Interview mit Bürgermeister Klaus Geise

Blomberg. Eine vierte Amtsperiode will er nicht. Vor einer guten Woche hat Blombergs Bürgermeister Klaus Geise dies in zwei Sätzen dem Rat mitgeteilt. Mit LZ-Redakteurin Marianne Schwarzer spricht er über die Hintergründe und wirft einen Blick zurück auf die 16 Jahre als Stadtoberhaupt.

Herr Geise, wie war die Reaktion, nachdem Sie die Katze aus dem Sack gelassen haben?

Klaus Geise : Zunächst gab es eine gewisse Funkstille, denn auch mein Freundes- und Bekanntenkreis wusste nichts von meiner Entscheidung und traute sich zunächst nicht, bei mir nachzufragen.

Wie, nicht getraut?

Geise : Naja, sie kennen mich und meine Einstellung anders, und manch einer hat wohl gedacht, irgendetwas Schreckliches ist passiert, was mich plötzlich dazu bewogen hat.

Aber so war es nicht?

Geise : Ganz und gar nicht. Ich habe mir in den vergangenen Monaten überlegt, was mir jetzt im Leben wichtig ist. Ich liebe diesen Beruf nach wie vor, aber ich sehe auch das, was in den vergangenen 16 Jahren zu kurz gekommen ist, Familie, Freunde. So ist diese Entscheidung gereift.

Die Sie dann sehr, sehr spät und sehr knapp mitgeteilt haben.

Geise : Mir war es wichtig, den Wahlkampf möglichst lange hinauszuzögern, um weiter mit voller Kraft handlungsfähig zu bleiben und nicht die letzten Monate eine lame duck zu sein. Ich hatte mich schon vier Wochen früher erklären wollen. Doch da zeichnete sich die Corona-Krise in ihrer vollen Wucht ab, und dann wäre bei den Menschen hängen geblieben: Der Kapitän geht von Bord...

Dennoch: Die Art, wie Sie es verkündet haben, ist für die, die Sie kennen, befremdlich.

Geise : Das verstehe ich, und das tut mir Leid. Doch stellen Sie sich bitte die Situation vor: Eine Notsitzung in der Mensa, sicherheitshalber nur mit einem Teil des Rates. Wir haben die Tagesordnungspunkte im Staccato durchgepaukt. Und dann soll ich mich hinstellen und mich produzieren?

Sie haben 16 Jahre mit verschiedenen Mehrheiten im Rücken die Stadtverwaltung geführt, zwei Mal rot-gelb, nun rot-grün. 2009 holten Sie mit der SPD die absolute Mehrheit, um sie 2014 wegen der Schließung der Grundschule Istrup wieder einzubüßen.

Geise : Ja. Aber für mich und uns war immer wichtig: Es geht um das große Ganze, das Wohl der gesamten Stadt. Ich habe immer den Rückhalt meiner Partei gehabt, auch in diesem Punkt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Sie sind damals auch persönlich sehr angegangen worden.

Geise : Das stimmt. Aber es hatte nachträglich auch was für sich: Allein vor 200 aufgebrachten Istrupern in der Mehrzweckhalle diesen Standpunkt zu vertreten und meinen Mann zu stehen, hat mich in gewisser Weise gestählt: Es hat mich gelassener gemacht.

War die Entscheidung aus heutiger Sicht richtig?

Geise : Unbedingt. Ohne die Istruper Schüler wäre die Grundschule Großenmarpe heute einzügig. In der Sache haben wir alles richtig gemacht. Die Kommunikation hätte allerdings besser laufen können.

Eine andere unpopuläre Entscheidung, die der Rat in Ihrer Amtszeit gefällt hat, war die Sache mit den Friedhöfen in Patenschaft der Dörfer.

Geise: Auch dazu stehe ich. Es war mit Blick auf die Friedhofsgebühren im gesamten Stadtgebiet eine Frage der Solidarität, um das Thema anzugehen und zugleich moderne Bestattungsformen zu eröffnen.

Tja, und dann ist da noch der Vattipark. Auch hier haben Sie viel Kritik einstecken müssen.

Geise : Jemand hat mir sogar geschrieben, man müsste mir mal ordentlich auf den Kopf hauen. Aber es war nun mal ein Projekt von 29 bei der Verwirklichung des Stadtentwicklungskonzeptes, und das hatten wir gemeinsam beschlossen.

Sie haben es damit ins Fernsehen gebracht, zu Extra Drei.

Geise : Ja, das war Satire. Bitter fand ich, dass ARD in Brisant und das ZDF in der Drehscheibe das eins zu eins übernommen haben, ohne die Hintergründe zu recherchieren.

Unter Ihrer Regie hat die Innenstadt mit dem Stadtentwicklungskonzept ein neues Gesicht bekommen. Sind Sie zufrieden?

Geise : Absolut. Im Sommer hat der Marktplatz mittlerweile fast südländisches Flair, und der Pideritplatz, auf den Besucher zuerst geleitet werden, ist wirklich gelungen. Und so viele Leute steigen auf den Turm im Schweigegarten.

Nun, im letzten Jahr Ihrer Amtszeit, hat die Sparkasse Blomberg ihre Selbstständigkeit aufgegeben.

Geise : Das war nicht leicht, aber wir haben das Beste für Blomberg zur Stärkung als Mittelzentrum im lippischen Südosten erreicht, denn gerade in einer &bdquo;Nach-Corona-Zeit" hätten wir ein solches Verhandlungsergebnis mit unserem neuen Partner nicht erzielt.

Wo steht Blomberg Ihrer Meinung nach zurzeit?

Geise : Ich sehe in allen Politikfeldern ein gutes Gesamtergebnis. Ob es die Bildungslandschaft, die Infrastruktur, das Sozialwesen ist – alles gut. Im Nederlandpark hätte ich mir eine dynamischere Entwicklung gewünscht, aber das lag letztlich nicht in unserer Hand.

Aber die Bevölkerungszahl geht zurück.

Geise : Stimmt, aber ich bin sicher, dass Leben in der Kleinstadt eine Renaissance erfahren wird. Dafür müssen wir die Infrastruktur halten. Das Pfund, mit dem wir wuchern können, ist der gute Zusammenhalt auf allen Ebenen.

Worauf muss sich Ihr Nachfolger einstellen?

Geise : Den Aufbau nach Corona kann ich wohl nicht mehr mitgestalten. All das, was jetzt in der Krise ausgegeben wird, muss irgendwann bezahlt werden. Das werden die Kommunen zu spüren bekommen. Aber ich sehe auch eine Chance, es wird ein Neuanfang sein. Vielleicht ist es jetzt auch deswegen der richtige Zeitpunkt, wenn frischer Schwung hineinkommt. Der neue Bürgermeister oder die Bürgermeisterin sollte allerdings wirklich was von Verwaltung verstehen. Aber bis September bin ich erst mal noch da – und zwar wie gewohnt mit voller Kraft.

Persönlich Klaus Geise (62) ist ein echter Blomberger Jung. Er ist mit 17 in die SPD eingetreten, hat 1978 in Blomberg Abitur gemacht, und war mit 22 jüngster Ratsherr. Er hat Soziologie mit dem Schwerpunkt öffentliche Verwaltung studiert und noch ein zweites Studium mit dem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt nachgeschoben. 1991 kam er zurück ins Blomberger Rathaus. 2000 stieg er zum Beigeordneten auf. 2004 setzte er sich bei der Bürgermeisterwahl mit rund 60 Prozent der Stimmen gegen Reinhold Mennecke und Udo Möller (CDU) durch.

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