Reaktion auf Tim Kellner: Blomberger Bündnis macht Front gegen Rechts

Blomberg-Tintrup. Seit der jüngsten Ratssitzung kursiert das Gerücht, dass die Stadt Blomberg für ein just von dem extrem rechten Influencer Tim Kellner und drei Kumpanen gekauftes Haus im Vogtweg 6 das Vorkaufsrecht wahrnehmen will, um dort ein Flüchtlingsheim einzurichten. Vor allem Kellner selbst, aber auch die AfD propagieren diese Variante. Davon stimmt aber nur die Hälfte.

Es ist wahr, dass die Stadt Blomberg ein Vorkaufsrecht geltend machen will. Aber ein Flüchtlingsheim dort einzurichten, das betont Bürgermeister Christoph Dolle, war nie der Plan. Dolle vermutet, dass der Influencer da falsche Schlüsse aus der Tagesordnung des Rates gezogen hat: "Beratung und Beschlussfassung über die Aufnahme von Kaufpreisverhandlungen zur Übernahme von Bestandsgebäuden zur Unterbringung von Flüchtlingen" hatte es im nichtöffentlichen Teil geheißen. "Aber das bezog sich auf die Flüchtlingsunterkunft am Lehmbrink und hat mit dem Tintruper Gebäude überhaupt nichts zu tun", betont der Bürgermeister. "Das hat Herr Kellner wohl nicht verstanden."

Kein Flüchtlingsheim Der Tagesordnungspunkt, auf den Kellner sich in seinen Videos bezieht und zu dem er auch in der Einwohnerfragestunde gern etwas gesagt hätte, lautete so: "Ausübung des Vorkaufsrechts zum Erwerb einer Immobilie zur Schaffung von Sammelunterkünften und Begegnungsstätten." Der Bürgermeister erklärt, was damit gemeint ist, und was nicht: "Da ließe sich, selbst wenn wir es wollten, überhaupt kein Flüchtlingsheim unterbringen."

Das Haus im Vogtweg 6 tauge lediglich zur Unterbringung von ein oder zwei Familien. Aber: "Wir brauchen häufiger kurzfristig Wohnraum, beispielsweise, um Obdachlose unterzubringen, oder Menschen, die aus irgendeinem Grund ihre Wohnung verloren haben." Im Übrigen liege der Stadt viel an der Stärkung der Dorfgemeinschaft, und die Tintruper hätten ja bekanntermaßen kein Dorfgemeinschaftshaus mehr. "Das Haus Vogtweg 6 wäre eben auch eine Möglichkeit für eine Begegnungsstätte."

Die Stärkung der Dorfgemeinschaft wäre ganz im Sinne des Blomberger Bündnisses, das sich im Juli zusammengefunden hat. "Dass Kellner sich hier niederlassen will, hat sich ziemlich schnell herumgesprochen, aber nicht jeder konnte gleich etwas mit dem Namen anfangen", erzählt ein Anwohner. Doch dass hier jemand mit sehr rechter Gesinnung Einzug gehalten habe, der seine Gesinnungsgenossen und somit in Lippe bekannte Nazis zu regelmäßigen Treffen nach Tintrup einlädt, sei dann den meisten sehr schnell klar geworden: "Die Videos, die Tim Kellner regelmäßig postet, sprechen ja Bände", sagt eine Frau, die zu den Gründerinnen des Bündnisses gehört.

Entwertung der Immobilien dank Kellner Aus Tintrup und den umliegenden Dörfern seien daraufhin vielfach Befürchtungen laut geworden, nicht nur wegen der rechten Umtriebe, sondern auch wegen zugeparkter Straßen und Lärm durch Hunderte von Motorrädern, und der Entwertung von Immobilien. Ein Gebäude am Vogtweg stehe zum Verkauf. Als ein Kaufinteressent das Banner des Motorradclubs an Haus Nummer 6 gesehen habe, habe er sofort kehrt gemacht: "So eine Nachbarschaft wollte er nicht."

