Afghanischer Arzt nach sieben Jahren in Detmold wieder mit seiner Familie vereint

Detmold. Es muss sich wie ein Traum anfühlen, dabei ist daran nichts mehr Unwirkliches. Sieben verflixte Jahre hat der afghanische Arzt Dr. Hamidullah Jubran (52) aus Angst um die Sicherheit seiner Familie nicht mit Ehefrau Asma Jubran Neda (43) und seinem Sohn Abdulla Nawid Jubran (11) zusammengelebt. Jetzt sitzen die drei endlich vereint in ihrer kleinen Wohnung am Rande der Detmolder Innenstadt. Eine Geschichte über Hoffen, Bangen und seinem Kampf, hier in Deutschland endlich wieder als Kardiologe zu arbeiten.

Dass irgendwann einmal Detmold ihre neue Heimat werden sollte, das ist Dr. Hamidullah Jubran schon lange klar gewesen. Bereits vor Jahren hat er sich in diese beschauliche Stadt verliebt, sagt er und blickt beim Gespräch hinüber zur Couch, wo endlich auch seine Frau und Sohn sitzen. Er wirkt glücklich.

Im Wohnzimmer duftet es nach schwarzem Tee und &bdquo;Sambusa“. Die mit Gemüsecurry gefüllten Teigtaschen hat Ehefrau Asma Jubran Neda direkt griffbereit auf dem Tisch platziert. Daneben steht eine Schüssel mit Süßigkeiten und ein Teller mit Gebäck. Wer bei den Jubrans zu Gast sein darf, fühlt sich gleich willkommen. Kaum vorstellbar, wie viele Jahre Geduld die Familie aufbringen musste, um ein Stück Normalität zu leben.

Die Verbindung nach Detmold hat dabei schon vor Jahrzehnten begonnen. Dreimal hatte Dr. Jubran schon in den Jahren 2005, 2007 und 2013 mit anderen afghanischen Ärzten für mehrere Monate das Klinikum Lippe besucht, um sich über neue Technologien und die Arbeitsweise auszutauschen. Die Zeitungsartikel von damals hat er fein säuberlich aufbewahrt. Er erinnert sich gern an die Zeit zurück, sagt er.

In seiner Heimatstadt Mazar-I-Sharif ist der Kardiologe seit mehr als 20 Jahren auch als Universitätsprofessor tätig gewesen. Hier in Deutschland muss der 52-Jährige nun gefühlt ganz von vorn anfangen, bevor er wieder eigenständig als Arzt arbeiten darf. Dazu zählt, diverse Sprachtests zu absolvieren und die Approbation - also die deutsche Zulassung für Ärzte - nachzuholen. &bdquo;Die Inhalte betreffen teils Dinge, die ich vor Jahrzehnten im Studium gelernt habe, man muss erst einmal wieder reinkommen.“

Einige Prüfungen hat Jubran schon erfolgreich abgelegt. Wenn alles weiter nach Plan läuft, könnte er sich vorstellen, Ende 2025 wieder als Arzt zu arbeiten. Dass es so lange dauert, liege auch teils an den verfügbaren Sprachkursen. Beschweren über das sehr bürokratische System will sich Dr. Jubran aber nicht, das liegt ihm fern. Er ist dankbar, mit seiner Familie hier in Sicherheit zu sein.

Familie erst seit wenigen Monaten wiedervereint Doch in ihm kribbelt der Drang, endlich wieder seiner Berufung nachgehen zu können, das ist bei jedem Satz spürbar. &bdquo;Wenn man als Arzt so lange Pause macht, hat man Angst davor, abgehängt zu werden.“ Seit zwei Jahren lebt der Kardiologe aus Afghanistan nun fest in Detmold. Seine Ehefrau Asma und Sohn Abdullah sind vor erst drei Monaten nachgekommen. Endlich.

Die drei hatten auch schon Jahre lang in ihrer Heimat kein gemeinsames Leben mehr. Als gut situierte Familie aus dem Bildungsbürgertum seien die Jubrans Zielscheibe der Taliban gewesen. &bdquo;Das war zu gefährlich, wir hätten entführt werden können“, sagt Sohn Abdullah. Er ist gerade einmal wenige Monate in Detmold und spricht schon beeindruckend gutes Deutsch. Sein Türkisch ist aber besser, meint der Elfjährige, das spricht er genau wie Englisch fließend, schließlich habe er seit dem Jahr 2017 mit seiner Mutter in Istanbul gelebt. Während sein Vater in Afghanistan noch seinem Job an der Universität nachging.

Seit seinem vierten Geburtstag hat Abdullah also nicht mehr mit seinem Vater zusammengewohnt. Die Zeit kommt einem endlos lang vor. Hier in Detmold habe die Familie dennoch schnell wieder zueinandergefunden. &bdquo;Es war wirklich schwer, so viele Jahre getrennt zu sein“, sagt der Junge, der ein weißes Hemd trägt und bemüht ist, gerade zu sitzen. Sein Blick ist ernst. &bdquo;Jetzt bin ich einfach glücklich, dass wir hier ein neues Leben als Familie starten können.“

Tränen zwischen Rührung und Erinnerung Seiner Mutter Asma Jubran Neda laufen bei diesen Worten ein paar Tränen die Wange hinunter. Es ist schwer zu sagen, ob aus Rührung oder weil die schmerzhaften Erinnerungen wieder hochkommen. Sie ist selbst Mathelehrerin und will hier in Deutschland auch unbedingt wieder als solche arbeiten. &bdquo;Ich muss erst mal auf meinen Sprachkurs warten, wahrscheinlich geht es im September los“, sagt sie. Auch sie hat schon selbst ein wenig Deutsch gelernt.

In Afghanistan dürfte Asma Jubran Neda ihren Beruf gar nicht mehr ausüben. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 seien die Frauen wieder mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt worden. Es sei nicht mehr möglich, dort zu arbeiten, geschweige denn zu studieren. &bdquo;Es ist einfach schrecklich“, andere Worte findet Asma Jubran gar nicht dafür.

Ihr Ehemann Hamidullah Jubran versucht daher immer noch, ehemalige Stundentinnen in der Heimat online zu unterrichten. &bdquo;Es wird schwer sein, die Wissensrückstände wieder aufzuholen.“ Wann sich die Situation in Afghanistan noch einmal ändere, könne keiner voraussehen. &bdquo;Die Chancen sind nicht gut, weil der Fokus der Weltöffentlichkeit bei den vielen Krisen gerade woanders liegt“, erklärt Dr. Jubran. &bdquo;Afghanistan ist der sechste Finger.“

Hilfsprojekte in der Heimat Deshalb setzt sich Hamidullah Jubran auch seit Jahren im Ärzteverein für afghanische Flüchtlinge ein. Der Verein verfolgt in Afghanistan verschiedene Hilfsprojekte. Die ehrenamtliche Arbeit ist auch ein Ventil für ihn, um die Zeit zu überbrücken, in der er nicht selbst als Kardiologe arbeiten darf. Neulich erst hat Jubran in Detmold einen Erste-Hilfe-Kurs für geflüchtete Mädchen angeboten. Er zeigt stolz die vielen positiven Bewertungen, die seine Teilnehmerinnen in Fragebögen abgegeben haben. Sie scheinen ihn in dem Moment glücklicher zu machen als sein eigener Doktortitel.

Genauso stolz blickt Jubran aber auch auf seinen Sohn, der es am Stadtgymnasium in wenigen Monaten von der Internationalen Klasse in die Regelklasse geschafft hat. &bdquo;Mein Sohn ist ein Talent“, sagt er. Nach den Sommerferien darf Abdullah ganz normal die sechste Klasse besuchen, das steht auf seinem Zeugnis vermerkt. &bdquo;Ich hatte eine ganze tolle Lehrerin, die mich sehr unterstützt hat“, sagt der Elfjährige.

Natürlich sei das Leben in Detmold jetzt ein anderes, als er aus Istanbul gewöhnt war. Den Trubel einer Millionenstadt haben seine Mutter und er hinter sich gelassen. Auch kulturell gebe es Unterschiede, aber der Start hier in Lippe sei ihm trotzdem nicht schwer gefallen. &bdquo;Ich habe schon viele Freunde gefunden.“ Mehrfach die Woche trainiert Abdullha auch wieder Karate. Die Jubrans haben in Detmold eine neue Heimat gefunden.

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