Interview: Auf der Suche nach Antworten für die Kostenexplosion am Salzufler Rathaus

Bad Salzuflen. Viele Diskussionen hat es zuletzt rund um die Sanierung des Salzufler Rathauses gegeben. War 2018 noch lediglich eine Fassadensanierung angedacht, die 12,65 Millionen Euro kosten sollte, ist inzwischen von mehr als 30 Millionen Euro die Rede. Den Großteil der Mehrkosten hat die Politik inzwischen wie berichtet durchgewunken. Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen? Die Redaktion sucht beim Technischen Beigeordneten Bernd Zimmermann und Bauausschuss-Vorsitzenden Hans-Joachim Lücking (CDU) nach Antworten.

Nach dem Kostendebakel in Aspe ist es wieder passiert

Hans-Joachim Lücking: Die energetische Rathaus-Sanierung mit Kosten in Höhe von 12,65 Millionen Euro ist 2018 nicht im Fach-, sondern nur im Hauptausschuss und im Rat beschlossen worden. Der damalige Bürgermeister machte aufgrund der Fristen für die Fördermittel Druck. Wir mussten uns innerhalb von zwei Wochen entscheiden.

Hätte sich die Politik im Nachhinein mehr Zeit nehmen müssen?

Lücking: Es würde mir nie wieder passieren, dass ein so weitreichender Beschluss unter einem solchen Zeitdruck und ohne Beratung eines Fachausschusses gefasst wird. Vom Großteil der Fraktionen ist dieser Zeitdruck damals auch bemängelt worden. Man hätte auf die Bremse treten müssen und den Beschluss nicht ohne Beratung im Fachausschuss fassen dürfen. Diesen Fehler hat die Politik gemacht und das darf nie, nie wieder passieren.

Bernd Zimmermann: Das Projekt wurde Anfang 2018 in interfraktionellen Runden vorgestellt. Ich habe auch die Frage an meine Mitarbeitenden und den Verwaltungsvorstand gestellt, wie der Zustand des Gebäudes an sich ist und ob nicht ein Neubau die bessere Alternative wäre. Was an mich herangetragen wurde, ist das Thema Brandschutz. Daher wurde ein zweiter baulicher Rettungsweg vorgesehen. Andere Informationen zum Sanierungsstau am Rathaus sind mir nicht bekannt gewesen.

Zimmermann: "Ursachen liegen in der Vergangenheit" Hätten Sie damit bei einem 45 Jahre alten Gebäude nicht rechnen müssen?

Zimmermann: Ich denke, dass die Ursachen in der Vergangenheit liegen. Ich bin nicht dabei gewesen und ich will auch niemandem einen Vorwurf machen. Aber bei einer Fassadensanierung hätte man schon auch den sonstigen Sanierungsbedarf ansprechen müssen. Ich vermute, dass man aufgrund der Haushaltssicherung eine solche Sanierung aus finanziellen Gründen damals gar nicht hätte angehen können. Daher hat man sich auf die Fassade beschränkt.

Trotzdem sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass bei einem so alten Gebäude Sanierungsbedarf gegeben sein muss .

Zimmermann: Ich gehe davon aus, dass das auch den Mitarbeitenden im Fachdienst Hochbau in diesem Ausmaß nicht bekannt war. Erst bei der Fassadensanierung ist aufgefallen, dass wir in vielen Bereichen massiven Handlungsbedarf haben.

Zimmermann: "Dinge haben sich erst im Laufe der Umsetzung herausgestellt" Die Arbeiten starteten im September 2019, das ist zwei Jahre her. Warum liegt die genaue Kostenkalkulation erst jetzt vor?

