Seltene Apfelsorten kommen nach Lippe

Detmold . Auf der Streuobstwiese des LWL-Freilichtmuseums Detmold werfen Obstbäume an einem Spätsommernachmittag Schatten auf die Wiese, auf der Bienen und andere Insekten summen. Unweit davon ragen junge Apfelbäume aus dem Boden. Jeder einzeln eingezäunt, mit ein paar Blättern an den dünnen Ästen. Sie sind der Sortengarten des Kreises Lippe, der nun eingeweiht worden ist.

Fünf verschiedene &bdquo;Themengärten" befinden sich in dem 2,2 Hektar großen Garten. Das ist ungefähr die Größe von zwei Fußballfeldern. Es gebe Allergiker-, unbekannte, überregionale, regional-lippische und kulturhistorische Sorten, zählt Jürgen Georgi von den Grünen und Vorsitzender des Kreisumweltausschusses auf. Die Grünen hatten den Sortengarten 2018 beantragt und damit eine Mehrheit im Kreistag erzielt. Das Projekt zeichnete sich dann durch eine Zusammenarbeit von Kreis, Biologischer Station Lippe, Naturschutzbund (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund), Freilichtmuseum und Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) aus.

Extertaler Katzenkopf &bdquo;Der kulturhistorische Teil eignet sich für das Nachvollziehen der Sortenentwicklung und Obstbaugeschichte", sagt Vanessa Kowarsch von der Biologischen Station Lippe. Außerdem wachsen drei lippische Sorten auf der Wiese: zum einen die &bdquo;Biesterfelder Renette", die 1905 auf dem Schloss Biesterfeld entstanden sei, weiß Lydia Bünger vom Nabu. &bdquo;Sie ist nicht lange lagerbar. Je eher der Apfel reif ist, desto kürzer ist er lagerbar", erklärt sie. Der &bdquo;Extertaler" ist der Unbekannte unter den Sorten. Es sei nicht bekannt, wie, wo und wann er erstanden ist. Seinen Namen hat er vermutlich daher, weil er in Extertal gefunden wurde, sagt Lydia Bünger. Seine Form erinnere an einen Katzenkopf, weshalb Vanessa Kowarsch ihn auch &bdquo;Extertaler Katzenkopf" nennt. Er trage fast jedes Jahr Früchte. &bdquo;So gut schmeckt er gar nicht, aber den Menschen war es vor 70 bis 80 Jahren wichtiger, die Speisekammer zu füllen", sagt Vanessa Kowarsch. Die dritte lippische Sorte heißt &bdquo;Tannenkrüger" und ist auf dem Gut Tannenkrug in der Nähe von Leopoldshöhe entstanden, erzählt Lydia Bünger. Bis die gepflanzten Bäume im lippischen Sortengarten Äpfel tragen, wird es wohl noch sechs bis acht Jahre dauern.

Ziel ist Erhalt des Genmaterials Der Garten ist trotzdem schon für die Öffentlichkeit zugänglich. Auch Workshops und Führungen würden angeboten. &bdquo;Wir wollen das Interesse der Menschen wecken, selbst über eine Streuobstwiese nachzudenken. Bäume, Blüten, Frucht und kräuterreiche Wiese mit Schatten- und Sonnenbereichen bieten Lebensräume für bis zu 5000 Tiere", wird Vanessa Kowarsch in einer Pressemitteilung des Kreises zitiert. Ihr Wissen möchte sie weitergeben. Deshalb bietet sie ab November eine Fortbildung für ehrenamtliche Obstwiesenpflege an. Diese findet innerhalb ihres Projekts &bdquo;Lebendige Landschaft Streuobstwiese" der Biologischen Station Lippe statt. Das Projekt gibt es seit dem Jahr 2016. Es hat einen Beirat, dessen Mitglieder sich verbands- und behördenübergreifend für die Entstehung des lippischen Sortengartens eingesetzt hätten, sagt Vanessa Kowarsch.

Landrat Dr. Axel Lehman betont die Artenvielfalt und den Erhalt des Genmaterials der vom Aussterben bedrohten Sorten. Der Sortengarten sei außerdem auf Dauer ein Produkt für die Regionalvermarktung. Der Kreis tue etwas dafür, dass mehr als drei oder vier Sorten im Supermarkt zu finden seien. Werner Luke, Grünen-Fraktionschef im Kreistag und Mitglied der Landschaftsversammlung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, lobt die Zusammenarbeit der Akteure: &bdquo;Der Sortengarten ist eine Super-Sache, einmalig für diese Region in dieser Zusammenarbeit." Die Kosten für den Sortengarten trage der Kreis, sagt Isabelle Hebrock-Hugenberg von der Unteren Naturschutzbehörde. Bis zur Einweihung seien 12.000 Euro angefallen.

Veredelung Die Apfelbäume in dem neuen Sortengarten bestehen aus einer Unterlage und einem sogenannten Edelreis. Die Unterlage ist die Wurzel des jungen Baumes mit einem Stück Stamm. "Die Unterlage bestimmt die Wuchsstärke. Da kann man schön mit experimentieren", erklärt Agnes Sternschulte vom LWL-Freilichtmuseum, dessen Abteilung für Landschaftsökologie das Projekt laut einer Pressemitteilung wissenschaftlich begleitet.

Die Edelreise bestimmen die Sorte. Sie sind kleine Triebe von Apfelbäumen, die dann eine handbreit über dem Boden passgenau auf der Unterlage platziert werden und mit ihr verwachsen. Dieser Vorgang nennt sich Veredelung. Die Edelreise für den Sortengarten sind den Angaben zufolge in ganz Westfalen geschnitten worden.

Seltene Apfelsorten kommen nach Lippe

BUND Lippe erhält Spende für Erhalt alter Obstsorten und den Lebensraum Streuobstwiese

Auf Du und Du mit Käfer und Obstbaum: Es soll mehr „Grüne Klassenzimmer“ in Lippe geben

Warum auf der Streuobstwiese am Lemgoer Lindenhaus jetzt allerhand los ist

Neuer Name für das LWL-Freilichtmuseum: Heimatbund wünscht sich auch „Lippe“ im Titel

Neuer Name: Diese ausgefallenen Ideen haben LZ-Leser für das Freilichtmuseum Detmold

Warum „Hellerlecht“ selbst für lippische Plattdeutsch-Experten ein Rätsel ist

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €