Totale Rarität: Wie ein „Schneewittchensarg“ den Weg nach Blomberg und ins Fernsehen fand

Blomberg. Wer Horst Henry Schmitt am Langen Steinweg in Blomberg besucht, der betritt eine faszinierende Welt. Der Mann ist nicht nur passionierter Sammler besonderer Scheiben aus Schellack oder Vinyl, wie die unzähligen gut gefüllten Schallplattenregale beweisen. Auch die Abspielgeräte haben einen wichtigen Platz. Wobei es dem 64-Jährigen aber weniger auf die Technik als auf das besondere Design der Plattenspieler ankommt. Und da birgt seine Wohnung diverse Raritäten. Das Prunkstück ist der &bdquo;Schneewittchensarg“.

Innovativ und schick sollte es sein. Aber als die Firma Braun in den 1950-er Jahren ein brandneues Modell vorstellte, da hielten sich die Begeisterungsstürme bei den Kunden in Grenzen. Ziemlich schnell hatte die stylishe Plattenspieler-Radio-Kombination einen despektierlichen Spitznamen weg: &bdquo;Schneewittchensarg“. Heute ist dieses Kunststück der Designer ein heiß begehrtes Sammlerstück. Der Braun SK4 ist Horst Henry Schmitts ganzer Stolz. Und den durfte er jetzt beim Bayerischen Rundfunk in der Sendung &bdquo;Kunst und Krempel“ präsentieren.

Revolutionäres Design

&bdquo;Musiktruhen“, das waren jene Ungetüme, die nach dem Zweiten Weltkrieg manches Wohnzimmer zierten. Meistens waren das schwere, wuchtige Möbelstücke, manchmal mit Holzschiebetüren, hinter denen sich ein Radiogerät und ein Plattenspieler verbargen. Mit dem SK4 ging die Firma Braun einen anderen Weg, mit einem damals revolutionären Design.

Zwei Wangen aus hellem Holz, ein Korpus aus cremeweiß lackiertem Blech mit einer glatten Front, die nur durchbrochen ist durch zwei Felder waagerecht übereinander angeordneter Schallschlitze: Ein breiteres auf gleicher Höhe wie der Plattenteller auf dem Dach des Kastens, ein schmaleres, das optisch mit dem Bedienfeld auf dem Dach korrespondiert.

Von vorn stört kein einziger Regler, kein Kippschalter die strenge Ordnung des Bauhaus-Designs. Wer sie bedienen will, muss zunächst die Haube aus Acrylglas aufklappen, die sich mit einem Metallstift feststellen lässt wie die Motorhaube einiger Automodelle. Ihr verdankt der SK4 in Kombination mit dem vorherrschenden Weiß den Spitznamen. Ein &bdquo;Schneewittchensarg“ eben, durchsichtig wie die vermeintliche letzte Ruhestätte der Grimmschen Märchenheldin.

Rares Exponat

Horst Henry Schmitt kann sich an seinem Schatz kaum sattsehen. Der 64-Jährige ist gelernter Architekt: &bdquo;Das ist feinster Bauhaus-Stil, diese geraden Linien und die schlichte, klare Gliederung. Es wirkt wie ein Miniaturgebäude.“ Um dieses Modell zu entwickeln, hatte die Firma Braun 1956 zwei Designer beauftragt: Hans Gugelot (1920-1965) und Dieter Rams, Jahrgang 1932.

Bei der späteren Weiterentwicklung des SK4 hat sich Braun zwar an der von den beiden Designern entwickelte Formensprache orientiert, sie aber nicht der technischen Weiterentwicklung angepasst: Das verbreiterte Feld mit den Bedienknöpfen und der Radioskala ist bei den Nachfolgemodellen nicht mehr so exakt optisch auf die Schallschlitzfelder abgestimmt: &bdquo;Das wirkt einfach nicht mehr so harmonisch“, findet Sammler Schmitt.

