Sieben Straßen und eine Sterbekasse: Selbecker sind eine verschworene Gemeinschaft

Barntrup-Selbeck. Sehr einfach wäre eine Hymne auf das Dorfgemeinschaftshaus, aber so einfach läuft das nicht in Selbeck. 380 Bewohner hat das Dorf zwischen &bdquo;Roter Kuhle“ und Barntrup-City. Eine stark befahrene Straße, zwei ehemalige Gaststätten und ein Verein, dem mehr als 70 Prozent aller Dorfbewohner angehören. Was hier wie das blühende Leben daherkommt, kann sogar in Sachen Tod noch einen drauf setzen: Selbeck dürfte einer der letzten Orte in Lippe sein, der sogar eine Sterbekasse führt. Hat es jemanden im Ort &bdquo;erwischt“, geht Julia bei den Mitgliedern von Haus zu Haus und sammelt jeweils fünf Euro ein. Das Geld bekommen die Angehörigen. Denkbar, dass sie es in einen &bdquo;Leichenschmaus“ stecken, der wiederum - und da schließt sich der Kreis - im Dorfgemeinschaftshaus stattfinden könnte.

Im Jahr 2022 hatten die Selbecker neben dem Spielplatz im Schürenbusch angefangen, Fundamente zu bauen. Am Rande des Dorfes sollte eine Mitte entstehen. 2024 wurde das Gebäude, das Platz für 100 Menschen bietet, eingeweiht, und vor ein paar Wochen war noch Hans Feuß, ehrenamtlicher Regionalbotschafter der NRW-Stiftung in Lippe, zur Übergabe eines Spendenschecks für Tische und Stühle in Selbeck. Feuß lobte den Verein: &bdquo;270 Menschen im Ort sind im Ziegler- und Heimatverein. Das ist schon enorm.“

Echte Ziegler Zwei ehemals &bdquo;aktive“ Ziegler gehören dazu. Christof Pettenpohl, Vorsitzender des Vereins: &bdquo;Das sind Selbecker, die wirklich noch Ziegel gebrannt haben. Natürlich sind beide deutlich älter als 80 Jahre.“ Der Ziegler- und Heimatverein ist ohne Konkurrenz im Ort: die Feuerwehr, einen Chor oder einen Fußballclub sucht man vergebens. Dennoch liegt neben dem Dorfgemeinschaftshaus ein Sportplatz, auf dem im Sommer bei gutem Wetter mittwochs ab 18 Uhr &bdquo;Betrieb“ ist. &bdquo;Wir spielen auch mal Fußballtennis“, erklärt Michael Deppe, der stellvertretende Vorsitzende im Verein. Und wie in alten Zeiten können die Kinder im Ort immer auf die Wiese.

Außerdem treffen sich die Menschen aus den sieben Straßen im Ort mindestens zehnmal im Jahr bei einem Event - wir sprechen von Osterfeuer, Weihnachtsfeier, Dorfsäuberung, Familien-Wandertag, Kinderfest mit Geschicklichkeitswettbewerb oder Obstwiesenfest. Wem das nicht reicht, der kann im Haus Darts oder Tischtennis spielen. Sogar ein Fernseher für Fußballübertragungen bei einer WM oder EM führt Selbeck im Zweifel zusammen.

&bdquo;Zusammen ist ein gutes Stichwort“, sagt Pettenpohl, &bdquo;hier unterscheidet niemand, ob jemand aus dem Unterdorf oder dem Oberdorf kommt.“ Und Deppe fügt hinzu: &bdquo;Außerdem wollen wir Mitglieder, die bewusst eintreten, also keine Eltern, die ihre sechsjährigen Kinder anmelden. Wer Mitglied im Verein werden will, muss 16 Jahre alt sein.“

Belastung durch die Straße Was wie ein übriggebliebenes Idyll wirkt, hat dennoch Schattenseiten: Der Verkehr vor der Tür. &bdquo;Rübenlaster muss ich nennen“, sagt Pettenpohl. Die Umgehungsstraße in Barntrup habe keine Entlastung für Selbeck gebracht. Und natürlich müssen die Selbecker nahezu alles mit dem Auto oder dem Bus managen: Kindergarten, Schule, Supermarkt, Freibad - um mal eine Handvoll Faktoren zu nennen. Deppe: &bdquo;Hier gibt es nur zwei Landwirte, einen Tischler und eine Baumschule. Und selbst bei Baugrundstücken brauchen Sie nicht mehr als eine Hand, wenn Sie zählen wollen.“

Selbeck ist und bleibt das gelebte Solidaritätsprinzip. Pettenpohl nennt die Sterbekasse, die Otto Piesk im Ort verwaltet. Seine Tochter ist die eingangs bereits erwähnte Frau, die bei Todesfällen zu Fuß unterwegs ist. Und auch beim Schneeschieben im Winter greift der Wir-Gedanke: &bdquo;Wir haben jemanden an der Hand, der sich zuständig fühlt, weil seine Mutter im Dorf wohnt. Sie sehen, die meisten Dinge klappen in Selbeck“, fassen Pettenpohl und Deppe zusammen.

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