Salzufler Hoteliers und die Krise: „Die Achterbahnfahrt geht immer weiter“

Bad Salzuflen. Kabel hängen aus den Wänden, Fußbodenbeläge wurden herausgerissen, in einer Decke klafft ein großes Loch. Wenn Swetlana Lenger im Moment durch die erste Etage des Altbaus ihres Kurpark-Hotels an der Parkstraße führt, erinnert nicht viel mehr als der Ausblick auf die Gradierwerke an Urlaub. Ansonsten herrscht hier aktuell eher Baustellenatmosphäre.

Swetlana und Matthias Lenger nutzen die Zeit des Betriebsurlaubs von Anfang Januar bis Ende Februar, um dringend notwendige Renovierungsarbeiten anzugehen. Doch das kann sich gerade nicht jedes Gästehaus leisten. Schuld sind die hohen Einbußen durch die Corona-Krise, es fehlt schlichtweg das Geld für Investitionen. Und das könnte langfristig zu einem Sanierungsstau führen, warnt der Salzufler Verein &bdquo;Kur- und Touristik".

Denn: Wer nicht in sein Haus investiert, verliert auf Dauer Gäste. Und weniger Gäste bedeuten weniger Einkommen – ein Teufelskreis, betonen Michael Sasse und Swetlana Lenger vom Vorstand des Vereins, in dem gut 78 Beherbergungsbetriebe mit 2300 der insgesamt 2600 privaten Salzufler Betten vertreten sind.

Größere Arbeiten sind auch für Sasse aktuell nicht drin

Michael Sasse kennt das Problem selbst: Seit gut 16 Jahren führt er das Kurparkhaus keine 200 Meter von Lengers entfernt an der Parkstraße. Eigentlich hatte er schon im vergangenen Jahr zwei Zimmer renovieren wollen. Aber größere Arbeiten sind im Moment einfach nicht drin. Stattdessen geht er nur das an, was er selbst leisten kann. Streichen zum Beispiel.

20 Zimmer mit 25 Betten zählt Sasses Haus, schon Ende Oktober ist er in Betriebsurlaub gegangen, um Heiz- und Personalkosten zu sparen – bis Ende März bleibt das Hotel nach jetzigem Stand geschlossen. In normalen Jahren steckt er das, was er pro Saison erwirtschaftet, direkt wieder ins Haus. &bdquo;Aber das war in den vergangenen zwei Jahren nicht machbar."

So hätten die staatlichen Hilfen den Hoteliers am Ende zwar beim Überleben geholfen. Nicht aber, wenn es um Investitionen in die Bausubstanz geht.

Wie Sasse können auch viele andere Salzufler Betriebe – vor allem kleinere Häuser – gerade kein Risiko eingehen, weiß Sasse aus Vereinskreisen. Die Kollegen seien vorsichtig, was Kredite und Zukunftsperspektiven angehe, und scheuten davor, jetzt Eigenkapital zu investieren. Doch genau das könnte den Häusern irgendwann auf die Füße fallen. &bdquo;Der Investitionsstau kann am Ende entscheidend sein, ob man weitermachen kann oder nicht", sagt er.

"Wenn wir jetzt nicht investieren, können wir einpacken"

Auch Swetlana Lenger ist sich sicher: Ohne die Kredite, die sie und ihr Mann direkt nach Beginn der Pandemie aufgenommen haben, hätten sie es – trotz staatlicher Hilfen – nicht geschafft. Und nur so können sie jetzt überhaupt wieder investieren. Und das müssen sie auch. Erst 2019 haben die Eheleute das Kurpark-Hotel mit seinen 68 Zimmern und 109 Betten übernommen. &bdquo;Es gibt hier einen hohen Investitionsstau. Wenn wir uns jetzt nicht trauen, in die Zukunft zu investieren, können wir einpacken", sagt die Mutter eines kleinen Sohnes.

Sie erinnert sich noch gut an den 19. März 2020, als der erste Lockdown verhängt wurde. &bdquo;Den Tag werde ich nie vergessen", sagt sie. Alle Gäste hätten abreisen müssen. Danach hätten sie und ihr Mann erst einmal Rotz und Wasser geheult. &bdquo;Aber wir mussten uns zusammenreißen, es war kein Platz für Verzweiflung", sagt sie. Aufgeben war nie eine Option, auch für Michael Sasse nicht, dafür hängt das Herz viel zu sehr am Hotel und vor allem den vielen treuen Gästen.

