Bürgermeister sieht Ärzte-Notstand in Barntrup - KVWL widerspricht

Barntrup. In Barntrup gibt es zu wenige Hausärzte, findet Bürgermeister Jürgen Schell. Zumal sich im März 2019 nach dem Tod eines Allgemeinmediziners kein Nachfolger fand. Dieser sogenannten Arztsitz wanderte in eine Nachbarkommune. Damit sind nun nur noch drei Allgemeinmediziner in der 8500-Einwohner-Stadt tätig, einige arbeiten in Teilzeit. &bdquo;Das ist akuter Ärztemangel", sagt Schell. Doch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sieht das ganz anders.

Sie errechnete eine Versorgung, die bei mehr als 100 Prozent liegt, und spricht von einer &bdquo;durchaus stabilen" Situation. Die Einschätzung der Situation könnte also unterschiedlicher nicht sein. Die Auswertungs-Grundlage der Kassenärztlichen Vereinigung sind sogenannte Mittelbezirke. Sie betrachtet die Situation ortsübergreifend. Zum Mittelbezirk Barntrup gehören nämlich auch die Nachbargemeinden Dörentrup und Extertal. Zusammengerechnet liegt laut KV der hausärztliche Versorgungsgrad dann bei 104,9 Prozent.

Nur "ein wenig zu Lasten Barntrups" &bdquo;Zwar geht die Verteilung der Ärzte ein wenig zu Lasten von Barntrup", heißt es von KVWL-Mitarbeiterin Heike Achtermann. Ärzte in Dörentrup und Extertal würden Barntrup aber mitversorgen. Achtermann verweist auch auf die Zweigpraxis in Alverdissen, wo ein Mediziner Sprechstunden anbietet.

Praktisch jedoch stelle sich die Lage ganz anders dar, findet Bürgermeister Jürgen Schell. &bdquo;Damit diese Rechnung aufgeht, müssen Patienten fahrtüchtig sein. Hier wird ein 20-Kilometer-Radius als zumutbar angesetzt", sagt Schell. Der demografische Wandel auf dem Land bedeute aber, dass es immer mehr ältere Menschen gebe, und &bdquo;diese können das nicht leisten", ist sich Schell sicher. &bdquo;Von vier Arztsitzen in Vollzeit haben wir nur noch zwei." Nach Schells Berechnungen hat Barntrup damit nur noch einen Versorgungsgrad von 50 Prozent. &bdquo;Das ist Notstandsversorgung. Auf einen Arzt kommen in unserer Stadt etwa 4250 Patienten." Schell verweist darauf, dass laut KVWL auf einen Arzt eigentlich maximal rund 1700 Patienten kommen dürften.

Ärztezentrum angedacht Mit einem medizinischen Versorgungszentrum in Barntrup möchte Schell Abhilfe schaffen: &bdquo;Wir haben einen Investor und ein Grundstück in der Nähe des Busbahnhofes." Es gebe Gespräche mit vielen Akteuren. &bdquo;Wir sind auf einem guten Weg", sagt Schell, dessen Idee in der Politik mit einem &bdquo;Ja, aber" andiskutiert wurde.

&bdquo;Grundsätzlich sind wir für Investoren offen", erklärt Henning Waltermann (Grüne), warnt aber davor, trotz besserer Finanzlage als Stadt &bdquo;auf Verdacht zu investieren". Jobst-Dieter Rodewald-Tölle (CDU) wünscht sich, dass die niedergelassenen Ärzte in die Diskussion eingebunden werden, &bdquo;denn die haben zum Teil viel Geld in ihre Praxen investiert". Außerdem, so gibt er zu bedenken, könne ein Ärztezentrum keine Hausbesuche leisten. Die SPD hält die hausärztliche Versorgung in Barntrup ebenfalls für nicht ausreichend, sie sieht das Ärztezentrum grundsätzlich positiv.

Zwickmühle Das Dilemma erläutert ein Barntruper Mediziner, der namentlich nicht genannt werden möchte. Nicht das Landleben sei der Grund, warum junge Mediziner nicht aufs Land wollen, sondern die Abrechnungsregularien der Kassenärztlichen Vereinigung. Es gebe starre Regelsätze mit festen Zeiteinheiten für jede Diagnose. Oftmals würden diese unterschritten – zum Beispiel bei einer Krankheitswelle, wo die Diagnose schneller erfolgen kann.

Das lasse sich in dem starren System nicht darstellen, angerechnet werde viel mehr Arbeitszeit. Das führe dazu, dass &bdquo;ich am Ende eines Quartals Leistungen streichen muss, damit ich ein Arbeitszeitlimit nicht überschreite". Sonst drohten Strafen, sagt der Mediziner. Der Ärztemangel auf dem Land verstärke sich somit: &bdquo;Wenn es wenig Ärzte an einem Standort gibt, weiß ein junger Kollege, dass er in dieses Dilemma kommen wird."

Bürgermeister sieht Ärzte-Notstand in Barntrup - KVWL widerspricht

Hecker: Darum ist das MVZ Kalletal ein Gewinn für die medizinische Versorgung

Welche Ärzte sich in Lage niederlassen könnten - und welche nicht

Warum OWL weniger Ärzte hat als der Rest von NRW

Zwei Hausärzte hören auf - mit „Zukunftsmacher“ sollen Ärzte für Lage gewonnen werden

Blomberg will Hausärzte mit einer Finanzspritze in die Großgemeinde locken

Vernachlässigung und zu viel Bürokratie: KVWL sieht Politik bei Ärztemangel in der Pflicht

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €