Nach Feuer im Depot des Landesmuseums: So geht es den Ausgrabungen der Falkenburg

Detmold. Die historische Tonfliese hat es erwischt. In vier fast handgroße Stücke ist sie zerbrochen, vorsichtig legt Dr. Elke Treude sie in die Sonne und wischt mit einem Tuch darüber. &bdquo;Die Teile sind ziemlich weich, die lassen wir erst mal trocknen“, sagt die stellvertretende Leitung des Landesmuseums und Leiterin der Bodendenkmalpflege, und begutachtet eines der Stücke genauer.

Die Feuchtigkeit hat der Fliese zugesetzt, der Kleber, den man nach der Ausgrabung auf die Teile aufgebracht hatte, hat sich gelöst. &bdquo;Das müssen wir in absehbarer Zeit von einem Fachmann anschauen lassen“, sagt Treude und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

An diesem Donnerstagvormittag schlägt im Landesmuseum die Stunde der Wahrheit: Die beim Brand im Depot des Museums im Johannettental beschädigten Kartonagen und Exponate , größtenteils Keramiken, Scherben, Glas und Knochen von den Ausgrabungen der Falkenburg, aber unter anderem auch Objekte aus Schieder oder Lügde, werden heute erstmals unter die Lupe genommen – erst dann wird feststehen, wie groß der Schaden daran wirklich ist.

"Hätten nicht länger warten dürfen" &bdquo;Der Karton hats nötig“, sagt Museumsmitarbeiter Jörg Korth und zeigt auf ein schuhkartongroßes Exemplar mit welligem Rand. &bdquo;Länger hätten wir nicht mehr warten dürfen“, ergänzt Elke Treude mit Blick auf die Schimmelflecken, die sich in gerade einmal zwei Wochen auf der Oberfläche gebildet haben.

Im Hinterhof des Museums an der Ameide haben sich die beiden mehrere Klapptische aufgestellt, neue Kartonagen in allen Größen, Bleistifte, Radiergummi, Tücher, Folie und Plastiktüten stehen bereit – jetzt geht es darum, alle mehr oder weniger durchnässten Kartons zu öffnen, den Inhalt zu sichten und gegebenenfalls trockenzulegen, umzupacken und alles neu zu beschriften. &bdquo;Wir verschaffen uns heute zu zweit erst mal einen Überblick“, sagt Elke Treude. Bei Bedarf würde sie aber durchaus noch Unterstützung dazu holen.

Treude, graue Haare und knallrote Brille, streift sich blaue Plastikhandschuhe über und öffnet den ersten Karton, der ordentlich durchweicht aussieht. Es ist weder das Feuer, noch das Löschwasser gewesen, das ihm zugesetzt hat. Schließlich war die Feuerwehr wie berichtet mit speziellem Gerät im Einsatz, um möglichst wenig Schaden anzurichten . &bdquo;Und das hat sie richtig gut gemacht, wir sind dafür sehr dankbar“, sagt Museumsleiter Dr. Michael Zelle, der kurz vorbeischaut. Allerdings habe die Hitze ihr Übriges geleistet und ein Wasserrohr zum Bersten gebracht. Und genau dieses Wasser hat sich seinen Weg durch die Scheune gebahnt – und zwei Paletten mit besagten Kartonagen geflutet.

Große Erleichterung Die erste dieser beiden Paletten, die von der Feuerwehr geborgen wurde, wird jetzt begutachtet. Vorsichtig nimmt Elke Treude eine der Plastiktüten aus dem feuchten Karton, Ton- und Glasscherben und Keramikteile sind darin noch mal separat verpackt. Treude fühlt, sie schnuppert – riecht &bdquo;ganz normal“ muffig, wie sollte es bei Objekten, die aus dem 12. bis 15. Jahrhundert stammen, auch anders sein. Das Allerwichtigste: Es scheint alles trocken zu sein. &bdquo;Das ist jetzt wirklich eine Erleichterung. Wenn es so weitergeht, beruhigt mich das richtig“, sagt sie und man kann den Stein, der ihr vom Herzen fällt, fast schon fallen hören.

