können. Das ganze Thema könnte man sicher ausbauen, die Frage ist, wie viel Geld die Stadt dafür ausgeben möchte. Fest steht, dass die Zahl der Seniorinnen und Senioren, die neben der Rente auf zusätzliche Leistungen des Staates angewiesen ist, stetig wächst. Insofern wäre der Ausbau des Angebots sicher sinnvoll.

Wie ist es um die Mobilität von Senioren oder Menschen mit Behinderung bestellt, die kein eigenes Auto haben und die in einem Ortsteil leben?

Meier: I ch kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass das Angebot des ÖPNV ausbaufähig ist. Nach einer Operation konnte ich sechs Wochen kein Auto fahren. Die Strecken mit dem Bus zurückzulegen, bedeutet, dass man sich über den Tag nicht allzu viel vornehmen darf. Taktungen und Verbindungen sind verbesserungsfähig (lacht). Wenn wir bei den Ortsteilen sind: Ich fände es gut, wenn Menschen, die nicht mehr alleine leben können, in Senioren-Wohngemeinschaften in den Ortsteilen unterkommen könnten, damit sie ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen müssten und sie von Bekannten problemlos besucht werden können. Das kann natürlich nicht die Stadt organisieren, dafür müssten sich freie Träger finden.

Die neue Koalition aus CDU und Grünen hat im Rat eine satte Mehrheit. Für die Parteien hat die Entwicklung des Tourismus und Gesundheitsstadtorts hohe Priorität. Und das Geld ist knapp. Fürchten Sie, dass soziale Themen da hinten anstehen müssen?

Meier: Wir werden sehen, ob der angestrebte Gesundheitscampus, von dem keiner so genau weiß, was das sein soll, zum Groschengrab wird. Aber generell finden sich auch ein paar gute Ideen in der Koalitionsvereinbarung. Der nächste Haushalt wird zeigen, welche politischen Schwerpunkte die neuen Koalitionäre setzen werden. Als größte Oppositionspartei werden wir uns konstruktiv einbringen, aber auch auf Fehlentwicklungen kritisch hinweisen.

Tut die Stadt in der Corona-Krise genug für Gruppen, die ohnehin schon benachteiligt sind?

Meier: Ich sehe die Stadt in der Verantwortung, die Bürger in der Pandemie zu unterstützen. Beispielsweise müsste die Stadt kreative Lösungen finden, damit Schüler auch während der Krise ihre Mittagsverpflegung bekommen, wenn sie nicht zur Schule gehen. In Bielefeld können sich Schüler die Pakete abholen. Wir müssen sehen, dass Menschen, die ohnehin schlechter gestellt sind, jetzt nicht doppelt bestraft werden. Ich habe den Eindruck, dass sich die Stadt auf die Pflichtaufgaben zurückzieht, die Verwaltung könnte da aktiver sein.

Das Interview führte Redakteur Sven Kienscherf.

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