Stapelweise haben die zu Weihnachten oder Ostern Karten geschickt, eine ganze Schublade voll hat Swetlana Lenger inzwischen. &bdquo;Man bekommt so viel zurück. Das baut auf und motiviert, weiter zu machen", sind sich beide Hoteliers einig. Dennoch sei das zurückliegende Corona-Jahr nicht einfach gewesen. &bdquo;Die Achterbahnfahrt geht immer weiter", sagt Sasse.

Sommer gaukelte ein falsches Bild der Lage vor

Während Ferienwohnungen bereits ab Mai 2021 wieder öffnen durften und reichlich Besucher lockten, zogen die Hotels erst ab Juni nach. Da seien die Gäste aber erst noch verhalten gewesen. Ab Ende Juli sei es dann bis September durchaus sehr gut gelaufen. Die Leute wollten reisen, die Betten waren voll. &bdquo;Aber das gaukelte auch ein falsches Bild vor", sagt Michael Sasse. Schließlich fehlten der Branche am Ende dennoch drei der sieben Hauptmonate. &bdquo;Wir haben alle Umsatzeinbußen von weit mehr als 30 Prozent", schätzt er.

Zumindest der Weihnachtstraum sei noch ein kleines Plus für die Hoteliers gewesen. &bdquo;Ich fand es toll, dass der Markt umgesetzt und so lange durchgehalten wurde", sagt Swetlana Lenger. Sie selbst hatte über Weihnachten und Neujahr ihr übliches Weihnachtsprogramm laufen. Immerhin 70 von sonst 90 Gästen kamen, um die Feiertage im Kurpark-Hotel zu verbringen. &bdquo;Wir haben alle Gäste schon Anfang November angeschrieben, unser Sicherheitskonzept erklärt und erläutert, dass die Belegschaft geimpft ist, und konnten damit fast alle beruhigen", sagt sie. Nur zwei Stornierungen habe es gegeben.

"Es ist ein bisschen Wahnsinn"

Nachdem sie und ihr Mann bereits in den vergangenen zwei Jahren kräftig ins Haus investiert haben, fließt auch in diesem Jahr ein sechsstelliger Betrag in die nun laufende Komplettrenovierung von acht Zimmern, in die Küche, in die Rezeption. Ein hohes Risiko in Corona-Zeiten, oder? &bdquo;Es ist ein bisschen Wahnsinn, aber es kann gut gehen", sagt sie.

Denn Swetlana Lenger glaubt fest daran, dass die Menschen wieder reisen wollen und das vermehrt auch innerhalb Deutschlands tun werden. Angst vor einem erneuten Lockdown haben weder sie noch Michael Sasse – trotz Omikron. &bdquo;Ich glaube nicht, dass Corona von Heute auf Morgen weg sein wird. Aber ich hoffe, dass wir ab Ende März eine stabile Situation haben und touristische Reisen und Veranstaltungen zugelassen sein werden", sagt Sasse. Zudem gebe das Impfen Sicherheit. Natürlich seien Bedenken da. &bdquo;Aber die Angst ist nicht mehr so groß wie noch vor zwei Jahren", gibt sich Swetlana Lenger optimistisch.

&bdquo;Wir müssen optimistisch bleiben und brauchen Normalität"

2019 lag die Zahl der Übernachtungen in Bad Salzuflen bei fast 865.000. 2020 sank sie durch Corona auf knapp 553.000. Für 2021 liegen noch keine Gesamtzahlen vor. Bis 31. August waren es nach letztem Stand rund 357.000.

Laut Kai Buhrke, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Lippe (DEHOGA), ist die Verunsicherung bei den Gästen groß. Zahlen einer NRW-weiten DEHOGA-Umfrage aus November belegen das: Damals lag die coronabedingte Stornierungsquote unter den teilnehmenden Beherbergungsbetrieben bei 23 Prozent. &bdquo;Die Belastungsgrenze der Branche ist längst überschritten", betont auch Buhrke.

Auch, wenn die Stimmung am Boden sei. &bdquo;Wir müssen optimistisch bleiben", sagt er. Der Tourismus in Deutschland bleibe Trend, dafür sei die Region gut aufgestellt. &bdquo;Die Menschen wollen verreisen." Buhrke wünscht sich für die Branche künftig vor allem mehr Planungssicherheit und nicht laufend neue Corona-Schutzverordnungen. Und: &bdquo;Wir brauchen Normalität", sagt er.

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