Ganz bewusst treten die Mitglieder des Blomberger Bündnisses nicht als Einzelpersonen und entsprechend nicht mit ihren Namen in Erscheinung. Denn was passiert, wenn sich ein Einzelner gegen die Kellnersche Haltung positioniert, haben nicht nur Bürgermeister Christoph Dolle, sondern auch bereits einige Mitglieder des Blomberger Rates erlebt. Wie berichtet, hatte Tim Kellner Dolles Kontaktdaten in einem seiner Youtube-Filme nach der Ratssitzung eingeblendet und dazu aufgerufen, dem "strammen Sozialdemokraten" ihren "Support" zu bekunden.

Mit dem Erfolg, dass mittlerweile Hunderte von Nachrichten bei der Stadt eingegangen sind mit teilweise nicht nur diffamierenden, sondern auch sehr bedrohlichen Äußerungen. Dolle lässt sich davon nicht einschüchtern. "Aber mir tut es sehr leid, dass sich jetzt so viele Kollegen im Rathaus mit diesem Schmutz befassen müssen", sagt er.

Eine solche Bedrohung wollen die Mitglieder des neuen Blomberger Bündnisses ihren Familien nicht zumuten, wegen des "Bedrohungs- und Gewaltpotenzials von Kellners Umfeld". Da helfe es auch nicht, dass sich die Besucher der regelmäßigen Clubtreffen bis jetzt friedlich verhalten hätten, sagen sie.

Gefahr für den ländlichen Raum Dem Blomberger Bündnis gehe es nicht darum, Front gegen Kellner zu machen, wie sie in ihrer offiziellen Erklärung schreiben: "Wir wollen in einem Umfeld leben, in dem rechtsextreme und menschenfeindliche Ideologien keinen Platz haben", heißt es in der offiziellen Erklärung. "Rechte Strukturen breiten sich zunehmend in der gesellschaftlichen Mitte aus", der ländliche Raum sei hier besonders gefährdet. "Durch Information und Vernetzung wollen wir die Dorfgemeinschaften sensibilisieren, stärken und erhalten. Wir wollen ein Verständnis dafür entwickeln, wie wir in Lippe leben möchten. Unser Ziel ist ein solidarischer, vorurteilsfreier und demokratischer Umgang miteinander."

"Im Grunde könnten wir eigentlich dankbar sein, denn der Vorstoß von Tim Kellner hat uns wirklich viel mehr miteinander ins Gespräch gebracht." Aber er hat, auch das verhehlen die Begründer des Bündnisses nicht, für Verunsicherung gesorgt. "Wir wissen natürlich, dass es auch in Lippe Menschen gibt, die seine Haltung teilen, auch die AfD ist ja auf den Zug aufgesprungen."

Doch nun haben sich die überparteilichen Bündnisaktivisten bereits über Blomberg hinaus mit Gleichgesinnten vernetzt, etwa mit den Omas gegen Rechts oder dem Offenen Forum Detmold. Die Unterstützung der Kirchengemeinden ist ihnen bereits sicher: Die Kirchenvorstände der ev.-ref. Kirchengemeinde Reelkirchen und Blomberg haben sich der Erklärung bereits angeschlossen, auch heimische Vereine stärken dem Bündnis den Rücken.

"Wir sind viele" Das ist auch das Ziel: "Wir würden sehr gern noch mehr Vereine und Institutionen mit ins Boot holen, denn eines wissen wir ganz genau: Wir sind viele, und wir sind vor allem mehr als die, die rechtsextreme oder menschenfeindliche Ideologien vertreten."

Erste Veranstaltungen sind bereits in Planung, unter anderem am 11. November ein Vortrag mit der Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke . Wer sich dem Anliegen des Blomberger Bündnisses anschließen will, sollte Kontakt aufnehmen: Info@blomberger-buendnis.org

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