Zimmermann: Anfang 2020 hat man den Kran aufgestellt, die Waschbetonplatten abgenommen und erst dann die vorhandenen Rohbautoleranzen festgestellt. Dann beginnt man, die ganze Fassadenaufhängung neu zu planen. Solche Dinge haben sich erst im Laufe der Umsetzung herausgestellt. Gleiches galt für die Schadstoffsanierung und den Brandschutz. Als die Baumaßnahme immer größer wurde, mussten wir die Architekten- und Ingenieurleistung neu ausschreiben. Wir haben hier nicht drei Jahre gesessen und nichts kommuniziert. Es ist ein Prozess gewesen.

Lücking: Spätestens nach dem Planerwechsel hätte die Verwaltung aber die neuen Zahlen vorlegen müssen, um aufzuzeigen, wo man steht und was jetzt teurer wird.

Zimmermann: Bei der ursprünglich geplanten Fassadensanierung sind wir im Kostenrahmen geblieben. Die Mehrkosten in Höhe von 9,6 Millionen Euro für die energetische und technische Sanierung setzen sich unter anderem aus Kosten für Brandschutz und Schadstoffsanierung sowie durch mehr als drei Millionen Euro Baukostensteigerung zusammen.

Lücking: Da die Kosten jetzt so aus dem Ruder laufen, muss es bei der damaligen Untersuchung des Gebäudes aber einige Versäumnisse gegeben haben. Vielleicht hat man gar nicht alles untersucht. Es wurde 2018 zumindest nicht alles aufgeführt, was am Ende gemacht werden musste.

Zimmermann: "Sanierungsstau in vielen Bereichen"

Herr Zimmermann, im Bauausschuss sagten Sie, dass Sie vieles nicht wussten, weil es vor Ihrer Zeit in Bad Salzuflen passierte

Zimmermann : Ich habe am 2. Januar 2018 hier angefangen und mir erst einmal einen Überblick über die Projekte verschaffen müssen. Und schnell festgestellt, dass es einen erheblichen Sanierungsstau in vielen Bereichen gibt. Das Rathaus ist da nur eine von vielen Maßnahmen. Die Ursachen dafür liegen aber in der Vergangenheit.

Inzwischen sind Sie seit drei Jahren im Amt, Sie hatten Zeit, sich einzuarbeiten. Hätten Sie nicht viel früher auf die Bremse treten und die Politik informieren müssen, als klar wurde, dass es zu Mehrkosten bei der Sanierung kommen wird?

Zimmermann: Wir haben zu der Maßnahme oft Sachstandsberichte im Bauausschuss gegeben. Im Hauptausschuss im Dezember 2020 habe ich auch auf mögliche Zusatzkosten und Risiken hingewiesen. Anschließend war das Ziel, eine Kostenberechnung anhand einer aktualisierten Entwurfsplanung zu erstellen – die wurde im Frühjahr 2021 erarbeitet. Ich selbst habe die Information seit Ende Juni. Bis dahin war der Kenntnisstand, dass wir uns im Rahmen bewegen.

Lücking : Wir sind im Ausschuss zwar über den Zeitplan informiert worden. Allerdings wurde niemals auch nur eine Zahl zu den Mehrkosten genannt – bis zur jüngsten Vorlage. Das hat uns erschreckt, denn so etwas hat es noch nie gegeben. Bei allen anderen Großbaustellen gab es regelmäßig Informationen zu Kostensteigerungen – etwa beim Schulzentrum Aspe. Dann hat man zumindest noch die Möglichkeit, an gewissen Stellschrauben zu drehen.

Lücking sieht die Verwaltung in der Bringschuld Wenn es keine Informationen zu Kostensteigerungen gab. Hätten Sie als Ausschuss nicht nachhaken und explizit danach fragen müssen?

Lücking: Wir hätten fragen können, da gebe ich Ihnen recht. Aber für mich ist eigentlich selbstverständlich, dass die Verwaltung da in der Bringschuld ist. Das ist bei allen bisherigen Baumaßnahmen auch immer so geschehen.

Warum dann nicht beim Rathaus, Herr Zimmermann?