Elke Treude erinnert sich genau an den Moment, als im Urlaub ihr Handy klingelte und eine Mitarbeiterin anrief. Bei ihrer Mutter im Sauerland sei sie gerade gewesen, als sie vom Brand im Depot erfuhr. &bdquo;Es war schrecklich, ich wollte sofort losfahren“, erzählt sie. Die Angst, dass das Archiv, alle Dokumentationen verbrannt oder die Exponate beschädigt sein könnten, sei riesig gewesen. Schließlich lagern im Johannettental rund 1000 Exponate und weitere 300 bis 400 prall gefüllte Kartonagen. Und darunter eben auch Ausgrabungen der Falkenburg. &bdquo;Das wäre ein wahnsinniger Verlust.“

Ohne Beschriftung wäre alles verloren Umso größer ist die Erleichterung jetzt. Das Wasser hat – zumindest nach erstem Stand – zwar die Kartons, nicht aber deren Inhalt angegriffen. Und auch die Beschriftung, die sich sowohl auf den Kartons als auch auf Zetteln im Inneren befindet, ist noch gut zu lesen. Denn ohne die wäre eine Zuordnung der Exponate später quasi gar nicht mehr möglich. &bdquo;Dann wäre alles verloren – das wäre ein Riesenschaden für die Wissenschaft“, sagt Jörg Korth, während er mit einem Bleistift vorsichtig Buchstabe für Buchstabe und Zahl für Zahl von der durchnässten auf eine neue Kartonage überträgt.

Im Anschluss schichtet er vorsichtig eine Vielzahl an Tierknochen um – Essensreste der damaligen Menschen quasi. Er sei selbst bei den Ausgrabungen zur Falkenburg zwischen 2005 und 2016 dabei gewesen, man habe etliche davon ausgegraben. Teilweise hätten die Menschen damals sogar Spielzeug daraus geschnitzt, erzählt er von Kegelfiguren oder Pfeifen.

&bdquo;Gerade die Falkenburg, das ist ja schon ein Thema für die Lipper“, ist auch Michael Zelle erleichtert ob der guten Nachrichten. So könnte an den ausgegrabenen Objekten noch lange geforscht und mit ihnen gearbeitet werden. Und während Elke Treude sich schon den nächsten Karton schnappt, Fundstücke aus Eisen neu eintütet und umbettet, spricht Zelle aus, was gerade alle drei denken: &bdquo;Wir hatten Glück im Unglück.“

Bleistift und Karton als Mittel zur Wahl Exponate in Pappkartons, die mit Bleistift beschriftet werden? Eine bewusste Entscheidung, die durchaus Sinn macht, sagt Elke Treude. Denn gerade bei Keramiken, Knochen und Scherben sei eine Kartonage Mittel der Wahl. &bdquo;Bei Plastikkisten würden sich die Weichmacher irgendwann lösen und dann werden die Kisten bröselig.“

Zudem halte Bleistift am längsten. &bdquo;Filzstift oder Kugelschreiber verbleichen mit der Zeit“, sagt Treude. Klebe man Zettel auf die Kartons, könnte sich der Kleber irgendwann lösen. Nutze man Klammern, würden die auf Dauer rosten. Daher setze man auf Bleistiftbeschriftung außen und einen zusätzlichen Zettel im Inneren der Kartons, um gleich doppelt auf der sicheren Seite zu sein.

Tierbiss als mögliche Brandursache Das Feuer im Depot des Landesmuseums im Johannettental war am Vormittag des 5. Juli ausgebrochen, neben dem Wasser hat vor allem der Rauch den eingelagerten Exponaten zugesetzt. &bdquo;Der Brandgeruch zieht überall rein – wir werden uns nach und nach alles angucken müssen“, sagt die Elke Treude. Das wird allerdings sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.

Die Polizei geht als Brandursache von einem technischen Defekt in der Zwischendecke der Scheune aus, heißt es von der Pressestelle auf Nachfrage. Der könnte möglicherweise durch einen Marder- oder Waschbärenbiss verursacht worden sein, ergänzt Elke Treude. Festzustellen sei das im Nachhinein aber nicht mehr, so die Polizei.

Aktuell warte man auf die Versicherung, sagt Treude, später müsse noch ein kleiner Teil des Daches neu gedeckt und die Statik des Gebäudes geprüft werden. Auch der Strom funktioniere momentan nicht. Zudem wolle man als nächstes Entfeuchter aufstellen, da die Luftfeuchtigkeit im Inneren der Scheune aktuell sehr hoch sei.

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