&bdquo;Schneewittchensarg“: &bdquo;Nur drei Museen auf der Welt haben das Original in der ersten Version“, erzählt Schmitt. Das berühmte Museum of Modern Art (Moma) in New York hat einen, einer steht in München, einer in Frankfurt. &bdquo;Das Frankfurter Exemplar ist eine Dauerleihgabe der Firma Braun, das ist in einem guten Zustand“, weiß Schmitt. &bdquo;Aber die anderen beiden nicht.“ Und schon gar nicht so makellos wie das Exemplar, das einen Ehrenplatz bei Horst Henry Schmitt hat.

Unglaublich gut erhalten

Aber wie kam er an diesen Schatz? - &bdquo;Das war ein Glücksfall“, erzählt der Blomberger. &bdquo;Ich hatte eine Anzeige im Internet gesehen, der Preis sollte verhandelbar sein. Also bin ich nach Bad Dürkheim gefahren.“ Übrigens wohl wissend, dass er mindestens einen vierstelligen Betrag rausrücken müsste.

Es stellte sich heraus, dass die weiße Phono-Radiokombination fast fabrikneu wirkte. Gut gepflegt und in Ehren gehalten von einer alten Dame, die im Jahr 1957 den Schneewittchensarg zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte. &bdquo;Das Modell ist noch voll funktionsfähig“, zum Beweis schaltet Horst Henry Schmitt das Radio ein, es dauert ein paar Sekunden, und schon erklingt der Heimatsender.

Diesen Schatz wieder herzugeben, das würde Schmitt im Traum nicht einfallen. Aber ihn einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen, schon. &bdquo;Das ist der Grund, warum ich mal bei &bdquo;Kunst und Krempel“ nachgefragt habe.“ Der Bayerische Rundfunk strahlt seit 1985 die Sendung aus, in der Menschen wie Du und ich Familienschätze, Dachbodenfunde oder Flohmarktschnäppchen vom Expertenteam begutachten lassen können.

Die Anmeldung erfolgte online: &bdquo;Das Team möchte im Vorfeld zwei Fotos von dem jeweiligen Objekt zugeschickt bekommen, dazu die Geschichte, wie es in den Besitz gelangt ist und was man schon darüber weiß. Mir war ziemlich klar, dass die Interesse an meinem Gerät haben würden.“Und so kam es dann auch, Horst Henry Schmitt wurde zu einer Aufzeichnung eingeladen, als Experten standen Dr. Josef Straßer von der Neuen Sammlung in München und die Wiener Kunsthändlerin Katharina Marchgraber parat.

Die standen allerdings erst mal vor einem technischen Problem: &bdquo;Keiner aus der Crew wusste, wie man den Schallplattenspieler des Braun Phonosuper SK4 anstellt. Dann wurde ich reingebeten, um zu helfen.“ Das sei recht simpel gewesen: Der Schallplattenspieler hat keine Automatik. &bdquo;Das heißt, man muss den Tonarm anheben und leicht nach rechts bewegen, bis ein Widerstand kommt, den man sensibel weiterdrücken muss“, da muss Horst Henry Schmitt ein wenig schmunzeln.

Was die beiden nun zu dem Schatz aus Blomberg gesagt haben, lässt sich demnächst im Fernsehen verfolgen - der Sendetermin ist für März kommenden Jahres geplant.

Längst hat der stolze Besitzer aber schon weitere Pläne, er plant eine Ausstellung. Zwar ist der Braun SK4 das Prunkstück seiner Sammlung, doch kann er noch mit weiteren Schätzen punkten: Vom stylishen tragbaren Exemplar über den Beogram 4000 aus dem Jahr 1972 bis hin zum Space Edge von 1971, einem Tangential-Plattenspieler, bei dem der Tonarm feststeht.

All das und vieles mehr will er im kommenden Jahr der Öffentlichkeit zugänglich machen: &bdquo;Ich habe lange gesucht und endlich einen geeigneten Ausstellungsraum gefunden.“ In Lippe fand er nichts Passendes, aber in seiner Herkunftsregion schon: So wird die Schmittsche Sammlung vom 28. März bis zum 14. Juni 2026 in der BauKulturstelle Hamminkeln-Dingden, Weberstraße 17-19, zu sehen sein.

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