Zimmermann: Dieses Bauvorhaben steht am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit. Sie können sich sicher sein, dass ich regelmäßig zu den Kosten nachgefragt habe.

Und haben darauf keine Antwort bekommen?

Zimmermann: Wie gesagt, ich kenne diese Zahlen seit Ende Juni. Ich will den schwarzen Peter jetzt auch nicht in Richtung Fachdienst schieben. Das Ganze hat sich entwickelt. Man muss auch wissen, dass so eine Entwurfsplanung Zeit braucht. Es macht keinen Sinn, vorher mit Zahlen, die nicht belastbar sind, in die Politik oder in die Öffentlichkeit zu gehen. Aber jetzt legen wir alles auf den Tisch, um eben nicht den Eindruck zu erwecken, dass wir eine Art &bdquo;Salami-Taktik" an den Tag legen.

Lücking: Wir wollen niemandem die Schuld zuweisen. Aber die Information, dass es teurer wird, die hätten wir uns einfach gewünscht und die ist leider nicht gekommen. Da nehme ich auch den damaligen Bürgermeister in die Pflicht.

Zimmermann: Hätten wir die Kosten früher kommunizieren können, hätten wir das gemacht. Sobald sie auf dem Tisch lagen, war mir klar, dass wir damit sofort in die politischen Gremien müssen.

Salami-Taktik

Stichwort &bdquo;Salami-Taktik", die wurde der Verwaltung im Bauausschuss zuletzt vorgeworfen. Zudem wurden Zweifel an der Fachkompetenz Ihrer Mitarbeiter geäußert. Können Sie das nachvollziehen, Herr Zimmermann?

Zimmermann: Ich nehme meine Mitarbeiter komplett in Schutz. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie ihre Arbeit korrekt machen und dass keiner mit Informationen bewusst oder unbewusst hinterm Berg hält. Ich finde es auch unfair, den Mitarbeitern, die größtenteils noch nicht lange hier arbeiten, zu sagen: Ihr seid schuld an den Kostensteigerungen. Denn der Sanierungsstau ist über viele Jahre entstanden. Aber bei dem Investitionsvolumen, das wir momentan mit ein paar wenigen Leuten bewegen, entstehen sicher Situationen, in denen man mehr kommunizieren könnte. Weil aber viele Sachen gleichzeitig laufen, ist manches vielleicht nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgt.

Also spielt Personalmangel eine Rolle?

Zimmermann: Im Zuge der Haushaltssicherung haben wir im personellen Bereich viele Einsparungen hinnehmen müssen. Darin sehe ich ein Problem, da wir für diese Vielzahl an Baumaßnahmen in der Stadt eine qualifizierte Personalausstattung brauchen. Wir haben inzwischen zwei Ingenieurstellen für den Hochbau bekommen und müssen diesen Fachdienst organisatorisch und personell neu aufstellen. Da sind wir mit der neuen Gebäudewirtschaft aber dran.

Misstrauen gegenüber Politik und Verwaltung Herr Lücking, im Bauausschuss hieß es auch, dass durch das jetzige Vorgehen das Misstrauen der Politik in die Verwaltung und in künftige Vorlagen wächst. Geht Ihnen das auch so?

Lücking: In meiner ganzen Zeit hier im Haus habe ich nie Misstrauen gegenüber der Verwaltung verspürt. Man ist jetzt einfach enttäuscht, dass diese Informationen nicht vernünftig kommuniziert worden sind. Den größten Vorwurf mache ich aber dem damaligen Bürgermeister, der die Baumaßnahme über seine komplette Amtszeit begleitet hat und sich nicht ein einziges Mal – bis auf das vehemente Drängen im Hauptausschuss – mit der Maßnahme befasst hat.

Ein Neubau ist völlig anders zu kalkulieren als eine Sanierung im Bestand. Warum war das keine Option?

Zimmermann: Ein Neubau hätte damals rund 40 Millionen Euro gekostet. Das wäre politisch nicht durchsetzbar gewesen.

Lücking: Die Politik hat 2018 fraktionsübergreifend kritisch hinterfragt, was ein Neubau kosten würde. Bei den genannten Kosten hat man die Neubau-Variante aber direkt verworfen und sich für die Sanierung samt Förderung entschieden.

Zimmermann: Bei heutigen Preisen lägen wir mit einem Neubau sogar bei 50 Millionen Euro.

Lücking : Ehrlicherweise muss man da aber berücksichtigen, dass die Kosten 2018 noch ganz andere waren. Zumal man mit einem Neubau im Zeitplan wäre – wir könnten jetzt schon fertig sein. Hätten wir damals von den jetzigen Kosten gewusst, wären wir wahrscheinlich direkt auf die Neubaulösung gegangen.

Herr Zimmermann, Sie sprechen gerne vom &bdquo;Fluch der ersten Zahl". Das wären in diesem Fall die 12,65 Millionen Euro.

Zimmermann: Wenn erst einmal eine solche Zahl im Raum steht, wird man immer daran gemessen. Auch, wenn die Umsetzung einer Baumaßnahme erst fünf Jahre später erfolgt, einen anderen Umfang hat und wir Baukostensteigerungen von mehr als 20 Prozent haben. Und das ist ein großes Problem.

Allerdings braucht die Politik ja eine erste Hausnummer, um eine Entscheidung zu treffen.

Zimmermann: Diese erste Zahl ist eine grobe Kostenannahme und keine dezidierte Planung. Die Kosten konkretisieren sich, je weiter die Planung voranschreitet.

Lücking: Kostensteigerung kann vorab eingeplant werden Also kann man sich auf diese erste Zahl, die von der Verwaltung kommuniziert wird, grundsätzlich nie verlassen?

Zimmermann: Man muss einfach wissen: Je früher man in einem Planungsprozess ist, desto größer sind die Abweichungsmöglichkeiten. Je näher man dann an die Ausführungsplanung kommt, desto geringer wird diese Abweichung und umso genauer werden die Zahlen.

Lücking: Aber es gibt auch da Wege. Beim Bau der Feuerwache hat der Architekt etwa direkt 15 Prozent Puffer eingeplant. So könnte man Kostensteigerungen ausschalten.

Was nehmen Sie beide aus dieser Misere jetzt mit?

Lücking: Die Gebäudewirtschaft, die im Zuge der Neuausrichtung der Verwaltung durch den neuen Bürgermeister am 1. Januar an den Start geht, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Damit haben wir einen Überblick über alle Gebäude. Das hätte man schon viel früher machen müssen. Künftig müssen wir zudem immer prüfen, ob bei einer Bestandssanierung ein Neubau nicht die bessere Alternative wäre.

Zimmermann: Ich kann das nur unterstreichen. Grundlage für gute Arbeit ist zudem eine vernünftig ausgestattete Verwaltung mit qualifiziertem Personal. Da sind wir jetzt dran.

Lücking: Am Ende müssen wir durch die Sanierung jetzt durch. Wir können die Maßnahme nicht in Frage stellen, wir haben Verantwortung für die Mitarbeiter im Rathaus. Aber: Wir brauchen künftig auch eine klare Linie. Solche Auswüchse dürfen nicht mehr passieren.

Interview: Auf der Suche nach Antworten für die Kostenexplosion am Salzufler Rathaus

Nach sechs Jahren: Der Rathausumbau in Bad Salzuflen steht vor der Vollendung

Ungenutzte Stadtgutscheine finanzieren neuen WC-Container am Detmolder Rosental

Entscheidung naht: Wie es mit dem Bad Meinberger weitergehen könnte

Idee: Umbau zum Sport- und Freizeitzentrum für Bad Meinberg

In welche Bauprojekte die Stadt Bad Salzuflen 2025 Millionen investiert

Mittelstraße 32: Warum die Extertaler Kommunalpolitiker „irritiert“ sind

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €